Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


NAHOST/1661: Iran - USA legen den Zünder ... (SB)


Iran - USA legen den Zünder ...


Am Persischen Golf stehen die Zeichen auf Krieg, nachdem am 22. April US-Außenminister Mike Pompeo die Streichung der letzten Ausnahmegenehmigungen des State Department für Ölimporte aus dem Iran zum 2. Mai angekündigt hat. Mit der Maßnahme will die Regierung Donald Trumps, die im Mai 2018 einseitig aus dem Atom-Abkommen, das die USA 2015 unter der Leitung Barack Obamas zusammen mit China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Rußland mit dem Iran geschlossen hatten, ausgestiegen ist, nach eigenen Angaben die Ölexporte der Islamischen Republik nun tatsächlich "auf Null" senken und das "Mullah-Regime" in Teheran in die Knie zwingen bzw. stürzen. Daß die iranischen Ajatollahs nicht freiwillig die politische Bühne verlassen und sich gegen die Umtriebe Amerikas zur Wehr setzen werden, versteht sich von selbst. Folglich ist die lange befürchtete Eskalation der feindseligen Konfrontation zwischen den USA und dem Iran, die seit dem Sturz des pro-westlichen Schahs durch die Islamische Revolution 1979 ununterbrochen besteht, in eine offen militärische Ausandersetzung mit potentiell verheerenden Folgen über die Region Nahost hinaus, scheinbar nur eine Frage der Zeit.

Nach dem Austritt der USA aus dem Atomabkommen waren die früheren umfangreichen Finanz- und Handelssanktionen Washingtons gegen den Iran wieder in Kraft getreten. Dies hat verheerende Folgen. Sämtliche europäischen Großunternehmen, die sich seit 2015 im Iran engagiert hatten, stellten ihre Aktivitäten ein. Der Ölexport des Irans ging von 2,8 Millionen Barrel pro Tag auf eine Million zurück. Dabei stellen die Einnahmen aus dem Ölgeschäft nach wie vor 40 Prozent des Staatshaushalts dar. Diesen wollen die USA nun gänzlich blockieren, um den Iran in den Bankrott zu treiben und die Menschen zum Aufstand gegen die eigene Regierung zu zwingen. Im vergangenen November hatte das US-Außenministerium den acht Ländern China, Indien, Türkei, Südkorea, Japan, Taiwan, Italien und Griechenland Ausnahmegenehmigungen zum weiteren Ölimport aus dem Iran erteilt, die am 2. Mai auslaufen und laut Pompeo nun nicht verlängert werden.

Taiwan, Italien und Griechenland haben inzwischen den Import iranischen Öls gänzlich gestoppt, Südkorea und Japan stehen kurz davor bzw. sollen bereits Alternativen gefunden haben. Indien, der zweitwichtigste Kunde Teherans, will ab Anfang Mai iranische Ölimporte durch Einfuhren aus Saudi-Arabien ersetzen. Dies gab am 23. April ein Presseprecher der konservativen BJP-Regierung Narendra Modis, die Indien als wichtigen Verbündeten der USA bei der Einkreisung Chinas betrachtet, bekannt. China und die Türkei, Abnehmerstaaten eins und drei, haben dagegen empört auf die Verlautbarung Pompeos reagiert und sie als unzulässige und inakzeptable Einmischung in ihrem Handel mit einem befreundeten Nachbarstaat verurteilt. Sowohl Peking als auch Ankara haben die Absicht bekundet, weiterhin Öl aus dem Iran zu importieren, und die Vorwürfe der USA an die Adresse Teherans, "Instabilität" zu verbreiten und "Terrorismus" zu fördern, als hergeholt und übertrieben abgetan.

Nichtsdestotrotz bringt das Sanktionsregime der USA gegenüber dem Iran China und die Türkei in erhebliche politische Schwierigkeiten. Peking steht angeblich kurz davor, den großen Handelsstreit mit Washington durch einen umfassenden Maßnahmenkatalog aus der Welt zu schaffen. Will die Volksrepublik dies alles wirklich gefährden? Gleichzeitig dürfen die Chinesen, die in den letzten Jahren weitreichende Handelsbeziehungen zum Iran aufgebaut haben, das "Regime" in Teheran nicht einfach fallenlassen. Das widerspräche dem Anspruch Chinas als asiatische Großmacht und würde die USA nur zu weiteren Provokationen etwa im Südchinesischen Meer ermutigen. Die Türkei streitet mit den USA seit Monaten erbittert in Sachen Syrien-Politik sowie über das Festhalten Ankaras an der Absicht, das russische Luftabwehrsystem S-400 anstelle amerikanischer Patriot-Raketen zu kaufen. Der von den USA verlangte Stopp des Imports iranischen Öls durch die Türkei könnte zur endgültigen Entzweiung der beiden NATO-Partner führen.

Im Iran selbst bereitet man sich auf den großen Showdown mit den USA vor und gibt sich dabei selbstbewußt. Am 21. April hat das geistliche Oberhaupt des Irans, Ali Khamenei, nach zwölf Jahren den bisherigen Chef der Revolutionsgarde, den 61jährigen Mohammad Ali Dschafari, abgelöst. An dessen Stelle tritt der 58jährige Generalmajor Hossein Salami. Die iranische Revolutionsgarde, die allein gegenüber Großajatollah Khamenei verantwortlich ist, verfügt über 125.000 aktive Mitglieder, mehrere hunderttausend Reservisten sowie eine eigene Marine und Luftwaffe. Ihre Al-Quds-Einheit hat in den letzten Jahren durch die Bekämpfung sunnitischer "Terrormilizen" wie den Islamischen Staat (IS) sowie den Al-Kaida-Ableger Al Nusra im Irak und Syrien ihren militärischen Ruf erfolgreich unter Beweis gestellt. Salami ist wie die meisten seiner Generation ein Veteran des Iran-Irak-Kriegs, der von 1980 bis 1988 tobte. Er gilt als Hardliner gegenüber Israel, dessen Führung er nicht ganz zu Unrecht hinter der Feindschaft der USA gegenüber dem Iran vermutet. Als beispielsweise Trump am 8. April Irans Revolutionsgarde als erste staatliche Organisation überhaupt auf die "Terrorliste" der USA setzte, tat er dies nachweislich auf Drängen des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, der seit mehr als 20 Jahren den Iran zum "Hauptsponsor des internationalen Terrorismus" aufbauscht.

In Reaktion auf die Ankündigung Pompeos, die Ölexporte des Irans "auf Null" setzen zu wollen, hat Alireza Tangsiri, Oberbefehlshaber der Marinestreitkräfte der Revolutionsgarde, mit der Schließung der Straße von Hormus für jeden Schiffsverkehr gedroht. Bereits letztes Jahr hatte Irans Präsident Hassan Rohani für den Fall, daß der Iran kein Öl mehr exportieren dürfte, eine Lahmlehmung des gesamten Energietransports aus dem Persischen Golf in Aussicht gestellt. Die Hauptadressaten der Drohung waren nicht nur die USA, sondern auch Saudi-Arabien, die anderen sunnitischen Petromonarchien sowie deren Abnehmer unter den Industriestaaten in Europa und Asien. Schließlich wäre eine Blockade der Straße von Hormus ein schwerer Schlag für die Weltwirtschaft. Dennoch bleibt dem Iran kaum eine geeignetere Maßnahme übrig, will er sich nicht einfach der Erpressung durch die USA beugen und kapitulieren.

An ihrer engsten Stelle ist die Straße von Hormus, der Eingang vom Indischen Ozean zum Persischen Golf, lediglich 21 Seemeilen (49 Kilometer) breit. International gelten die Küstengewässer bis zu 12 Seemeilen vom Ufer als Staatsgebiet. Folglich verläuft ein Teil der nördlichen der beiden Fahrrinnen der Straße von Hormus durch iranisches Staatsgebiet, das Teheran unter Berufung auf die nationale Sicherheit jederzeit völlig legal sperren könnte. Das Mittel der Wahl hierfür wären Seeminen. Und siehe da, am 15. April hat die amerikanische, britische und französische Kriegsmarine am Persischen Golf vor der Küste Bahrains begonnen, "Anti-Minen-Manöver" zu üben. Mit den Worten, das Kriegsspiel der drei NATO-Verbündeten sei gegen keinen Staat gerichtet, sondern "rein defensiv" und diene ausschließlich dem "freien Handel" sowie dem "ungehinderten Schiffsverkehr", wurde Leutnant Chloe Morgan, Sprecherin der 5. US-Flotte, die in Bahrain stationiert ist, von der Nachrichtenagentur Agence France Presse zitiert.

23. April 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang