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NAHOST/1639: Iran - US-Aggression spitzt zu ... (SB)


Iran - US-Aggression spitzt zu ...


Das sogenannte Special Purpose Vehicle (SPV), eine Art Clearing House, mittels dessen europäisch-iranische Tauschgeschäfte am amerikanischen Bankensystem vorbei ermöglicht werden sollen, steht. Am heutigen 31. Januar hat nach monatelangen Beratungen die neue Finanzinstitution mit Namen INSTEX - "Instrument in Support of Trade Exchanges" - in Paris den Betrieb offiziell aufgenommen. Anteilseigner sind Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Mit der Gründung von INSTEX hoffen die EU-3 das internationale Atomabkommen mit dem Iran aus dem Jahr 2015 doch noch zu retten. Damals hatte Teheran mit den USA, Rußland, China sowie den drei europäischen Großmächten die vollständige Entmilitarisierung seines Kernenergieprogramms vereinbart und sollte dafür im Gegenzug die Aufhebung von Sanktionen sowie Handelserleichterungen und ausländische Investitionen erfahren.

2018 hat die Normalisierung der Beziehungen des Westens zum Iran jedoch ein jähes Ende gefunden. Im Mai gab Präsident Donald Trump den einseitigen Austritt der USA aus dem von der Regierung seines Vorgängers Barack Obama maßgeblich ausgehandelten Joint Comprehensive Plan Of Action (JCPOA) bekannt. Zur Begründung wartete der windige New Yorker Immobilienhai mit der alten Leier der Israelis vom "Mullahregime" in Teheran als "Hauptexporteur des internationalen Terrorismus" auf und verwies dabei auf iranische Unterstützung für die Regierung Baschar Al Assads im syrischen Bürgerkrieg, für die schiitischen Huthis im Kampf gegen die Aggression Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate im Jemen, für die palästinensische Hamas im Gazastreifen sowie für die Hisb-Allah-Miliz im Libanon. Im August und November traten die drei Jahre zuvor aufgehobenen Sanktionen des US-Finanzministeriums wieder in Kraft.

Die Folgen für die iranische Wirtschaft waren verheerend. Die meisten europäischen Unternehmen, die 2015 Investitionen im Iran getätigt hatten, zogen sich aus Angst, selbst Opfer des amerikanischen Sanktionsregimes zu werden, aus der Islamischen Republik zurück. Aufgrund des massiven Drucks der USA sind die Ölexporte des Irans, welche die wichtigste Devisenquelle des Landes darstellen, in den letzten drei Jahren um die Hälfte gesunken. In den letzten 12 Monaten hat der iranische Rial im Vergleich zu anderen Währungen 70 Prozent seines Wertes verloren. Die Inflationsrate beträgt inzwischen 35 Prozent. Fleisch ist zur Mangelware geworden. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Armut steigt. In einer Rede an das Volk hat am 30. Januar Präsident Hassan Rohani die Lage als "die schwierigste Herausforderung" seit 40 Jahren, also seit der Islamischen Revolution und dem Sturz des Schahs 1979 bezeichnet. Das will etwas heißen, denn die Entbehrungen und das Leid, welche die Iraner während des Krieges mit dem Irak von 1980 bis 1988 ertragen mußten, waren erheblich.

Vor diesem Hintergrund zu erwarten, daß die Inbetriebnahme von INSTEX die Wende zum Besseren im Handel zwischen der EU und dem Iran einleiten könnte, wäre illusorisch. Die Maßnahme kommt viel zu spät und greift sowieso viel zu kurz. Die großen europäischen Unternehmen wie Peugeot, Total, Siemens und Maersk haben sich längst aus dem Geschäft mit dem Iran zurückgezogen und werden sich erst wieder dort betätigen, wenn die Konfrontation zwischen Washington und Teheran beendet ist. Dafür gibt es keine Anzeichen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Spannungen zwischen Washington und Teheran spitzen sich zu und die Europäer machen sich zu Helfershelfern der USA. Parallel zur Gründung von INSTEX drohen die Franzosen dem Iran mit der Verhängung von europäischen Wirtschaftssanktionen, sollte Teheran nicht schleunigst auf das Testen ballistischer Raketen verzichten. Dazu sind die Iraner, die zurecht auf die ständigen Bedrohungen hinweisen, die sie seitens der USA, Israels und Saudi-Arabiens ertragen müssen, überhaupt nicht bereit.

Es dürfte kein Zufall sein, daß der Austritt der USA aus dem JCPOA im vergangenen Mai praktisch zeitgleich mit der Ernennung John Boltons zum Nationalen Sicherheitsberater Trumps erfolgte. Der ehemalige UN-Botschafter George W. Bushs gilt als Kriegsfalke und großer Israel-Freund, der 2002, 2003 eine exponierte Rolle bei der gezielten Irreführung des unkritisch denkenden Teils der Öffentlichkeit in den USA und weltweit über die Gründe des angloamerikanischen Einmarsches in den Irak spielte - siehe das durchsichtige Märchen vom "finsteren Nexus" zwischen dem Baath-"Regime" Saddam Husseins und dem Al-Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Ladens. Bolton verfügt über gute Verbindungen zu den iranischen Volksmudschaheddin (MEK), die seit Jahren im Auftrag Israels Anschläge in der Islamischen Republik verüben und Propagandageschichten des Mossads über die Revolutionsgarden in den Medien lancieren.

Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, haben US-Diplomaten zuletzt bei der internationalen Atomenergieagentur (IAEA) in Wien versucht, deren Experten zur Revidierung ihres Urteils, wonach der Iran seit Jahren nichts in Richtung militärischer Nutzung von Spaltmaterial unternimmt, zu bewegen - ohne Erfolg. Am 31. Januar hat Trump die Einschätzung aller 17 US-Geheimdienste, die sich mit dem Urteil der IAEA deckt, schlichtweg abgetan, die eigenen Fachleute als "extrem passiv und naiv" bezeichnet und empfohlen, sie sollten vielleicht "zurück in die Schule gehen".

Am 24. Januar hat der erfahrene Beobachter zionistischer Bestrebungen in Washington Jim Lobe in einem aufschlußreichen Artikel auf seinem vielgelesenen Blog vor der steigenden Kriegsgefahr gewarnt. Nach Ansicht Lobes bedürfte es eines einzigen Zwischenfalls in Syrien, im Irak oder am Persischen Golf, und die ganze Region Nahost stünde in Flammen. Für die Richtigkeit seiner Einschätzung spricht die Episode, die das Wall Street Journal erst Mitte Januar bekanntgemacht hat, wonach Bolton im vergangenen September einen Mörserangriff auf die US-Botschaft in der Grünen Zone Bagdads, der keinerlei Schäden verursacht hatte und dessen Urheber unbekannt war, zum Anlaß nahm, das Pentagon mit der Ausarbeitung von Handlungsoptionen für Vergeltungsschläge gegen den Iran zu beauftragen. Die Anweisung Boltons soll laut Wall Street Journal bei den Vereinigten Stabschefs "Nervosität" ausgelöst haben. Mit dem anmaßende Vorstoß des übermächtigen Nationalen Sicherheitsberaters soll der eigentlich zuständige Verteidigungsminister James Mattis nicht einverstanden gewesen sein. Nur wenige Monate später mußte der Ex-General, der im Unterschied zu Bolton immerhin über Kriegserfahrung verfügt, sein Büro im Pentagon räumen. Am 2. Januar wurde er von Trump demonstrativ gefeuert.

31. Januar 2019


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