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NAHOST/1563: Bahrain heizt die diplomatische Krise um Katar an (SB)


Bahrain heizt die diplomatische Krise um Katar an

Doha wehrt sich seinerseits energisch gegen den "Terrorismus"-Vorwurf


Im Dezember soll in Kuwait-Stadt ein Gipfeltreffen des Gulf Cooperation Council (GCC), das aus Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) besteht, stattfinden. Daraus wird nichts. Zu tief sind die Gräben, seit am 5. Juni Bahrain, Saudi-Arabien und die VAE - zusammen mit Ägypten - eine diplomatische und wirtschaftliche Blockade gegen Katar verhängt haben. Manama, Riad, Abu Dhabi und Kairo werfen Doha vor, den "Terrorismus" zu unterstützen und verlangen von der Regierung dort, den Abbruch der Beziehungen zum Iran und zur palästinensischen Hamas-Bewegung sowie die Schließung des Nachrichtensenders Al Jazeera, der seit Jahren die Menschen in der arabisch-sprachigen Welt ausgiebig über Vetternwirtschaft und Machtmißbrauch bei den sunnitischen Petromonarchien am Persischen Golf sowie bei der Militärdiktatur am Nil unterrichtet.

Die Kataris weigern sich ihrerseits, das Ultimatum der Nachbarstaaten zu erfüllen. Im Gegenteil, sie haben die wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran ausgebaut, nicht zuletzt, um die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Lebensmitteln zu sichern. Zudem haben sie mit Ankara einen kräftigen Ausbau der türkischen Militärpräsenz bei sich vereinbart. Am 26. Oktober hat in Doha der katarische Verteidigungsminister Khalid bin Mohammed al-Atiyya sogar mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Schoigu ein umfassendes Abkommen über militärische Zusammenarbeit unterzeichnet. Demnach soll Rußland die katarischen Streitkräfte demnächst mit Luftabwehrsystemen und anderer hochmoderner Rüstungstechnologie ausstatten.

Über den eigenständigen Weg, den Katar in der Außen- und Sicherheitspolitik fortzuführen gedenkt, sind vor allem die Machthaber des in der unmittelbaren Nachbarschaft liegenden Inselstaates Bahrain unglücklich. In Bahrain verweigert die sunnitische Königsfamilie Al Chalifa ihren 1,4 Millionen Untertanen die einfachsten Grundrechte, und zwar deshalb, weil diese zu mehr als 90 Prozent Schiiten sind. 2011 haben die Al Chalifas mit Hilfe von Truppen aus Saudi-Arabien und Pakistan die Demokratiebewegung im eigenen Land brutal unterdrückt. Mit dem Argument, die Befürworter einer parlamentarischen Demokratie in Bahrain stellten eine "fünfte Kolonne" Teherans dar, werden Tausende einfache Bahrainer hinter Gittern weggesperrt, in den Armenviertel Manamas ständig Razzien durchgeführt und dort unglaubliche Mengen Tränengas verschossen.

Am 30. Oktober kündigte König Hamad Bin Isa Al Chalifa an, weder er noch irgendein Vertreter Bahrains werden am geplanten GCC-Gipfeltreffen im Dezember in Kuwait teilnehmen, wenn dort Abgesandte aus Katar erwartet werden, es sei denn, Doha "ändert seine Vorgehensweise, kommt zur Besinnung und erfüllt die Forderungen der Länder, denen seine Politik geschadet hat". Der König gab zudem die Einführung einer Visumpflicht für Kataris bekannt, die Bahrain besuchen wollen (künftig brauchen nur die Bürger der übrigen vier GCC-Staaten wie bisher lediglich einen Ausweis oder Reisepaß vorzuzeigen, wenn sie nach Bahrain einreisen wollen). Am Tag davor hatte der bahrainische Außenminister Chalid Al Khalifa die Aussetzung der Mitgliedschaft Katars im Golfkooperationsrat gefordert.

Die Al Chalifas fühlen sich in ihrer konfrontativen Haltung durch Äußerungen aus den USA bestärkt. Während US-Außenminister Rex Tillerson unablässig zwischen den zerstrittenen arabischen Alliierten am Persischen Golf zu schlichten versucht, gießt bei jeder Gelegenheit Präsident Donald Trump Öl ins Feuer und hält die "Terrorismus"-Vorwürfe an die Adresse Dohas aufrecht. Bei einem Auftritt auf der Konferenz "Countering Violent Extremism: Qatar, Iran, and the Muslim Brotherhood", die das neokonservative Hudson Institute am 23. Oktober in Washington veranstaltet hat, führte Trumps früherer Politberater Steve Bannon die Verhängung der Blockade gegen Katar im Juni auf die Gespräche zurück, welche der US-Präsident beim Besuch in Riad im Mai mit dem saudischen König Salman, den ägyptischen Präsidenten Abd Al Fattah Al Sisi und dem VAE-Präsidenten Scheich Chalifa Bin Zayid Al Nahyan geführt habe. "Man kann nicht beides haben. Man kann nicht auf der einen Seite sagen, daß man ein Freund und ein Verbündeter ist, und auf der anderen Seite die Moslembruderschaft oder Hamas finanzieren", so Bannon in bezug auf Katar.

Ihrerseits weisen die Kataris die Vorwürfe weit von sich. Wiederholt haben sie in den letzten Monaten erklärt, daß die Vermittlerrolle, welche ihr Land traditionell spielt - zum Beispiel durch die Eröffnung einer inoffiziellen Botschaft der afghanischen Taliban in Doha oder der Aufenthalt führender Persönlichkeiten der panarabischen Moslembruderschaft einschließlich der palästinensischen Hamas im Emirat stets mit Washington abgesprochen gewesen ist. Im Interview, das am 29. Oktober in der renommierten, amerikanischen CBS-Sendung "60 Minutes" ausgestrahlt worden ist, hat Katars Emir Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani seine Bereitschaft zur Versöhnung mit den Machthabern in Riad, Kairo, Abu Dhabi und Manama erklärt, solange dies "auf Augenhöhe" geschehe.

Doch für eine Fortsetzung bzw. Verschärfung der Krise ist Doha auch gut gerüstet. Im Interview mit dem staatlichen katarischen Fernsehen am 25. Oktober hat der ehemalige Außenminister Hamad Bin Jassim Bin Jaber Al Thani offen eingeräumt, daß Katar, Saudi-Arabien und die USA gemeinsam islamistische "Terroristen" in Syrienkrieg seit dessen Ausbruch im Frühjahr 2011 unterstützt haben. Die Versorgung von Gruppen wie die al-kaida-nahe Al-Nusra-Front mit Waffen, Munition und Geld sei über Stützpunkte in Jordanien und der Türkei erfolgt; Katar habe "alle Dokumente", die belegten, daß das Ziel von Anfang an "Regimewechsel" gewesen sei, so Al Thani. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die indirekte Drohung, die Verwicklung Saudi-Arabiens und der USA in die Terrorismusförderung in Syrien detailliert offenzulegen, die Position Dohas im Golfstreit verbessert.

4. November 2017


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