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NAHOST/1217: NATO bereitet Flugverbotszone über Nordsyrien vor (SB)


NATO bereitet Flugverbotszone über Nordsyrien vor

McCain verrät wahre Funktion der Patriot-Stationierung in der Türkei



Vor dem Hintergrund tagelanger Schauergeschichten der US-Medien, allen voran der New York Times, über "ungewöhnliche Bewegungen" in den syrischen Chemiewaffendepots haben die NATO-Außenminister am 4. Dezember in Brüssel die Stationierung von Raketenabwehrbatterien vom Typ Patriot an der türkischen Grenze zu Syrien beschlossen. Unisono erklärten die Chefdiplomaten der NATO, niemand habe die Absicht über den Norden Syriens eine "Flugverbotszone" einzurichten; die Maßnahme sei rein defensiv, zum Schutz der Türkei, gedacht. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen fabulierte sogar von einer "deeskalierenden Wirkung" der Patriot-Verlegung. Wie unglaubwürdig die Beteuerungen der NATO-Oberen sind, lassen die Beratungen erkennen, die quasi parallel im Washingtoner Kongreß stattfanden.

Dort stimmte der Senat ebenfalls am 4. November mit 92 zu 6 Stimmen dem Verteidigungshaushalt für das Jahr 2013 in der unglaublichen Höhe von 631 Milliarden Dollar zu. Besonders interessant am National Defense Authorization Act (NDAA) ist ein Zusatz, in dem von Präsident Barack Obama ausdrücklich verlangt wird, dem Kongreß demnächst "einen Bericht über militärische Aktivitäten zur Verhinderung oder zur starken Einschränkung des Einsatzes von Luftstreitkräften gegen zivile und oppositionelle Gruppen" vorzulegen. Offenbar möchte der Kongreß eher früher als später die Ankündigung von Außenministerin Hillary Clinton, Syriens Präsident Baschar Al Assad "muß weg", in die Tat umgesetzt sehen.

Im Senat sorgte der Zusatz jedenfalls für einigen Streit. Wegen der Gefahr, daß nämliche Textpassage als Schritt in Richtung US-Militärintervention in Syrien ausgelegt werden könnte, blockierte der republikanische Senator aus Kentucky, Rand Paul, der als libertärer Militarismusgegner gilt, über Stunden die Verabschiedung des Gesamtgesetzespakets. Erst als es etwas abgemildert wurde, gab Paul den Weg frei. Mit seiner Blockadehaltung hat Paul zwischendurch John McCain, den dienstältesten Republikaner im Verteidigungsausschuß des Senats, der auf eine schnelle Verabschiedung des Gesetzespakets drängte, auf die Palme gebracht. Ungewöhnlicherweise hat sich McCain, der langjährige Senator aus Arizona, wegen der von Paul verursachten Verzögerung von nur wenigen Stunden bei den Demokraten im Oberhaus des US-Kongresses förmlich entschuldigt.

Für McCains Drängen gibt es eine einfache Erklärung. Der Ex-Kampfpilot und Vietnamveteran, der stets Waffengewalt zur Durchsetzung amerikanischer Interessen favorisiert, verspricht sich von der Stationierung der Patriot-Raketen im türkischen Südwesten ganz klar die Schaffung einer Flugverbotszone im syrischen Norden, der dadurch zum Rückzugsraum für Aufständische und Brückenkopf für die NATO - Stichwort "humanitäre Korridore" - werden würde.

In einem Artikel, der am 5. Dezember beim kanadischen Internetportal Global Research unter der Überschrift "Dangerous Crossroads: NATO Missiles in Turkey Pointing at Syria" erschienen ist, zitierte Tony Cartalucci einige entlarvende Äußerungen, die McCain bei einem Auftritt am 27. November auf dem 2012 Jahresforum der neokonservativen Foreign Policy Initiative in Washington machte. Beim FPI-Forum, das dieses Jahr den Titel "The Price of National Greatness: The Next Four Years of U. S. Foreign Policy" trug, hatte McCain mit dem französischen Philosophen Bernard-Henri Lévy über das Thema "The Consequences of Inaction in Syria" diskutiert. Die Moderation hatte der renommierte außenpolitische Analytiker Robert Kagan, der sich in letzter Zeit als erbitterter Gegner der Idee einer schwächelnden Supermacht USA hervortut. Die Entscheidung, McCain und Lévy zur Frage der Folgen einer westlichen "Inaktivität" in der Syrien-Frage schwadronieren zu lassen, kam sicherlich auch nicht von ungefähr. Die beiden eitlen Prahlhansel spielten letztes Jahr durch frühzeitige Besuche bei den Rebellen im libyschen Benghazi eine führende Rolle, als es darum ging, die Verhängung einer Flugverbotszone der NATO über Libyen, um die Gegner Muammar Gaddhafis zum Sieg zu verhelfen, medial zu rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund ist das, was McCain über die geplante Stationierung von Patriot-Raketen in der Türkei von sich gab, höchst aufschlußreich:

Die Flugverbotszone bedeutet nicht, daß wir Baschars Luftabwehr gleich aufs Korn nehmen. Sie bedeutet zunächst nur, daß wir Luftabwehrraketen in Stellung bringen. Und ich versichere Ihnen, das erste syrische Flugzeug, das wir abschießen, wird auch das letzte sein, das in die Flugverbotszone hineinfliegt. Ein Ort, wo sie - ein Benghazi. Ein Benghazi, wo sie sich organisieren, trainieren und bewaffnen können und wo wir herausfinden können, wer die Guten und wer die Bösen sind bei dem Bemühen, einen revolutionären Rat zu bilden, der effektiv sein wird.
Ich denke, die Patriot-Raketen - inzwischen werden die Deutschen unter irgendwelchen komischen Bedingungen einige Patriot-Raketen verlegen, aber immerhin kommen sie damit in die Türkei. Oder wir könnten ihnen [den Rebellen - Anm. d. SB-Red.] eine begrenzte, kontrollierte Anzahl von tragbaren Boden-Luft-Raketen geben. Doch hauptsächlich wird es auf die Patriot-Stationierung ankommen. Die Piloten werden nicht in den sicheren Tod fliegen. Mich interessiert's nicht, wie mutig sie sind. Schießt man einen oder zwei von ihnen ab, werden sie nicht mehr dort fliegen. Sie mögen Baschar Al Assad lieben, aber sie lieben ihr eigenes Leben sicherlich noch mehr.

Viel offener als es hier der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner von 2008 und wichtigste Vertreter der Opposition im US- Kongreß in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik getan hat, kann man die wahren Absichten, welche die NATO mit der Verlegung der Patriot- Raketen in die Türkei verfolgt, nicht zugeben.

10. Dezember 2012