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NAHOST/1466: Huthis und Saleh-Anhänger gründen Allianz im Jemen (SB)


Huthis und Saleh-Anhänger gründen Allianz im Jemen

Friedensverhandlungen in Kuwait offenbar gescheitert


Am 28. Juli haben in Sanaa, der Hauptstadt des Jemen, die schiitischen Huthi-Rebellen, mit dem Allgemeinen Volkskongreß (AVK), der mächtigen politischen Partei des früheren langjährigen Präsidenten Ali Abdullah Saleh, eine formelle Allianz beschlossen. Gemeinsam wollen sie einen zehnköpfigen Obersten Rat bilden, der jeweils aus fünf Vertretern der Huthi-Bewegung Ansarullah und der AVP besteht, als provisorische Staatsregierung fungiert und den Kampf gegen Ex-Präsident Abd Rabbu Mansur Hadi koordiniert. Zu dessen Verbündeten gehören die südlichen Separatisten, Al Kaida auf der arabischen Halbinsel (Al Qaeda on the Arabian Peninsula - AQAP) und die Streitkräfte Saudi-Arabiens sowie der anderen sunnitischen Petromonarchien am Persischen Golf. Damit scheinen die Friedensverhandlungen, die seit Ende April mit Unterbrechungen in Kuwait stattfanden und bisher keine nennenswerte Annäherung zeitigten, gescheitert zu sein.

Bereits 1978 war Saleh Präsident des Nordjemens geworden. Als sich 1990 nach dem Ende des Kalten Krieges der sozialistische Südjemen mit dem Norden vereinigte, stieg Saleh, zu jenem Zeitpunkt bereits AVK-Vorsitzender, zum Oberhaupt des neuen Staates auf. 1994 schlug der ehemalige Panzer-Kommandeur erfolgreich einen Aufstand der früheren Truppen des Südens gegen den überbordenden Einfluß der konservativen Kräfte des Nordens im Staatswesen nieder. Ende 2011 zwangen monatelange Straßenproteste einer zivilgesellschaftlichen Reformbewegung sowie massivster diplomatischer Druck seitens Saudi-Arabiens und der USA Saleh zum Rücktritt. Interimspräsident wurde Salehs bisheriger Stellvertreter Hadi.

Unzufrieden mit Hadis langsamer Umsetzung der notwendigen politischen Reformen haben im September 2014 die Huthi-Rebellen die wichtigsten Staatsgebäude in Sanaa besetzt und den Interimspräsidenten samt seiner Minister unter Hausarrest gestellt. Im Februar 2015 wurde sogar das Parlament aufgelöst. Ein Monat später gelang Hadi die Flucht zuerst in die südliche Hafenmetropole Aden und später in die saudische Hauptstadt Riad, wo er sich seitdem aufhält. Ende März haben die Saudis die Operation Entscheidender Sturm gestartet, mit der sie die eigene militärische Überlegenheit auf der Arabischen Halbinsel demonstrieren und gleichzeitig Hadi als Machthaber im Jemen wieder einsetzen wollten. Zur Begründung der Militäraggression hieß es, die Huthis seien die Handlanger des schiitischen Irans und man dürfe nicht zulassen, daß das "Mullah-Regime" in Teheran die Kontrolle über die Meeresenge Bab Al Mandab, die Rotes Meer und Indischen Ozean verbindet, übernimmt. Bis heute streiten die Iraner jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Jemen ab, während Hadi und die Saudis den Beweis für die vermeintlichen Umtriebe Teherans schuldig geblieben sind.

Trotz umfangreicher Rüstungshilfe des Westens - in den ersten zwölf Monaten des Konflikts hat Riad allein aus Großbritannien Waffen und Munition im Wert von 4,2 Milliarden Dollar importiert; die saudische Luftwaffe wird aufklärungstechnisch von amerikanischen und britischen Offizieren, die im saudischen Operationszentrum ihren Dienst verrichten, unterstützt; am Boden kämpfen neben saudischen Truppen auch ausländische Söldner und Soldaten aus Marokko, Sudan und den Vereinigten Arabischen Emiraten - sind die Saudis mit ihren beiden Vorhaben im Jemen grandios gescheitert. Bisher sind mehr als 8000 Menschen bei den Kämpfen ums Leben gekommen. Die saudischen Luftangriffe habe weite Teile der Infrastruktur des ohnehin ärmsten Landes der arabischen Welt zerstört. Mehr als zwei Millionen Menschen sind vor den Kämpfen auf der Flucht. Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen sind aktuell rund zwei Drittel der 26,8 Millionen Jemeniten auf dringende humanitäre Hilfe angewiesen. Während die Huthis und die saleh-treuen Teile der jemenitischen Streitkräfte weiterhin den Norden fest im Griff haben, kontrollieren die Hadi-Anhänger, südliche Milizionäre und die saudische Interventionsstreitmacht lediglich Aden und die Südküste. Währenddessen werfen Amnesty International und Human Rights Watch den Saudis vor, durch Luftangriffe auf Ziele in dichtbevölkerten Gegenden schwere Kriegsverbrechen zu begehen.

Seit Monaten liefern sich beide Seiten heftige Gefechte um die Stadt Taizz, die etwa auf halber Strecke auf der Hauptverbindungstraße zwischen Sanaa und Aden liegt. Wegen des militärischen Stillstands hatten beide Kriegsparteien in die Aufnahme von Friedensgesprächen unter der Leitung des UN-Sondergesandten Ismail Ould Scheich Ahmed aus Mauritanien eingewilligt. Doch die unversöhnliche Haltung Hadis ließ keinen Kompromiß erzielen. Mit Riad und Washington im Rücken hatte der geschaßte Interimspräsident, der im Jemen selbst über keinen nennenswerten politischen Rückhalt verfügt, bis zuletzt die kategorische Umsetzung der im April 2015 auf Betreiben der USA vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution 2216 verlangt. Die recht einseitige UN-Erklärung sieht der Rückzug der Huthis aus Sanaa und die Abgabe aller schweren Waffen, die sich in deren Händen sowie der saleh-treuen Nationalgarde befinden, vor.

Die Ansarullah und der AVK haben ihre Entscheidung, eine eigene Interimsregierung auszurufen, mit angeblich wiederholten Verletzungen des Waffenstillstands durch die von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz begründet. Offenbar steht nun eine neue und möglicherweise noch blutigere Runde im Jemen-Konflikt bevor. Bereits im April, bei der Vertreibung der AQAP aus Al Mukalla, der Hauptstadt des südöstlichen Gouvernements Hadramaut, haben erstmals US-Bodentruppen an den Kampfhandlungen teilgenommen. In der nahöstlichen Presse gibt es seit mehreren Tagen Berichte über eine Annäherung zwischen Tel Aviv und Riad, hinter der angeblich der Wunsch der Saudis nach israelischer Militärhilfe im Jemen steckt. Hierzu paßt die Meldung, wonach vor einigen Tagen ein Datenanalytiker der israelischen Streitkräfte namens Vegedora Yagronovesky zusammen mit anderen ausländischen Soldaten bei einem Raketenangriff der Huthis auf einen saudischen Stützpunkt nahe Taizz ums Leben gekommen ist.

29. Juli 2016


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