Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REPORT

BERICHT/130: Kapitalismus final - Partei mit Konsequenzen (SB)


Klassenkampf - die griechische Jugend wehrt sich!

Veranstaltung am 27. Oktober 2012 in Hamburg-Eimsbüttel

Veranstaltungsankündigung am MTZ - Foto: 2012 by Schattenblick

Foto: 2012 by Schattenblick

In der deutschen Linken ist das Verhältnis zur Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) von tiefgreifenden Differenzen geprägt. Es mischen sich Gerüchte und Mutmaßungen mit dezidiert kontroversen Auffassungen in grundsätzlichen Fragen oder zu aktuellen Entwicklungen. Bemerkenswert ist nicht zuletzt, daß selbst in der DKP die Meinungen geteilt sind, ob man den Kurs der KKE gutheißen kann. Wie radikal sollte man revolutionäre Positionen auch und gerade in Zeiten der Krise vorhalten, sind Bündnisse unabdingbar oder befördern sie im Gegenteil die Rückbindung in das herrschende System, führt Kompromißlosigkeit ins Abseits der Isolation oder setzt gerade sie dringend benötigte Zeichen für den Widerstand gegen Unterdrückung und Verelendung? Fragen, die zur Bestimmung der eigenen Position im politischen Kampf und zu Entscheidungen in Strategie und Taktik von maßgeblicher Bedeutung sind auch für Aktivistinnen und Aktivisten, die sich gegen Theorie und Praxis dieser im spätimperialistischen Europa wohl kampfstärksten kommunistischen Partei abgrenzen. Ob dies aus ideologischen Gründen erfolgt oder vermeintlich erforderlich ist für das Erringen der Kommandohöhen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft kann ebenso Anlaß zu weitreichenden Überlegungen sein wie die Erkenntnis, daß Ohnmacht und Korrumpierbarkeit die wohl tragischsten Merkmale einer Linken sind, die in den immer weiter aufklaffenden Brüchen und Widersprüchen des krisenhaften Kapitalismus eigentlich keine besseren Ausgangsbedingungen finden könnte.

Um so aufschlußreicher war ein Beitrag der SDAJ zur Veranstaltungsreihe "Kapitalismus in der Krise" [1] am 27. Oktober, der unter dem Titel "Klassenkampf - die griechische Jugend wehrt sich" stand. Eingeladen ins Magda-Thürey-Zentrum in Hamburg-Eimsbüttel war eine Vertreterin der Kommunistischen Jugend Griechenlands (KNE), der Jugendorganisation der KKE. Befragt von einer Genossin der internationalen Abteilung der SDAJ zeichnete die Repräsentantin der KNE ein klar konturiertes Bild von den theoretischen Auffassungen und daraus abgeleiteten Handlungskonsequenzen ihrer Partei. Der als Gespräch moderierte Vortrag soll hier mit gebotenen Kürzungen in wesentlichen Zügen wiedergegeben werden, da in ihm die wichtigsten Fragen zur aktuellen Politik der KKE gestellt und in aller Deutlichkeit beantwortet wurden.

An Klärungsbedarf, eine fundierte und emanzipatorische Stoßrichtung in der Krise des Kapitalismus zu entwickeln, herrscht kein Mangel, wobei gerade das Beispiel Griechenlands als bislang am verheerendsten heimgesuchtes Opfer des europäischen Klassenkampfs von oben Anlaß zu grundsätzlicher Positionierung gibt. Wie weitreichend diesem Erfordernis in der hier thematisierten Abendveranstaltung Rechnung getragen wurde, zeigte sich nicht zuletzt in der anschließenden außerordentlich lebhaften und kontroversen Diskussion, in der die unterschiedlichen Ansätze deutlich zu Tage traten und zweifellos Stoff für weiterführende Diskussionen gaben, wie sie der laufenden Veranstaltungsreihe gut zu Gesicht stehen.

Podium der Veranstaltung - Foto: © 2012 by Schattenblick

Gianna (SDAJ), Pipitsa (KNE), Florian (SDAJ)
Foto: © 2012 by Schattenblick

Gianna (SDAJ): Die KNE wurde 1968 als Jugendorganisation der KKE gegründet. Sie ist wie auch die SDAJ Mitglied im Weltbund der Demokratischen Jugend. Obwohl die KKE zu Beginn mit recht wenig Anhängern gestartet ist, wuchs sie während des sogenannten Roten Jahrzehnts in den siebziger Jahren sehr schnell. Auch im Anschluß an die Niederlage der kommunistischen Bewegung 1989/90 hat sie sich sehr schnell wieder erholt und ist heute überall dort verankert, wo die griechische Jugend ist, in Schulen, in Hochschulen, in Betrieben. Seit dem Beginn der Krise finden dort wie überall im Land wieder vermehrt Klassenkämpfe statt. Obwohl es nach den letzten Wahlen zunächst den Anschein hatte, als würde es eine Art Lähmung geben, die auf vielen Ängsten und Illusionen beruhte, sind im Augenblick die Klassenkämpfe in Griechenland wieder aufgeflammt, wie man beispielsweise beim Generalstreik am letzten Donnerstag gesehen hat. Die KNE kämpft dabei an der Seite der Kommunistischen Partei, des klassenorientierten Gewerkschaftsverbunds PAME, des Studentenverbands MAS und anderer fortschrittlichen Organisationen gegen die Politik der griechischen und europäischen Banken, Konzerne und Regierungen. Die sozialen Folgen der Krise lassen sich nicht verleugnen und werden im Augenblick immer dramatischer. Griechenland ist fast auf dem Weg in ein Entwicklungsland, und der immer größere Druck, der durch die Haushaltskonsolidierung ausgeübt wird, bedeutet für die Menschen und vor allem auch für die Jugend einen Schrecken ohne Ende.

Wie sehen derzeit die Lebensbedingungen der Jugendlichen in Griechenland konkret aus?

Pipitsa (KNE): Bevor ich die Frage beantworte, müssen wir zunächst klären, über welche Jugendlichen wir reden. Es gibt Jugendliche, die aus Familien von Industriellen kommen und immer noch reich sind, dann gibt es Kinder und Jugendliche aus der Arbeiterklasse oder Studierende, die gleichzeitig arbeiten, und Kinder, deren Eltern seit langem arbeitslos sind. Wir kämpfen natürlich für die Kinder der Arbeiterklasse, deren Leben heutzutage desolat ist. Es gibt mehr als 50 Prozent Arbeitslosigkeit in Griechenland, und die Löhne sind nicht höher als 400 Euro pro Monat, natürlich ohne Krankenversicherung. Es gibt auch viele Jugendliche, die überhaupt nicht studieren können oder studiert hatten, aber jetzt gezwungen sind, ihr Studium abzubrechen, weil sie arbeiten müssen und die Miete zu hoch ist. Sie müssen daher zurück in ihre Heimatstadt. Die Jugendlichen sind keine einheitliche Schicht.

Gianna: Wie wehren sich die Jugendlichen in dieser Situation? Vielleicht kannst du das am Beispiel des Generalstreiks verdeutlichen.

Pipitsa: Die Stellung nicht nur der Jugendlichen, sondern jeder Person in den Krisenzeiten ist widersprüchlich. Weil sich der Angriff des Kapitals zuspitzt, verschlimmert sich das Leben nicht nur in Griechenland, sondern überall in der Welt. Aber das heißt nicht, daß die Leute automatisch ihren Kampf organisieren. Es besteht die Gefahr, daß die Arbeiterbewegung in Krisenzeiten entweder einen großen Schritt vorwärts oder einen großen Schritt rückwärts macht. Rückwärts, weil die Verarmung sehr schnell und schlimm über die Menschen kommt und das Bewußtsein sich unter diesen Bedingungen eben nicht in einer klassenorientierten Richtung verstärkt. Unsere Arbeit als KKE besteht darin, den Kampf der Leute in dieser Richtung zu organisieren, und nicht darin, ihnen in der Not Hoffnung zu geben, sondern vielmehr sie an ihre eigene Macht zu erinnern. Für die Jugendlichen der Arbeiterklasse ist es im Augenblick nicht einfach, für ihre Sache zu kämpfen. Wir haben es mit zwei großen Hindernissen zu tun. Der Angriff des Kapitals gegen die Jugendlichen in Griechenland erfolgt sehr vehement, während die Jugendlichen von heute überhaupt keine Erfahrung im Kämpfen oder von großen Streiks wie die Jugend in der Vergangenheit haben. Entweder sind sie nicht bereit oder haben keine Hoffnung, über den Kampf eine andere Zukunft zu gestalten.

Das zweite Hindernis besteht darin, daß eine große Mehrheit der Jugendlichen arbeitslos ist. Sie waren nie oder nur kurze Zeit mit der Produktion und damit mit den Gewerkschaften verbunden. Daher versucht die PAME, diese Jugendlichen für sich zu gewinnen. Daneben haben wir als KKE und KNE in den letzten drei Jahren in Arbeitervierteln Nachbarschaftshilfen oder kleine Produktionsbetriebe gegründet, aber es ist dennoch nicht einfach, die Jugendlichen ausfindig zu machen, weil sie arbeitslos sind. Die Jugendlichen in Griechenland, aber auch in Europa könnten unter einer guten Führung viel besser für ihre Interessen kämpfen. Dafür setzen wir uns ein.

Gianna, Pipitsa - Foto: © 2012 by Schattenblick

Internationalistisches Zwiegespräch
Foto: © 2012 by Schattenblick

Gianna: Heißt das, daß man trotz der Auseinandersetzungen in Griechenland nicht von einer revolutionären Situation ausgehen kann?

Pipitsa: Natürlich nicht. Nach unserer marxistischen Theorie kann man nur dann von einer revolutionären Situation sprechen, wenn die herrschende Klasse ihre Macht nicht mehr ausüben kann und die Unterworfenen diese Macht einfordern. In Griechenland sind beide Bedingungen nicht gegeben. Die Bourgeoisie besitzt immer noch Wege, ihre Macht zu erhalten. Wir haben dies auch bei der letzten Wahl gesehen, als es ihr gelungen ist, ihre Interessen mit der neuen Koalitionsregierung zu verknüpfen und gleichzeitig die Illusion heraufzubeschwören, daß das Leben auch im Kapitalismus besser werden kann. Auf der anderen Seite ist die Arbeiterklasse noch nicht bereit, kompromißlos zu kämpfen, um ihre eigene Macht einzufordern. Die letzten Wahlergebnisse haben dies bestätigt. Nach Einschätzung unserer Partei ist das darauf zurückzuführen, daß nur ein Prozent der Arbeiterklasse in Griechenland Mitglied in den klassenbewußten Gewerkschaften ist. Natürlich heißt das nicht, daß eine revolutionäre Situation in Griechenland und überall in der Welt unmöglich ist. Als KKE kämpfen wir dafür, daß die Arbeiterklasse, wenn die Zeit kommt - und als Partei versuchen wir alles, damit diese Zeit schnell kommt - bereit sein wird, den Kampf zum Aufbau des Sozialismus zu führen.

Gianna: Was tut ihr, um dieses Klassenbewußtsein aufzubauen? Gibt es zum Beispiel Übergangsforderungen, die ihr stellt?

Pipitsa: Die Frage, wie wir arbeiten, ist nicht leicht zu beantworten. Es gibt kein Rezept, kein Richtig oder Falsch. Wir kämpfen dafür, die Arbeiter und die arbeitenden Jugendlichen in diese Richtung zu orientieren. Es gibt junge Leute in Griechenland, die jetzt eine Familie gründen wollen, was aber nicht geht, weil beide arbeitslos sind, oder junge Familien, die keine Kindergärten für ihre Kinder haben. Mit diesen Leuten müssen wir sprechen und zusammen kämpfen. Als KKE und KNE haben wir durchaus verstanden, daß dieser Kampf nicht mit einem Streik anfängt oder mit einem Streik endet. Wir kämpfen jeden Tag gegen kleinere und größere Probleme, in der Hoffnung, die Arbeiter klassenbewußt zu machen, so daß die Arbeiterklasse eines Tages unter der Führung der Kommunistischen Partei Griechenlands die sozialistische Revolution vollzieht. Für dieses Ziel machen wir Veranstaltungen oder organisieren gemeinsam mit der PAME Streiks. Wir versuchen auch, bestimmte Parolen zu finden, die unseren Kampf im Volk verankern. Im Augenblick sind zwei Parolen in Griechenland sehr beliebt. Die eine Parole stammt von der KKE und PAME und lautet: Wir bezahlen nicht für die Krise. Die Plutokratie muß die Krise bezahlen. Obwohl die Mehrheit der Leute nicht davon überzeugt ist, gibt es doch gute Zeichen, daß wir die richtige Richtung eingeschlagen haben.

Gianna: Geht ihr denn davon aus, daß der Aufbau des Sozialismus in Griechenland möglich wäre, wenn ihr eure Ziele entsprechend verfolgt?

Pipitsa: Der Marxismus-Leninismus weist in diese Richtung, aber nach unserer Theorie muß eine sehr wichtige objektive Bedingung dafür gegeben sein, daß der Sozialismus in einem Land aufgebaut werden kann, nämlich daß dieses Land das oberste Stadium des Kapitalismus erreicht hat. Das ist der Imperialismus. Griechenland steht, obwohl es keinen imperialistischen Krieg führt, auf dieser Stufe. Die kapitalistischen Kriege sind eigentlich nur eine Widerspiegelung des Imperialismus. Und weil der Imperialismus das oberste Stadium des Kapitalismus darstellt, ist das nächste Stadium die sozialistische Revolution. Es gibt keine Zwischenphase. In dieser Richtung kämpfen wir. Das nächste Stadium ist die sozialistische Revolution und der Aufbau des Sozialismus.

Die Frage lautet jetzt natürlich, wäre es möglich, mit der Arbeiterschaft in Griechenland einen Sozialismus aufzubauen? Die Antwort ist immer noch positiv. Die Arbeiterschaft in Griechenland hat die Möglichkeit, alle Leute, nicht nur die Mehrheit, zu ernähren und für alle Häuser zu bauen. Wir besitzen reiche Bodenschätze, wir haben Öl und Energie. Wir können einen sozialistischen Arbeiterstaat aufbauen, ohne von anderen imperialistischen Staaten abhängig zu sein. Die nächste Frage ist natürlich, warum unser Volk, obwohl wir heute diese Möglichkeiten haben, so schlecht lebt. Das Hindernis sind nicht die Produktionsmittel, sondern die Produktionsverhältnisse. Wenn wir diese Produktionsverhältnisse in Richtung auf die Entwicklung der Arbeiterklasse und ihrer Macht ändern, dann kann die Arbeiterschaft Griechenlands diese Produktionsmitteln ungleich besser entwickeln und eines Tages nicht nur einen Sozialismus, sondern den Kommunismus aufbauen.

Gianna: Du hast eben geschildert, wie ihr dieses Ziel zu erreichen versucht. Man hört auch hier in den Medien relativ viel über die KKE und die PAME. Könntest du erklären, wie die KKE konkret in Schulen, Hochschulen und Betrieben arbeitet?

Pipitsa: Unsere Arbeit in Betrieben, Universitäten und Schulen geht in die gleiche Richtung wie die unserer Partei. Wir schätzen die Menschen nicht nach ihrem Erscheinungsbild ein, sondern nur nach dem Kriterium, welcher Klasse sie angehören. Wir sind in der Jugendarbeit tätig, kümmern uns um die Jugendlichen, die arbeitslos sind oder in den Betrieben arbeiten. In den Schulen haben wir genau wie die PAME in den letzten fünf oder sechs Jahren Kader gegründet. In den beiden letzten Jahren haben wir zudem den Studentenbund MAS aufgebaut. Wir versuchen, den Kampf der studentischen Jugend, aber auch den der jungen Leute, die noch zur Schule gehen, in eine Richtung zu bündeln. Auch sie kommen aus der Arbeiterklasse. Ihre Stellung ist neben der Arbeiterklasse. Deswegen sehen wir die Arbeiterbewegung auch nicht getrennt von der Studentenbewegung oder umgekehrt. Die arbeitenden Jugendlichen oder die Studenten, die jetzt arm sind und neben ihrem Studium arbeiten müssen, sind Teil der Arbeiterklasse und müssen neben und mit der Arbeiterklasse kämpfen. Die Studenten-, Schul- und Jugendbewegung ist sehr eng mit der Arbeiterbewegung verbunden. Deswegen haben wir auch die Kaderorganisation SASA für die Schüler, die MAS für die Studenten und die Arbeitergruppen für die Jugendlichen, die jetzt arbeitslos sind, gegründet. Studenten und Schüler helfen den Arbeitern, Streiks oder Demonstration zu organisieren.

Gianna: Bei uns in Deutschland spielt der Kampf gegen den Sparzwang eine große Rolle. Wie ist das bei euch?

Pipitsa: Das Leben in Griechenland verschlimmert sich jeden Tag. Wir kämpfen für jedes kleine Problem der Arbeiterklasse. Obwohl wir gegen Entlassungen und für höhere Löhne kämpfen, bedeutet das nicht, daß wir mit den Arbeitern nicht auch über ihre persönlichen Nöte sprechen. Wir versuchen aber, über diese kleinen alltäglichen Probleme das Bewußtsein bei den Arbeitern für die Ursachen der Krise zu schärfen. Unserer Meinung nach bedeutet, gegen die Krise zu kämpfen, eigentlich, die Ursache der Krise zu finden. Und die Ursache war nicht eine schlechte Verwaltung oder daß die Banken nicht genügend Geld hatten. Die Ursache der Krise oder die Ursache jedes Problems der Arbeiterklasse ist das System des Kapitalismus und damit die Ausbeutung und die Profite der Monopole, deren Gewinne immer aus der Arbeiterklasse kommen. Wenn die Arbeiterklasse versteht, daß ihr Leben nicht nur besser werden kann, sondern daß ein Leben auch ohne Arbeitgeber, Industrielle und Monopolisten möglich ist, dann kann sie auch in dieser Richtung kämpfen. Ohne das zu verstehen, ist der Kampf der Arbeiterklasse nicht nur hoffnungslos, sondern auch gefährlich für sie selbst. Im Sommer letzten Jahres gab es eine große Occupy-Bewegung in Griechenland. Viele dieser Leute haben auf der Straße gekämpft, aber sie besaßen kein Klassenbewußtsein. Im Gegenteil haben sich diese Besetzungen sogar gegen die Arbeiterklasse gerichtet.

Gianna: In der Krise kommt es auch zum Erstarken faschistischer Kräfte. Inwieweit beeinflußt das eure Arbeit, und stimmt es, daß es den Faschisten in Griechenland gelungen ist, das Protestpotential in eine Richtung zu lenken, die für die Herrschenden tatsächlich nicht mehr gefährlich ist?

Pipitsa: Die Verstärkung des Faschismus ist eine weitere Bestätigung für unsere Einschätzung, daß der Kapitalismus heutzutage viele Wege hat, seine Krise zu bewältigen. Der Faschismus ist ein Kind des Systems, ein sehr gewalttätiges Kind zwar, aber immer noch Teil des Kapitalismus. Unserer Meinung nach ist der beste Kampf gegen den Faschismus nicht, eine antifaschistische Front zu gründen, sondern der Kampf gegen den Kapitalismus selbst. Die Kritik der bürgerlichen Parteien oder der bürgerlichen Journalisten und Medien gegen die Goldene Morgendämmerung, also die faschistischen Parteien in Griechenland, läuft nach dem Muster, daß deren Politik zu gewaltsam und gegen die Demokratie gerichtet sei. Wenn wir uns von der Moral dieser Argumente freimachen, dann müssen auch wir zugeben, daß wir die gegenwärtige Demokratie bekämpfen. Auch wir wollen eines Tages die Gewalt der Arbeiterklasse freisetzen. Die Theorie des Extremismus ist eine sehr gefährliche Theorie gegen die Arbeiterklasse selbst. Die Gesellschaft war immer schon geteilt. Es gab auf der einen Seite die Monopole und Ausbeuter und auf der anderen Seite die Arbeiterklasse. Jede Seite hat ihre eigene Gewalt, und die Arbeiterklasse muß eines Tages ihre Gewalt anwenden. Deswegen ist diese Kritik an der Goldenen Morgendämmerung gefährlich für die Arbeiterbewegung selbst, da sie die Rolle des Faschismus verschleiert.

Wir haben in der Geschichte der internationalen kommunistischen Bewegung gesehen, daß die Zusammenarbeit von demokratischen Kräften gegen den Faschismus für die Arbeiterbewegung und die kommunistischen Partien nicht gut war. Kürzlich haben wir unser zweites Buch über unsere Geschichte als Partei in Griechenland herausgegeben. Darin haben wir auch unsere Fehler im Zweiten Weltkrieg eingeräumt, als wir der Idee folgten, gegen den Faschismus kämpfen zu müssen und deshalb auch antifaschistische Bündnisse mit anderen demokratischen Kräften eingingen. Das hatte schlimme Folgen für unsere Partei. Eine kommunistische Partei, die den Faschismus bekämpft, muß selbständig sein. Der Kampf gegen den Faschismus muß immer ein Kampf gegen den Kapitalismus und Imperialismus sein. Es gibt keinen anderen Weg.

Gianna: Es gibt aber viele, die der Meinung sind, in einer solchen Situation, wenn der Faschismus erstarkt, wäre es wichtig, eben solche breiten Bündnisse zu schließen. Was waren denn jetzt im konkreten Fall, auch bezogen auf SYRIZA, die Gründe der KKE, hier kein Bündnis einzugehen?

Pipitsa - Foto: © 2012 by Schattenblic

Entschieden gegen Opportunismus
Foto: © 2012 by Schattenblick

Pipitsa: Unserer Meinung nach ist SYRIZA ein Instrument des Systems. Wie können wir gegen ein Instrument des Systems mit einem Instrument des Systems kämpfen? Wir können wir gegen unseren Feind mit einem Feind von uns kämpfen? Wie können wir gegen einen Feind der Arbeiterklasse mit einem Feind der Arbeiterklasse kämpfen? SYRIZA ist eine opportunistische Partei, und mit dem Opportunismus haben wir gar nichts zu tun. Die Geschichte hat gezeigt, daß Opportunismus ein Feind der Arbeiterklasse ist. Und nicht nur in der Geschichte, auch heutzutage sehen wir das. Obwohl SYRIZA vor den Wahlen viele revolutionäre Parolen hatte und beispielsweise von einer Tilgung der Schulden sprach, war sie bereit, einen Platz in der Regierung anzustreben. Nein, wir können mit SYRIZA nicht gegen den Faschismus kämpfen, weil wir den Kapitalismus nicht mit kapitalistischen Kräften bekämpfen können. Natürlich ist SYRIZA keine klare kapitalistische Kraft, sie bleibt aber immer noch eine opportunistische Kraft und ist jetzt auf dem Weg zu einer sozialdemokratischen Partei. Wir können nie mit SYRIZA zusammenarbeiten.

Gianna: Gibt es konkrete Beispiele, an denen du klarmachen kannst, wo SYRIZA sich gegen die Arbeiterbewegung oder die KKE gewendet hat?

Pipitsa: Zunächst einmal war SYRIZA immer für die EU. Das gilt übrigens für die Gesamtheit der europäischen Linksparteien. SYRIZA und die europäischen Linksparteien kokettierten immer mit dem Verein der europäischen Monopole gegen die Arbeiterklasse. Es gibt auch Beispiele dafür in Griechenland selbst. Dazu gehört nicht nur die Bereitschaft SYRIZAs, vor den Wahlen einen Regierungsplatz anzustreben, auch nach der Wahl hat SYRIZA ihr ganzes Programm geändert. SYRIZA redet jetzt überhaupt nicht über eine Tilgung der Schulden, sondern nimmt eine Trennung zwischen legalen und illegalen Schulden vor. SYRIZA ist jetzt sicher, daß das griechische Volk einen Teil der Schulden bezahlen muß, obwohl das griechische Volk überhaupt nicht für die Krise verantwortlich ist.

Ein zweites Beispiel sind die Stahlarbeiter. Es war der Einfluß von SYRIZA auf diese Gewerkschaften, daß gegen den Streik gestimmt wurde, weil gesagt wurde, ein Streik hätte immer negative Konsequenzen für die Arbeiter, da nach einem großen Streik vielleicht Betriebe geschlossen würden. Ich habe noch ein anderes Beispiel. Auf der griechischen Insel Ikaria war der Bürgermeister immer ein Kandidat der KKE gewesen. Das war unsere rote Insel. Bei den letzten Wahlen haben die Abgeordneten der SYRIZA gemeinsam mit Mitgliedern der PASOK, der Nea Dimokratia und der LAOS, einer weiteren faschistischen Partei, eine Koalition gebildet, so daß der Kandidat der KKE nicht Bürgermeister auf der Insel werden konnte. Es gibt viele Beispiele, die zeigen, wie gefährlich SYRIZA für die Arbeiterklasse Griechenlands ist. Mit einer solchen Partei können wir nicht zusammenarbeiten.

Bedeutsam ist auch, daß SYRIZA nicht vom Sozialismus oder einer sozialistischen Revolution, geschweige denn vom Kommunismus redet, sondern nur von einer Verwaltung des Systems. Wir wollen dieses System nicht verwalten, sondern ändern. Kurioserweise hatte uns SYRIZA mit freundlicher Stimme das Angebot gemacht, gemeinsam eine Regierung zu bilden, um die Krise abzuwehren. SYRIZA war nicht ehrlich, sondern wollte eigentlich, daß wir unsere Strategie und Prinzipien ändern. Aber unsere Prinzipien werden wir nie ändern, denn sie stammen aus der marxistischen Theorie und werden jeden Tag bestätigt.

Gianna: Hier in Deutschland besteht eher das Bild von der SYRIZA, daß sie zwar EU-freundlich, aber doch insgesamt recht gut verankert und auch radikal in ihren Positionen ist. Kannst du nochmal genauer schildern, welche politischen Einschätzungen in der SYRIZA vorherrschend sind?

Pipitsa: Es gibt natürlich auch ganz einfache Leute bei SYRIZA, die immer noch die Hoffnung haben, daß sie eine Linkspartei oder gar eine revolutionäre Partei sei. Wir schätzen jedoch eine Partei nicht nur nach ihren Mitglieder ein, sondern nach ihrer Strategie und Politik. Auch wenn es in der SYRIZA Parteigänger gibt, die eine gute Idee über den Sozialismus haben, ist die politische Strategie SYRIZAs eigentlich volksfeindlich. Wie kann eine Partei EU-freundlich und gleichzeitig radikal sein? Das ist für uns nicht verständlich.

Gianna: Im Augenblick ist es ja so, daß SYRIZA vom Linksschwung in Griechenland sehr stark profitiert. Warum können die KKE und die KNE nicht im gleichen Ausmaße davon profitieren, und inwieweit spielt Antikommunismus in der Gesellschaft oder in der SYRIZA da eine Rolle?

Pipitsa: Auch den Begriff Linksschwung akzeptieren wir nicht. Unserer Meinung nach geht die Arbeiterbewegung entweder vorwärts oder rückwärts. Die letzten Wahlen haben gezeigt, daß die Arbeiterbewegung Griechenlands, obwohl sie in den letzten Jahren nicht so stark war, heutzutage eine der stärksten in Europa ist. Aber leider hat die Arbeiterbewegung in Griechenland einen Schritt rückwärts gemacht. Denn die Wahlverstärkung SYRIZAs war ein Schritt rückwärts. Dafür gibt es Gründe. SYRIZA wurde von der ganzen Welt, nicht nur von der Bourgeoisie und den Medien in Griechenland, unterstützt. Selbst Obama hat über SYRIZA geredet. Ich erinnere mich an eine Zeitung in Deutschland, in der Alexis Tsipras als der gefährlichste Mann in Europa bezeichnet wurde. Gleichzeitig haben alle Kräfte gegen die KKE gekämpft.

Wir sagen ganz offen, daß wir einen großen Stimmenverlust bei den letzten Wahlen erlitten haben, weil viele Leute immer noch die Illusion hegen, daß sich ihr Leben verbessern kann, auch wenn sie nicht kämpfen. Aber obwohl wir einen Stimmenverlust verbuchen mußten, zeigt die Entwicklung, daß die Leute nicht gegen uns sind. Im Gegenteil. Auf unserem 38. Festival in Athen waren 200.000 Leute und noch weitere 100.000 überall in Griechenland. Auch bei den beiden Generalstreiks waren mehr als 100.000 Leute auf den Beinen. Der Demonstrationszug war 2,5 Kilometer lang. Zu den Demonstrationen der anderen Gewerkschaften kamen nicht einmal 20.000 Leute. Das heißt nicht, daß wir überhaupt keine Probleme haben oder keine Fehler gemacht hätten, aber dennoch ist es eine Bestätigung dafür, daß es zwar viele Leute gibt, die bei der letzten Wahl nicht für die KKE gestimmt haben, aber sie respektieren und ihr Vertrauen schenken und bereit sind, mit ihr zu kämpfen. Wir sind hundertprozentig sicher, daß die Arbeiterbewegung in Griechenland und überall in der Welt eines Tages den großen Schritt vorwärts macht und den Sozialismus aufbaut.

Gianna: Du hattest gerade gesagt, daß viele Menschen noch Illusionen haben. Ist es so, daß in der SYRIZA eurer Meinung nach eine Illusion besteht, daß man mit dem bürgerlichen Staat die Produktionsverhältnissen für die Menschen verändern könnte? Und wie problematisch seht ihr diese Sicht?

Pipitsa: In der Geschichte hat es nie ein Beispiel dafür gegeben, daß eine Gesellschaft durch Parlamente verändert wurde. Die Frage ist immer: Wer hat die Macht und wer bekommt die Gewalt über die Produktion? Obwohl wir eine Linkspartei oder linke Regierung in einem bürgerlichen Parlament haben, bedeutet das nicht, daß ein Parlament die Produktionsverhältnisse ändern könnte. Aber ohne andere Produktionsverhältnisse können wir keinen Sozialismus aufbauen. Natürlich haben wir auch Beispiele hier in Deutschland. Die Linkspartei ist nicht Teil der Regierung, hat aber dennoch volksfeindliche Maßnahmen mitgetragen. Auch wir als KKE sind Teil des griechischen Parlaments, aber wir haben nicht die Illusion, daß wir durch das Parlament und was ein Parlament widerspiegelt etwas grundsätzlich ändern können. Diese Illusionen hat leider die Arbeiterklasse in Griechenland. Wir versuchen es aber weiter. Der Kampf ist noch nicht zu Ende.

Gianna: Du hast eben gesagt, daß ihr die Hoffnung habt, daß die Arbeiterklasse in Griechenland tatsächlich irgendwann den Sozialismus erkämpfen kann. Deswegen noch eine letzte Frage: Was können wir in Deutschland tun, um diesen Kampf zu unterstützen.

Pipitsa: Die Kommunistische Partei in jedem Land muß gegen ihre eigene Bourgeoisie kämpfen. Wenn die DKP hier gegen die Bourgeoisie Deutschlands kämpft, ist das eine große Hilfe für die Arbeiterklasse Griechenlands.

In diesem Gebäude fand der Gründungskongreß der Kommunistischen Partei Griechenlands (SEKE/KKE) vom 17. bis 23. November 1918 statt - Foto: By Michalis Famelis from Toronto, ON, Canada (1st KKE congress building Uploaded by Soman) [CC-BY-SA-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

Lange Geschichte um Griechenland und darüber hinaus
Foto: By Michalis Famelis from Toronto, ON, Canada (1st KKE congress building Uploaded by Soman) [CC-BY-SA-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons


Positionen im Widerstreit

Im Mittelpunkt der anschließenden Diskussion stand eine Kontroverse um die Konsequenz, mit der KKE und KNE auf ihren Grundsatzpositionen beharren und jegliche Kompromisse zu deren Lasten ablehnen. Wie ein Vertreter der DKP zu bedenken gab, habe die Führung der DKP die Vertretung der KKE in Deutschland aufgefordert, an Aktionen gegen Sozialabbau teilzunehmen. Vertreter der KKE hätten dies mit der Begründung abgelehnt, eine Teilnahme gemeinsam mit SYRIZA würde nur zu neuen Illusionen über den Charakter dieser Partei führen. Wie könne man mit einer solchen Argumentation jemals hoffen, eine Volksmehrheit für den Sozialismus herbeizuführen, fragte der DKP-Vertreter. Treibe man mit einer derartigen Haltung nicht vielmehr die Selbstisolierung auf die Spitze, wie das bei den letzten Wahlen der Fall gewesen sei? Lese man die Grundsatzpapiere der KKE, werde deutlich, daß diese jeden potentiellen Bündnispartner unter der Lupe betrachte und als ungeeignet ablehne. SYRIZA habe ihren Stimmenanteil verdreifacht und sogar Aussichten auf die Mehrheit gehabt. Er könne nicht begreifen, daß die KKE diesen möglichen Bündnispartner ablehne, dessen Programm immerhin wichtige Forderungen für das griechische Volk enthalte. Das nenne er eine hochgradige Selbstisolierung, und diese Politik widerspreche nicht umsonst in fast allen Grundsatzpositionen der Programmatik der DKP.

Dem widersprach ein anderer Vertreter der DKP entschieden mit dem Hinweis, daß man angesichts der Bilder von Massendemonstrationen wohl kaum von einer Isolierung der KKE sprechen könne. Wer ein Wahlergebnis von immerhin noch mehr als 4 Prozent als Beleg für diese These anführe, müsse sich die Frage gefallen lassen, wie weit die DKP selber von solchen Demonstrationen der Arbeiterklasse und Wahlergebnissen entfernt sei. Er halte es für unverzichtbar, daß eine kommunistische Partei unter bestimmten Umständen eine zeitweise Isolierung nicht fürchten dürfe. So habe beispielsweise die KPD 1935 im Saarland einen Anschluß an das faschistische Deutschland mit dem Argument abgelehnt, wer den Anschluß wähle, stimme für Hitler und den Krieg. Mehr als 99 Prozent hätten damals für den Anschluß votiert, doch habe sich die KPD mit ihrer Losung zu Recht in die Isolation begeben. Es sei durchaus möglich, daß man am Massenbewußtsein vorbei etwas anderes fordern müsse, das sich erst geraume Zeit später als richtig herausstellt. Angesichts der Krise erkläre die KKE, man müsse die EU und die NATO verlassen und für die Enteignung der Monopole kämpfen. Obgleich die Arbeiterklasse derzeit den leichteren Weg suche, werde die Zukunft der KKE Recht geben, daß der reformistische Kurs mit der EU keine Lösung für das griechische Volk ist.

Dieser nachvollziehbaren und klar positionierten Stellungnahme ungeachtet, legte der Vorredner noch einmal nach. Er halte die Programmatik der KKE, die ohne Zwischenschritte vom Kapitalismus zum Sozialismus gelangen wolle, für eine Illusion. Hingegen spreche die DKP in ihrem Programm von Kampfphasen wie der Wende zum demokratischen sozialen Fortschritt. Überdies propagiere die KKE für die Phase nach dem Sturz des Kapitalismus den zügigen Übergang zu einer Wirtschaft ohne Markt und ohne Geld, ja im Grunde ohne Leistungsprinzip. Anstelle dessen solle man gleich zu einer Verrechnung von Arbeitseinheiten übergehen. Diese Vorstellung höre sich wie aus der Welt gefallen an, denn bevor man solche Aussagen treffe, solle man doch zuerst einmal die reale Entwicklung in marktsozialistischen Staaten wie China, Vietnam und letztlich auch Kuba studieren.

Darauf erwiderte die KNE-Vertreterin, daß dies eine außerordentlich wichtige Frage sei. Die KKE habe in der Vergangenheit Fehler gemacht, 1991 noch einmal eine Spaltung erlebt und sei schließlich zu der Erkenntnis durchgedrungen, daß es keine Phase oder Formation zwischen Kapitalismus und Sozialismus gebe. Entscheidend sei stets, welche Klasse die Macht habe, eine Hälfte für die Bourgeoisie und die andere für die Arbeiterklasse sei unmöglich. Im Jahr 1945 habe man beim Waffenstillstandsabkommen von Varkiza dem Feind vertraut und diesen Fehler in den vier Jahren des Bürgerkrieges mit Blut bezahlt. Die innerparteiliche Vorstellung, es könne oder müsse eine Zwischenetappe vor der Revolution geben, habe sich als verhängnisvoller Irrtum erwiesen, aus dem es Konsequenzen zu ziehen gelte.

Kopfzerbrechen bereitete einem anderen Diskussionteilnehmer die antifaschistische Position der KKE und ihre Haltung zur Volksfront. Weiche sie nicht von der Analyse Georgi Dimitrows ab, der den Faschismus als reaktionärste Form des Kapitalismus bezeichnet und zu seiner Verhinderung Bündnisse mit anderen gesellschaftlichen Kräften anmahnt?

Mit Blick auf die Volksfrontstrategie gab Pipitsa zu bedenken, daß sich heutzutage selbst Bundeskanzlerin Merkel und die griechische Regierung antifaschistisch gerierten. Nach Auffassung der KKE müsse der antifaschistische Kampf notwendigerweise antikapitalistisch und antiimperialistisch sein. Der beste Kampf gegen den Faschismus sei jener einer einheitlichen Arbeiterklasse und diese schließe auch Migranten ein. Die Gewerkschaften der PAME hätten als einzige in Griechenland ihrer Satzung nach auch Migranten als Mitglieder, und das sei die beste Antwort auf den Faschismus und dessen Angriff auf Flüchtlinge. Die Arbeiterklasse müsse sich vor die Migranten stellen, weil auch sie dieser Klasse angehörten. Angesichts der massiven Verarmung zeige die Bourgeoisie auf das Feindbild der Migranten, um die Arbeiterklasse von den wahren Ursachen ihrer Misere abzulenken.

Dem oftmals erhobenen Vorwurf, die KKE breche mit dem Internationalismus, weil sie der Zusammenarbeit mit den europäischen Linksparteien eine Absage erteilt, widersprach die Vertreterin der KNE entschieden. Man kämpfe als kommunistische Partei selbstverständlich für die Einheit der Arbeiterklasse und das nicht nur in Griechenland, sondern überall in der Welt. So habe man auch in Deutschland KKE-Organisationen gegründet, weil man sich auch als Teil der deutschen Arbeiterklasse verstehe.

KKE-Plakate auf Akropolis - Foto: KKE-Webseite http://de.kke.gr/

Signal zum Aufbruch aus der Wiege Europas
Foto: KKE-Webseite http://de.kke.gr/

Unabhängig davon, ob die Anwesenden mit einzelnen Positionen der KKE übereinstimmten oder ihre revolutionäre Programmatik überhaupt gutheißen wollten, konnte sich wohl niemand im Saal der Erkenntnis entziehen, daß der politische Kampf mit der grundsätzlichen Bestimmung der eigenen Position steht und fällt. In einem Europa, dessen Kapitalmacht und Funktionseliten sich bestens darauf verstehen, den Bestand ihrer Herrschaft nicht nur auf offen repressive Weise zu sichern, sondern sich vielfältiger Strategien zu bedienen, anhand fortschrittlich erscheinender Ziele und menschenfreundlicher Werte das Gegenteil dessen zu tun, was diese beanspruchen, lädt das bloße Reagieren auf die herrschenden Verhältnisse und das taktische Bündnis mit ihren Sachwaltern dazu ein, selbst zu vergessen, wofür man einmal angetreten ist. Die Geschichte der Linken quillt über an Beispielen für die schleichende Adaption opportunistischer Methoden und die Verkehrung vorgeblich subversiver Manöver in die offene Teilhabe an kapitalistischer Klassenpolitik.

Von daher war die Debatte mit der KKE-Vertreterin ein Lehrstück in Fragen der Positionsbestimmung und dem Bemühen darum, einen einmal eingeschlagenen Kurs auch in schwerem Wetter zu halten. Der häufig dagegen gerichtete Vorwurf dogmatischer Erstarrung, ideologischer Borniertheit und sektiererischer Lernresistenz ist in seiner Stichhaltigkeit auch an der politischen Praxis derjenigen zu überprüfen, die ihn erheben. Zweifellos ist ein Plan oder ein Programm kein unumstößliches Gesetz und verlangt danach, dialektisch weiterentwickelt zu werden. Im Verhältnis zwischen strategischem Vorgehen und grundlegender Position bleibt das originäre Anliegen, die Herrschaft des Menschen über den Menschen zu überwinden, dennoch bestimmend.


Fußnote
[1] http://www.kapitalismus-in-der-krise.de/

14. November 2012