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NAHOST/1275: Ägypten wieder voll im Würgegriff der Militärs (SB)


Ägypten wieder voll im Würgegriff der Militärs

Am Nil läuft die Restauration des alten Regimes auf Hochtouren



In Ägypten sind die großen Hoffnungen, die der Erfolg der Massenproteste gegen den langjährigen Diktator General Hosni Mubarak im Frühjahr 2011 auslöste, geplatzt. Auf den unfreiwilligen Rücktritt Mubaraks folgte im Juni 2012 der Aufstieg Mohammed Mursis zum ersten frei gewählten Präsidenten Ägyptens. Doch der Moslembruder und seine Parteikollegen erwiesen sich als unfähig, einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen und brachten somit Christen, Säkularisten, Demokratieanhänger und Anhänger des alten Regimes gegen sich auf. Wegen des anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Chaos sah sich das Militär am 3. Juli dieses Jahres zum Putsch gezwungen. Damals haben zahlreiche Teilnehmer der Revolution von 2011 den Eingriff der Generäle begrüßt. Doch die harte Hand, mit der seitdem das neue Militärregime um General Abdul Fattah Al Sisi regiert, führt das bevölkerungsreichste arabische Land in die Diktatur zurück. Unbestätigten Berichten zufolge enthält jene Verfassung, welche die Militärs derzeit ausarbeiten lassen und Ende Januar 2014 zwecks Abstimmung dem Volk vorlegen wollen, einen Passus, wonach Putschführer Al Sisi Ägypten für mindestens drei präsidiale Amtszeiten als Verteidigungsminister und damit als eigentlicher Machthaber erhalten bleiben soll.

Am 14. August hat das Militärestablishment, das weite Teile der ägyptischen Volkswirtschaft beherrscht, gezeigt, daß es weniger in demokratischen als vielmehr in realpolitischen Kategorien denkt. An diesem Tag räumten die ägyptischen Streitkräfte in Kairo vor laufenden Kameras der internationalen Medien zwei Zeltlager von Putsch-Gegnern und Mursi-Anhängern mit brutalster Gewalt. Hunderte von Zivilisten wurden getötet, tausende verletzt. Seitdem sind mehr als Zehntausend Regimekritiker ins Gefängnis gesteckt worden, wo sie unter schrecklichen Bedingungen versuchen müssen zu überleben. Einzelnen drohen Folter und vielleicht sogar der Tod.

Am 14. November hat die Militärjunta den von ihr drei Monate zuvor verhängten Ausnahmezustand wieder aufgehoben. Gleichzeitig hat Interimspräsident Adly Mansour ein neues Versammlungsgesetz unterzeichnet, das die Durchführung von öffentlichen Kundgebungen und Arbeitsstillegungen noch schwerer macht als während der Mubarak-Ära oder zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft. Ohne amtliche Genehmigung ist jede öffentliche Sitzung, Demonstration oder Prozession, an der mehr als zehn Menschen teilnehmen, verboten. Polizei und Armee haben das Recht, jede illegale Kundgebung aufzulösen und die Teilnehmer zu verhaften. Verstöße gegen das neue Gesetz werden mit bis zu zehn Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro geahndet. In einem Land, in dem 40 Prozent der Bevölkerung mit weniger als drei Euro am Tag auskommen muß, ist das eine ungeheure Summe.

Mit dem neuen drakonischen Versammlungsgesetz bereitet die ägyptische Armee keineswegs die von ihr fabulierte "Rückkehr zur Demokratie", sondern eine drastische Verschärfung der innenpolitischen Repression vor. In einer Al Jazeera zugespielten Audioaufnahme, die die arabische Nachrichtenagentur am 22. November ausstrahlte, ist General Al Sisi zu hören, wie er vor anderen Mitgliedern der Militärregierung einen beispiellosen Abbau der staatlichen Subventionen für Brot und Energie, die das Überleben von Millionen armer Ägypter sichern, und eine Kürzung der Gehälter öffentlicher Bediensteter um bis zu 50 Prozent ankündigt. Als Grund für die bevorstehenden Einschnitte führte Al Sisi auf dem Band die schwierige Haushaltslage des ägyptischen Staates an, der nach zweieinhalb Jahren politischer Turbulenzen, die zu einem enormen Rückgang ausländischer Touristenbesuche führten, die für Kairo in der Vergangenheit stets ein wichtiger Deviseneinbringer waren, faktisch pleite ist.

Daß das neue Regime es mit seiner Politik der harten Hand ernst meint, stellte es am 26. November eindrücklich unter Beweis. An diesem Tag wurden in Alexandria 14 Frauen, die im Oktober lediglich an einer Protestaktion der Moslembruderschaft teilgenommen hatten, zu elf Jahren Gefängnis verurteilt, während wegen des gleichen "Vergehens" sieben Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren auf unbestimmte Zeit ins Jugendgefängnis verwiesen wurden. Gleichzeitig hat die Staatsanwaltschaft in Kairo die Festnahme von Ahmed Maher und Alaa Abdel Fattah, zwei der wichtigsten Anführer der Demokratiebewegung in Ägypten, wegen des Organisierens illegaler Protestaktionen angeordnet. Am 28. November wurde Abdel Fattah bei einer Razzia in seiner Kairoer Wohnung festgenommen und nach Angaben seiner Frau auch dabei schwer mißhandelt, während bei der gewaltsamen Auflösung einer Protestkundgebung an der Universität der ägyptischen Hauptstadt gegen die Diktatur ein Student von den Sicherheitskräften getötet wurde.

29. November 2013