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NAHOST/1263: Die Gegner von Obamas Iran-Politik machen mobil (SB)


Die Gegner von Obamas Iran-Politik machen mobil

Israelis, Saudis und republikanische Hardliner auf dem Kriegspfad



Der Versuch der Administration von Barack Obama, sich mit der neuen iranischen Führung um den gemäßigten Präsidenten Hassan Rohani darauf zu verständigen, den sogenannten Atomstreit beizulegen und die 1980 im Zuge der Islamischen Revolution und des Sturzes des Schahs abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zwischen Teheran und Washington wieder aufzunehmen, hat starke Gegner auf den Plan gerufen. Die Israelis, die republikanischen Hardliner in den USA und die Saudis, die allesamt seit Jahrzehnten von der vermeintlichen iranischen Bedrohung profitieren, wollen partout von jener fixen Idee nicht ablassen. Auf verschiedenen Wegen setzen sie nun alles daran, die Iran-Politik Obamas zu torpedieren, auch wenn daraus ein Krieg am Persischen Golf resultiert. Doch möglicherweise wäre ihnen das lieber als ein Frieden, der sie um Geld, Waffen und Einfluß bringt.

Wenngleich der genaue Inhalt nicht bekanntgegeben wurde, sollen die Gespräche, die am 15. und 16. Oktober in Genf zwischen Unterhändlern des Irans und der Gruppe P5+1 - die fünf ständigen Mitgliedsländer im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, also China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und die USA, plus Deutschland - recht positiv verlaufen sein. Die Iraner sollen einen konkreten Plan vorgelegt haben, der einen Ausweg aus dem Atomstreit ermöglicht und alle Seiten das Gesicht wahren läßt. Teheran will die Möglichkeit der Hochanreicherung von Uran und damit der Gewinnung waffenfähigen Materials ausschließen und ist deshalb zu verstärkten Inspektionen der iranischen Nuklearanlagen durch die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) bereit. Im Gegenzug erwartet der Iran die Anerkennung seines Rechts auf die niedrige Urananreicherung zu friedlichen Zwecken, nämlich zur Herstellung von Brennstäben für die Kernenergie und von Isotopen zur Krebsbehandlung, und die stufenweise Aufhebung der Sanktionen, die der Wirtschaft der Islamischen Republik schwer zusetzen. Bei der nächsten Verhandlungsrunde am 7. und 8. November in Genf könnte ein entsprechender "Fahrplan" vereinbart werden.

Kaum, daß die Teilnehmer der Atomgespräche einen konstruktiven Auftakt gemeldet hatten, gab Saudi-Arabien den ersten Querschuß ab. Am 18. Oktober lehnte, völlig ungewöhnlich und deshalb spektakulär, das Königreich seine Wahl zum nicht-ständigen Mitgliedsstaat des UN-Sicherheitsrats ab. Zur Begründung erklärte das Außenministerium in Riad, mit der Unfähigkeit des UN-Sicherheitsrats, schärfere Maßnahmen gegen das "Regime" Baschar Al Assads in Damaskus zu beschließen, um den seit zwei Jahren anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien zu beenden, höchst unzufrieden zu sein. Die Kritik richtete sich vordergründig an China und Rußland, die im UN-Sicherheitsrat eine entsprechende Resolution blockieren, jedoch und vor allem an die Adresse Washingtons. Die Saudis, die Hauptförderer der bewaffneten Assad-Gegner, sind verärgert darüber, daß sich Barack Obama Anfang September überraschend entschieden hat, seine angedrohten Raketenangriffe auf die staatlichen syrischen Streitkräfte nun doch nicht durchzuführen und sich statt dessen auf den Vorschlag Moskaus zur Vernichtung des Chemiewaffenarsenals Syriens durch internationale Inspekteure einzulassen. Damit hat sich Obama vom Ziel eines gewaltsamen "Regimewechsels" in Damaskus distanziert und die Möglichkeit einer friedlichen Verhandlungslösung der Syrienkrise wieder eröffnet.

Bereits in der Ägypten-Frage hatten sich die beiden Verbündeten USA und Saudi-Arabien schwer zerstritten. Die Saudis fanden an der Entscheidung Washingtons, vor zwei Jahren den langjährigen ägyptischen Diktator Hosni Mubarak fallenzulassen, keinen Gefallen. Nicht ohne Grund sahen und sehen sie bis heute den Arabischen Frühling als ernsthafte Bedrohung des eigenen absolutistischen Herrschaftsystems (die jüngsten Proteste in Saudi-Arabien gegen das Fahrverbot für Frauen dürften die Ängste der Königsfamilie verstärken). Deshalb begrüßten die Saudis im Juli den gewaltsamen Sturz der Regierung des ersten frei gewählten Präsidenten Ägyptens, Mohammed Mursi, durch das ägyptische Militär. Auf die Entscheidung, auf den Platz im UN-Sicherheitsrat zu verzichten, folgten aus Riad markige Sprüche. Presseberichten zufolge kündigte am 22. Oktober Prinz Bandar Bin Sultan, der Nationale Sicherheitsberater von König Abdullah, gegenüber europäischen Diplomaten eine "große Verschiebung" im außenpolitischen Kurs Saudi-Arabiens an - nämlich weg von den USA.

Bandar war 22 Jahre lang saudischer Botschafter in Washington. Seine Kontakte zur Familie Bush und zu den Republikanern sind legendär. Beim Iran-Contra-Skandal in den neunzehnhundertachtziger Jahren während der Präsidentschaft von Ronald Reagan spielte er eine nicht geringe Rolle. Gelder vom Konto seiner Gattin, Prinzessin Haifa, bei der Riggs Bank in Washington haben laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins Newsweek vom 22. November 2002, der sich auf FBI-Ermittlungen stützte, den Aufenthalt von zwei der 19 mutmaßlichen Flugzeugattentäter in den USA im Vorfeld der Anschläge vom 11. September 2001 finanziert. In den ersten Tagen nach besagtem Massenmord hat Bandar in Absprache mit George W. Bush im Weißen Haus zahlreiche wohlhabende Saudis, darunter Angehörige der Familie des 9/11-Hauptverdächtigen Osama Bin Laden, mit kurzfristig gecharterten Sondermaschinen aus den USA ausgeflogen und sie damit einer umgehenden Befragung durch das FBI entzogen.

Was den Bürgerkrieg in Syrien betrifft, gehört "Bandar Bush" eindeutig zu den Hauptverantwortlichen. Wie Seymour Hersh Anfang 2007 in der Zeitschrift New Yorker unter der Überschrift "The Redirection" berichtete, haben Ende 2006 Bandar und der damalige US-Vizepräsident Dick Cheney als Reaktion auf den Libanon-Krieg wenige Monate zuvor, bei dem es Israel nicht gelungen war, die Hisb-Allah-Miliz in ihre Schranken zu weisen, beschlossen, sunnitische Dschihadisten im ganzen Nahen Osten zu mobilisieren, um den "shiitischen Bogen" zwischen Iran, Syrien und der Hisb Allah im Libanon zu brechen. Durch den Sturz Baschar Al Assads sollte auch das Ende des verhaßten "Mullah-Regimes" in Teheran eingeleitet werden. Das Ergebnis dieses Vorhabens, dessen Vollendung auf sich warten läßt, sind 120.000 Todesopfer des Bürgerkrieges in Syrien sowie tägliche Bombenanschläge, die derzeit das Leben der Menschen im Irak zur Hölle machen.

Aus den USA hat Bandar starke Unterstützung für seine kritische Haltung Obama gegenüber von seinem alten Kampfgefährten Cheney erfahren. Bei einem Auftritt am 27. Oktober in der ABC-Politsendung "This Week" erklärte der mächtigste aller US-Vizepräsidenten, er glaube nicht an die diplomatischen Bemühungen Obamas um Versöhnung mit dem Iran. Cheney tat den Kurs Washingtons in der Syrien-Politik als zu zaghaft ab und meinte, dieselbe Nachgiebigkeit würde dazu führen, daß die Verhandlungen mit dem Iran scheiterten. Am Ende würden sich die USA gezwungen sehen, "zu militärischer Gewalt" zu greifen, so Cheney.

Die Chancen eines Scheiterns der Annäherung zwischen Teheran und Washington sind deshalb nicht zu unterschätzen, weil Cheneys republikanische Parteikollegen im Repräsentantenhaus und Senat zusammen mit einigen demokratischen Abweichlern den Friedenskurs des eigenen Präsidenten durchkreuzen wollen, indem sie die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran durch immer neue Bedingungen unmöglich machen. Die Iranophoben im Kongreß stimmen mit der Einschätzung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu überein, wonach Irans neuer Präsident Rohani ein "Wolf im Schafspelz" sei und Teherans Friedensofferte ausschließlich dem Zweck diene, Zeit zum Bau der "schiitischen Atombombe" zu schinden.

Am 24. Oktober hat das in Washington ansässige, der Hardliner-Fraktion stets zuarbeitende Institute for Science and International Security (ISIS) die Frist, innerhalb derer die Iraner ihre erste Kernwaffe gebaut haben und damit aus den Nicht-Verbreitungsabkommen "ausbrechen" könnten, auf ein bis zwei Monate geschätzt. Der Kassandraruf von ISIS-Chef David Albright veranlaßte den stellvertretenden israelischen Verteidigungsminister Danny Danon in einem am 25. Oktober bei der Zeitung USA Today erschienenen Artikel dazu, neue Drohungen in Richtung Iran auszusprechen. "... Israel wird nicht tatenlos zusehen und es zulassen, daß der Iran Waffen entwickelt, die uns, den ganzen Nahen Osten und eventuell die ganze Welt unter einen iranischen Terrorschirm bringen", so Danon.

Dafür, daß eine Mehrheit der gewählten Volksvertreter im US-Kongreß stets auf pro-israelischer Linie bleibt, sorgen üppige Spenden der zionistischen Lobby. Zu den führenden Vertretern dieser mächtigen Interessenvereinigung gehört der weltweit agierende Casino-Betreiber Sheldon Adelson, der mit einem geschätzten Vermögen von mehr als 34 Milliarden Dollar in der Forbes-Liste als einer der reichsten Männer der Welt geführt wird. Dem achtzigjährigen Adelson gehört die israelische Tageszeitung Israel HaYom. Der politische Freund und Gönner Netanjahus hat vor drei Jahren die gescheiterte Präsidentschaftskanditatur des Republikaners Mitt Romney großzügig unterstützt. Seit Jahren sponsert er verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen in Israel sowie in den USA die chauvinistische Denkfabrik Foundation for the Defense of Democraties (FDD) und das enorm einflußreiche American Israel Public Affairs Committee (AIPAC).

Mit leichtfertigen, kriegerischen Äußerungen während einer Nahost-Diskussion am 22. Oktober an der Yeshiva University in New York hat Adelson für Schlagzeilen gesorgt. Zur Lösung des "Atomstreits" schlug er allen Ernstes vor, die USA sollten in der "Wüste" vom Iran eine oder mehrere atomar bestückte Interkontinentalraketen einschlagen lassen und damit drohen, dasselbe in Teheran zu machen, sollte die Führung dort nicht kapitulieren und alle Bedingungen Washingtons und Tel Avivs erfüllen. Für die Anregung, die USA sollten sich gegenüber dem Iran verhalten, wie es Clint Eastwood als Polizist in der berühmt-berüchtigten "Dirty-Harry"-Filmreihe gegenüber Gewaltverbrechern tut, bekam Adelson bei der öffentlichen Debatte vom Publikum, das zum größten Teil aus Studenten der Yeshiva University bestand, einen begeisterten Beifall. Der Zuspruch für den abwegigen Vorschlag Adelsons wäre bei der Stiftung FDD, beim AIPAC sowie im US-Kongreß vermutlich keinen Deut geringer gewesen.

29. Oktober 2013