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NAHOST/1648: Iran - US-Kriegsvorwände kulminieren ... (SB)


Iran - US-Kriegsvorwände kulminieren ...


Auch wenn der Kaschmir-Konflikt zwischen Indien und Pakistan, Venezuela, Nordkorea und die für US-Präsident Donald Trump höchst belastenden Aussagen seines früheren Anwalts Michael Cohen vor dem Kongreß in Washington die Schlagzeilen im Bereich internationaler Politik beherrschen, liefern wenig beachtete Hinweise auf eine gefährliche Zuspitzung der Konfrontation zwischen den USA und dem Iran Anlaß zur größten Sorge. Nur zwei Tage nachdem am 12. Februar belutschische Separatisten - die vermutlich Hilfe von der CIA und/oder dem Mossad erhielten - einen Militärbus im östlichen Iran in die Luft jagten und 41 Angehörige der Revolutionsgarde töteten, wartete die pentagon-nahe Washington Times mit der Alarmmeldung auf, Teheran lasse das einst von Osama Bin Laden gegründete Al-Kaida-"Netzwerk" das Territorium der Islamischen Republik als Rückzugsgebiet sowie für den Schmuggel von Kämpfern, Waffen und Geld überall im Nahen Osten nutzen.

In einem ausführlichen Beitrag, der am 26. Februar bei The Unz Review erschienen ist, hat Philip Giraldi, der einst in der Iran-Abteilung der CIA arbeitete und seit der Pensionierung publizistisch als sachkundiger Gegner der aggressiv-militärischen Außenpolitik der USA in Erscheinung getreten ist, die Bedeutung des Washington-Times-Artikels hervorgehoben. Laut Giraldi geht aus den Informationen, welche die Quellen des Blatts bei der Trump-Administration haben durchsickern lassen, ganz klar die Absicht des Weißen Hauses, wo Nationaler Sicherheitsberater John Bolton den Ton angibt, und des Außenministeriums, wo Mike Pompeo dem diplomatischen Korps Amerikas vorsteht, hervor, einen Kriegsvorwand gegen den Iran auf der Basis jenes Gesetzes zu konstruieren, mit dem der Kongreß drei Tage nach dem Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 Präsident George W. Bush die Anwendung militärischer Gewalt gegen Al Kaida und alle mit ihm kooperierenden Gruppen und Staaten erlaubte.

Auf Grundlage jener Authorization for Use of Military Force Against Terrorists (AUMF) führen die US-Streitkräfte heute Krieg in rund 80 Ländern, meist gegen Gruppen, die zwar ideologisch-religiös mit Al Kaida etwas gemein haben, jedoch ansonsten mit ihm nicht in direkter Verbindung stehen und mit Sicherheit nicht im geringsten in die schrecklichen Anschläge von New York und Arlington verwickelt waren. Giraldi, der normalerweise nicht zu drastischem Formulierungen neigt, erklärte sich "schockiert" über die Selbstverständlichkeit und die Gewißheit, mit denen bei der Washington Times dem Konstrukt einer heimlichen Zusammenarbeit zwischen dem "Mullah-Regime" in Teheran und den Nachfolgern des angeblich 2011 im pakistanischen Abbottabad von U. S. Navy Seals getöteten Bin Laden mediales Leben eingehaucht wird.

Giraldis Vermutung, Zeuge des Auftakts einer gezielten Desinformationskampagne zu sein, ist nicht von der Hand zu weisen. Schließlich hat 2002 und 2003 John Bolton, unter George W. Bush Staatssekretär im Außenministerium, eine maßgebliche Rolle gespielt, als es darum ging, das Argument der Notwendigkeit eines Kriegs gegen den Irak Saddam Husseins zu formulieren. Damals haben Bolton, Bush jun., Dick Cheney, Donald Rumsfeld, Condoleezza Rice und Colin Powell die erlogene Behauptung, Bagdad und Al Kaida kooperierten auf dem Feld der "Massenvernichtungswaffen", aufgestellt, sie mit gefälschten Geheimdiensterkenntnissen unterfüttert und über Multiplikatoren wie Judith Miller bei der New York Times in die Welt gesetzt. Bestätigung für Giraldis These einer "extremen" Kriegsgefahr kommt vom Historiker Gareth Porter, der in den letzten Jahren wie kein zweiter Kommentator der englischsprachigen Welt den Lügen Israels und der USA in bezug auf das iranische Atomwaffenprogramm systematisch nachgegangen und sie als solche entlarvt hat. Im einen eigenen Beitrag, der am 28. Februar bei Antiwar.com erschienen ist, hat Porter vor verzerrten Darstellungen iranischer Kapazitäten im Bereich der Mittel- und Langstreckenraketen eindringlich gewarnt.

Fest steht, daß Pompeo in den letzten Tagen und Wochen das Thema Venezuela wiederholt dazu genutzt hat, um die gesellschaftliche Krise dort und in einigen anderen lateinamerikanischen Ländern auch als Ergebnis perfider Umtriebe des Irans bzw. der mit Teheran verbündeten schiitisch-libanesischen Hisb-Allah-Bewegung zu präsentieren. Bei einem Interview mit dem US-Nachrichtensender Fox News über die Lage in Venezuela am 6. Februar erklärte der ehemalige CIA-Chef: "Was die Leute nicht begreifen, ist, daß die Hisb Allah dort über eigene Zellen verfügt. Die Iraner sind in Venezuela und in ganz Südamerika aktiv und wiegeln das Volk auf." Gleich am nächsten Tag beim Auftritt vor dem Verteidigungsausschuß des Senats behauptete der Oberbefehlshaber des US-Südkommandos, Admiral Craig S. Faller, der Iran habe "seine anti-amerikanische Einflußkampagne in den spanischsprachigen Medien vertieft, und sein Stellvertreter, die libanesische Hisb Allah, unterhält in der ganzen Region Hilfsnetzwerke, die Waffen bunkern und Gelder eintreiben, häufig durch Drogenschmuggel und Geldwäsche."

Während der Ära von Bush jun. hörte man erstmals vom "Terrordreieck", das die Hisb Allah heimlich am Knotenpunkt Argentinien-Brasilien-Paraguay etabliert hätte. Jener Spuk, für dessen Existenz bis heute jeder Beweis fehlt, stammte aus der Fantasiewelt John Boltons. Das gleiche gilt für die Mittelstreckenraketen, welche damals die Hisb-Allah-Miliz mit der Duldung von Hugo Chavez an der Küste Venezuelas mit Ziel Florida installiert haben sollten. Heute ist es erneut die Karte Hisb Allah, welche die Regierung Trump gegen den Iran auszuspielen gedenkt. Die libanesische Widerstandsbewegung stellt für kein Land außer Israel eine ernsthafte Bedrohung dar. Im Gegenteil hat die Hisb-Allah-Miliz in den letzten Jahren an der Seite der Syrischen Arabischen Armee (SAA) mehr Angehörige bei der Bekämpfung der sunnitischen "Terrormiliz" Islamischer Staat in Syrien eingesetzt und verloren als die führenden Anti-IS-Koalitionäre USA und Großbritannien zusammen.

Dennoch haben die USA vor vier Monaten ihre bestehenden Finanzsanktionen gegen Hisb-Allah-Funktionäre sowie Verbündete der Organisation erheblich verschärft. Am 28. Februar hat Großbritannien praktisch gleichgezogen und den politischen Arm der Hisb Allah auf die Liste der vom Außenministerium in London geführten "Terrororganisationen" gesetzt (Dort stand der Name der Hisb-Allah-Miliz schon länger). Damit dürfen britische Diplomaten keine Kontakte mehr zur Hisb Allah, die an der libanesischen Koalitionsregierung in Beirut beteiligt ist, pflegen. Am selben Tag hat das State Department eine Million Dollar Belohnung für Informationen ausgeschrieben, die zur Festnahme von Hamsa Bin Laden, dem Lieblingssohn und Nachfolger des seit 2011 angeblich nicht mehr lebenden "Terrorchefs", führen. Zum möglichen Aufenthaltsort von Bin Laden jun. meinte Michael Evanoff, der für diplomatische Sicherheit zuständige Staatssekretär im Hause Pompeo: "Wir glauben, daß er sich wahrscheinlich in der Grenzregion Afghanistan-Pakistan befindet ... und daß er sich von dort in den Iran absetzen wird." Die Rede hier ist ausgerechnet von jener Region, wo es am 12. Februar zum verheerenden Bombenanschlag gegen die iranische Revolutionsgarde gekommen und wo nach Informationen der Jerusalem Post seit Wochen israelische Spezialstreitkräfte in geheimer Mission unterwegs sind.

1. März 2019


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