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NAHOST/1401: Friedensverhandlungen für Jemen in Genf gescheitert (SB)


Friedensverhandlungen für Jemen in Genf gescheitert

Wie in Syrien setzt Saudi-Arabien im Jemen auf die Dschihadisten


Im Jemen ist kein Ende des Blutvergießens in Sicht. Während Kampjets von Saudi-Arabien und seinen Verbündeten täglich Luftangriffe fliegen, liefern sich am Boden im ganzen Land Milizionäre, die zu Ex-Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi halten, mit Huthi-Rebellen und dem Großteil der jemenitischen Streitkräfte, der weiterhin Hadis Amtsvorgänger, dem langjährigen Machthaber Ali Abdullah Saleh, treu ergeben ist, heftige Kämpfe. Auch an der Grenze zwischen dem Südwesten Saudi-Arabiens und dem nördlichen Gouvernement des Jemens, Sa'da, dem Hauptsiedlungsgebiet der Huthis, kommt es immer wieder zu Feuergefechten, Artillerieduellen und gegenseitigem Raketenbeschuß. Von einer Bodenoffensive hat die saudische Armee, deren Kampfkraft als nicht besonders stark eingeschätzt wird und die bei einem Einmarsch in den Jemen befürchten müßte, aufgerieben zu werden, bislang verzichtet.

Es gab ein wenig Hoffnung, die Friedensverhandlungen, die am 15. Juni in Genf begannen, könnten zu einer Einstellung der Kampfhandlungen, die seit März anhalten, mehr als 2600 Menschen das Leben gekostet und im Armenhaus Arabiens eine schwere humanitäre Krise ausgelöst haben, führen. In weiten Teilen des Jemens ist die Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und sogar Trinkwasser zusammengebrochen. Seuchen breiten sich aus. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen gelten 20 Millionen Menschen - 80 Prozent der Bevölkerung - als dringend hilfsbedürftig. Darum ist UN-Generalsekretär Ban Ki-moon persönlich zum Auftakt der Verhandlungen nach Genf gereist. Dort hat er versucht den Kriegsparteien ins Gewissen zu reden und sie für eine zweiwöchige Feuerpause zu gewinnen, um die Zivilbevölkerung mit dem Nötigsten zu versorgen.

Die Ermahnungen Bans sind jedoch auf taube Ohren gestoßen. Die Vertreter von Ex-Präsident Hadi, der sich im Exil in Riad aufhält, verlangten einen dauerhaften Waffenstillstand und einem Abzug der Huthi-Kämpfer aus allen jemenitischen Städten einschließlich der Hauptstadt Sanaa und der südlichen Hafenmetropole Aden am Indischen Ozean. Sie lehnten eine befristete Feuerpause mit dem Argument ab, dies würde den Huthis und den Saleh-Anhängern eine Chance bieten, ihre Positionen weiter auszubauen. Schließlich befinden sich die meisten Städte des Jemens in den Händen der Hadi-Gegner. Ein Aufweichen der verhärteten Positionen ließ sich nicht erzielen. Die Verhandlungsdelegationen blieben tagelang unter sich und tauschten über UN-Vertreter Botschaften aus. Als die Streitparteien am 18. Juni auf einer Pressekonferenz erstmals zusammenkamen, artete das ganze innerhalb weniger Minuten in eine Massenschlägerei aus, nachdem Hadi-Anhänger die anwesenden Huthis mit Schuhen bewarfen und sie als "Kriminelle" und "Hunde" beschimpften, welche die "Kinder des Südjemens töten" würden. Am nächsten Tag reisten alle Gesprächbeteiligten unverrichteter Dinge wieder ab.

Am 14. Juni, gerade einen Tag vor Beginn der Gespräche in Genf, haben die Huthi-Rebellen und ihre Alliierten Hazm, die Hauptstadt des Gouvernements Jawf, eingenommen (Im Gegenzug hat die saudische Luftwaffe am 17. Juni einen Flüchtlingskonvoi nördlich von Aden angegriffen und 31 Zivilisten getötet). Die einzige große Stadt, die sich noch nicht unter Huthi-Kontrolle befindet, ist Al Mukalla, die Hauptstadt des östlichen Gouvernements Hadramaut. In jener Hafenstadt, die als einzige von der Seeblockade der Kriegsmarinen Saudi-Arabiens, Ägyptens und der USA nicht betroffen ist, hat Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP), die sich dort als "Volkskomitee" ausgibt, das Sagen.

Die unheilige Allianz Saudi-Arabiens mit den Dschihadisten ließ sich auch in Genf beobachten. Dort hielt sich, angeblich zur Verwunderung der Regierung Barack Obamas, als Mitglied der Hadi-Delegation Abdel-Wahab Humayqani, der seit 2013 als AQAP-Finanzier auf der Terrorliste des US-Außenministeriums steht, auf. Bereits am 15. März hatte die CIA per Drohne AQAP-Chef Nasir Al Wuhayshi liquidiert. Hinter dem angeblich schwersten Schlag gegen Al Kaida seit der Ermordung Osama Bin Ladens 2011 im pakistanischen Abbottabad scheint der Wunsch, die Jihadisten im Sinne Riads und Washingtons noch enger an die Kandare zu nehmen, zu stecken. Als Nachfolger Al Wuhayshis wird Qasim Al Raymi gehandelt, der nach Angaben des Nachrichtensenders Al Jazeera seit Jahren als Verbindungsmann des saudischen Geheimdienstes gilt.

20. Juni 2015


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