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NAHOST/1605: Jemen - Huthisieg und Bombenrache ... (SB)


Jemen - Huthisieg und Bombenrache ...


Eines muß man den Saudis und Emiratern lassen. Ihnen fallen die beeindruckendsten Namen für ihre Militäroperationen ein. Peinlich ist nur, daß aufgrund der militärischen Inkompetenz der Streitkräfte Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate stets eine ungeheure Lücke zwischen den hochgesteckten Zielen und der Wirklichkeit klafft. Als die Truppen Riads und Abu Dhabis Ende März 2015 in den Bürgerkrieg im Jemen zugunsten des gestürzten Interimspräsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi eingriffen, trug die Aktion den vielversprechenden Titel "Operation Entscheidender Sturm". Mehr als drei Jahre später ist rein gar nichts entschieden.

Die schiitischen Huthi-Rebellen bleiben im Nordwesten des Landes einschließlich der dortigen Hauptstadt Sanaa unbezwingbar, während im Jemen als ganzes laut UN-Angaben die "größte humanitäre Krise der Welt" herrscht - nicht zuletzt aufgrund der vielen völkerrechtlich illegalen Luftangriffe der ausländischen Koalitionäre auf Krankenhäuser, Trink- und Abwasseranlagen sowie landwirtschaftliche Betriebe. Zwar kontrollieren Hadis Getreue weite Teile des Südens und Ostens des Jemens mit Hilfe ihrer saudischen und emiratischen Verbündeten, doch sind sie einander spinnefeind und bekämpfen sich halboffen mittels Attentaten, Entführungen und vielem mehr. Noch vor Ende des Sommers 2015 wurde aus dem doch nicht entscheidenden Sturm die "Operation Hoffnung Wiederherstellen". Der Titel gilt bis heute, was angesichts Zehntausender Toter, Hunderttausender Kriegsflüchtlinge und Millionen von Zivilisten, die unter schwerer Hungersnot leiden, an Zynismus nicht zu überbieten ist.

Am 13. Juni nahm die "Operation Goldener Sieg" ihren Lauf. Mit dieser Offensive sollte die Hafenstadt Hudeida, der am Roten Meer liegende letzte Zugang der Huthis zur Außenwelt, über den Millionen von Menschen im jemenitischen Nordwesten mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt werden, eingenommen und die schiitischen Huthi-Rebellen, die sich selbst Ansar Allah (Bewegung Gottes) nennen, zur Kapitulation gezwungen werden. An der Operation nehmen rund 25.000 Kämpfer teil, eine Mischung aus emiratischen Armeekommandeuren, Angehörigen der von Abu Dhabi finanzierten südjemenitischen Al-Amalikah-Brigaden, Anhängern des früheren Präsidenten Ali Abdullah Saleh unter dem Befehl von dessen Neffen Tarek, Infantristen aus Eritrea und Sudan sowie ausländischen Söldnern. Es gab unbestätigte Berichte von der Beteiligung amerikanischer, britischer und französischer Spezialstreitkräfte. Über die Anzahl der Verteidiger in der 600.000 Einwohner zählenden Stadt haben die Huthis keine Angaben gemacht.

Zunächst setzten die Angreifer zur Eroberung des Flughafens von Hudeida an, der am südlichen Rand der Stadt liegt. Es tobten tagelange Kämpfe. Die Koalitionäre hatten offenbar Schwierigkeiten, den Nachschubweg zur 184 Kilometer südlich liegenden Stadt Mokka, aus der sie gekommen waren, aufrechtzuerhalten. Wie man anhand der Fotos im Internet verfolgen konnte, war die Landstraße zwischen Mokka und Hudeida bald mit ausgebrannten Allradwagen übersät. Ende Juni wurde die Einnahme des Flughafens gemeldet, doch kommt es dort bis heute immer wieder zu Schießereien. Am 29. Juni haben die Emirater völlig überraschend eine Feuerpause angekündigt. Die offene Niederlage bzw. die Unfähigkeit, die Huthis zu bezwingen, wurde in eine Geste des guten Willens an die Adresse des britischen UN-Sondervermittlers Martin Griffiths umgemünzt, der seit Wochen zwischen Riad, Abu Dhabi, Sanaa und Aden, dem provisorischen Sitz der Hadi-Regierung, pendelt und sich verzweifelt bemüht, ein Ende des Blutvergießens und eine rasche Linderung der humanitären Lage im Armenhaus Arabiens herbeizuführen.

Angeblich sind die Huthis bereit, den Vereinten Nationen den Betrieb der Hafenanlage von Hudeida zu überlassen. Auf diese Weise soll die Einfuhr lebensnotwendiger Mittel für die Zivilbevölkerung aufrechterhalten und gleichzeitig der Vorwurf, die Huthis bekämen über Hudeida heimlich Waffen aus dem Iran, entkräftet werden. Sie weigern sich jedoch, der Aufforderung der Koalitionäre, sich ganz aus der Hafenstadt zurückzuziehen, Folge zu leisten. Dies ist für Hadi, Riad und Abu Dhabi jedoch inakzeptabel, weswegen in den letzten Tagen die Kämpfe um Hudeida teilweise wieder aufgeflammt sind. Während die iranische Nachrichtenagentur Fars am 2. Juni meldete, die Huthis hätten bei Hudeida einen amerikanischen Söldner der Firma Academi, die früher Blackwater hieß, gefangengenommen, berichtete am selben Tag antiwar.com, die saudische Luftwaffe greife kleinere, in den Händen der Huthis befindliche Städte und Dörfer entlang der Straße zwischen Hudeida und Mokka an.

Am 3. Juni meldete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua ein weiteres Massaker der saudischen Luftwaffe im Gouvernement Saada, bekanntlich eine Hochburg der Ansar Allah. Bei dem Bombenangriff auf eine Hochzeitsfeier im Dorf Ghafirah im Bezirk Al Thahir sollen mindestens elf Zivilisten getötet und elf weitere verletzt worden sein. Bei einem ähnlichen Luftangriff der Saudis auf das Dorf Hadschah kamen im April 23 Mitglieder einer Hochzeitsgesellschaft, darunter sogar die junge Braut, ums Leben. Die Bergung aller Leichenteile soll über eine Woche gedauert haben. Dies berichtete der in Sanaa weilende US-Journalist Alex Potter, der im Auftrag der Onlinezeitung Intercept Hadschah besuchte und mit den traumatisierten Menschen sprach. Angesichts solcher Schreckenstaten sowie der jüngsten Angaben des UN-Kinderhilfswerks von 121.000 Menschen, die in den letzten Wochen aus Hudeida geflohen sind, ist ein baldiges Ende der Kämpfe dringend geboten.

5. Juli 2018


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