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NAHOST/1405: Mahmud Abbas tritt als Vorsitzender der PLO zurück (SB)


Mahmud Abbas tritt als Vorsitzender der PLO zurück

Machtkampf bei der PLO blockiert Versöhnung zwischen Fatah und Hamas


Vor dem Hintergrund geheimer, indirekter Friedensverhandlungen zwischen der israelischen Administration von Premierminister Benjamin Netanjahu und der Führung der im Gazastreifen regierenden, islamischen Widerstandsbewegung Hamas hat am 22. August Mahmud Abbas seinen Rücktritt als Vorsitzender des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) erklärt. Mit ihm traten weitere zehn Mitglieder des 18köpfigen Gremiums zurück. Für den 15. und 16. September wurde eine außergewöhnliche Sitzung des Palästinensischen Nationalrats einberufen, um ein neues PLO-Exekutivgremium wählen zu lassen. Mit der Lage der einfachen Palästinenser im Westjordanland, die täglichen Schickanen jüdischer Siedler und der israelischen Armee ausgesetzt sind oder die im völlig zerbombten und von der Außenwelt abgeschnittenen Gazastreifen leben, hat das Stühlerücken bei der PLO nichts zu tun. Dem achtzigjährigen Abbas geht es ausschließlich um Machterhalt und die Nachfolgeregelung.

Obwohl Abbas 2005 lediglich zu einer vierjährigen Amtszeit als palästinensischer Präsident gewählt wurde, bekleidet er dieses Amt bis heute mit Duldung der Israelis und des Auslands. Grund ist der Sieg der Hamas bei den palästinenischen Parlamentswahlen 2006, den Israel und das Nahost-Quartett aus USA, Rußland, EU und UNO bis heute nicht anerkannt haben. 2007 haben sich Fatah und Hamas einen kurzen aber heftigen Bürgerkrieg geliefert, dessen Ergebnis war, daß erstere von Ramallah aus die vollständige Kontrolle über die Westbank behielt und letztere auf den Gazastreifen beschränkt blieb. Nach langsamer Annäherung haben sich im Frühsommer 2014 Fatah und Hamas auf die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit verständigt, worauf Netanjahu mit der militärischen Strafaktion Protective Edge regierte, die 2205 Palästinenser, die meisten von ihnen Zivilisten, und 72 Israelis das Leben kostete und die den Gazastreifen zu einem Trümmerhaufen machte. Die Rechnung Netanjahus ging auf: unter anderem an der Frage der Verwaltung der ausländischen Wiederaufbaugelder ist die neue Einheitsregierung zerbrochen.

Vor kurzem hat Abbas den langjährigen Weggefährten Yasser Abed Rabbo als Sekretär des PLO-Exekutivkomitee durch Saeb Erekat, zuletzt Chefunterhändler bei den Verhandlungen mit Israel, ersetzt. Rabbo soll durch Kritik an Abbas' Führungsstil und Kurs gegenüber der Hamas in Ungnade gefallen sein. Erekat, dessen Weltgewandtheit und diplomatisches Geschick in Tel Aviv, New York, Moskau, Washington, London, Berlin und Paris geschätzt wird, gilt als Abbas' Wunschkandidat für seine Nachfolge. In einer ersten Reaktion hat die Hamas die geplante Umbesetzung des PLO-Exekutivkomitees als "Verstoß gegen das Versöhnungsabkommen" vom vergangenen Jahr bezeichnet. Auch innerhalb der Fatah hat das Manöver von Abbas den Vorwurf selbstherrlichen Agierens aufkommen lassen. Mohammed Dahlan, der einstige Fatah-Chef in Gaza, dem gute Verbindungen zur CIA, zu Ägypten und Saudi-Arabien nachgesagt werden, bezichtigte Abbas, einen "Putsch" durchzuführen.

Man darf gespannt sein, wie die seit 1996 erste Sitzung des Palästinensischen Nationalrats, dem nominell 740 Mitglieder angehören, ablaufen wird. Derzeit ist unklar, wie viele Vertreter, die im Ausland residieren, anreisen werden bzw. über Israel werden einreisen dürfen. Man weiß auch nicht, ob die Israelis die palästinensischen Vertreter aus dem Gaza-Streifen nach Ramallah werden reisen lassen. Fest steht, daß die laufenden Verhandlungen zwischen Hamas und Israel bei der Sitzung eine wichtige Rolle spielen werden. Bei nämlichen Gesprächen sollen sich beide Seiten im Prinzip auf einen langfristigen Waffenstillstand und eine Aufhebung der israelischen Blockade geeinigt haben. Darum hat die Hamas vor wenigen Tagen die anderen politischen Parteien Palästinas zu einem Sondertreffen in der libanesischen Hauptstadt Beirut eingeladen, um deren Vertretern den Entwurf der Friedensvereinbarung vorzulegen.

29. August 2015


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