Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REPORT


BERICHT/246: Lebens- oder Wirtschaftsrecht - ein Abwasch und los ... (2) (SB)


Bergbau und Menschenrechte unverträglich

Veranstaltung zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte am 27. September 2016 in Berlin



C. Ntaopane während ihres Vortrags - Foto: © 2016 by Schattenblick

Caroline Ntaopane
Foto: © 2016 by Schattenblick

Der Begriff der Menschenrechte scheint unmißverständlich und eindeutig zu sein. Und doch sind Zweifel geboten. Wenn Menschenrechte schon herangezogen werden, um in Ermangelung faktisch belast- und begründbarer Vorwände Krieg zu führen - wie geschehen durch eine aus führenden Mitglieder der sogenannten internationalen Gemeinschaft von Fall zu Fall gebildete Staatenallianz -, wer glaubt dann ausschließen zu können, daß sich dieses Rechtskonstrukt auch in anderen Zusammenhängen, wobei an die sogenannten sozialen sowie auf wirtschaftliche Vorgänge bezogenen Menschenrechte zu denken wäre, als ein Instrument erweisen könnte, mit dem gänzlich andere als die behaupteten Absichten und Interessen durchgesetzt werden? Und ist nicht der Abgrund möglicher Scheinwelten und behaupteter Menschlichkeitsversprechen tiefer, als die Brücken ihrer Kontrolle und Überprüfung lang genug sind, ihn zu kreuzen?

Auf einer gemeinsam von Brot für die Welt, Global Policy Forum, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, MISEREOR, FIAN International und dem CorA-Netzwerk organisierten Veranstaltung im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. am 27. September in Berlin war von einer Nachdenklichkeit über Fragen und Zweifel dieser Art nichts zu vernehmen. An der Podiumsdiskussion nahmen mit Dr. Bärbel Kofler, der Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Dr. Johannes Merck, dem Direktor für Soziale Unternehmensverantwortung der Otto Group, und Dr. Julia Duchrow, Referatsleiterin Menschenrechte und Frieden bei Brot für die Welt, ausgewiesene Kenner und Expertinnen einer in enger Verzahnung zwischen Bundesregierung, Zivilgesellschaft und Unternehmen vorangetriebenen Initiative für ein verbindliches UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten teil.

Werden Wirtschaft und Menschenrechte in einem Atemzug genannt, oder, wie in diesem Fall, auch noch aufs Elementarste miteinander in Beziehung gestellt, weil zum gemeinsamen Gegenstand und Inhalt eines von den Befürwortern dieses Projekts geplanten UN-Abkommens gemacht, rückt die sich eigentlich unwillkürlich aufdrängende Frage, was denn das eine mit dem anderen überhaupt zu tun haben kann, schnell unter die Aufmerksamkeitsschwelle interessierter Zeitgenossen. Nachdem Jens Martens [1] vom Global Policy Forum, einer nach eigenen Angaben unabhängigen Beobachtungsstelle, die die internationale Politikgestaltung und speziell die Arbeit der Vereinten Nationen kritisch begleitet, in das Thema "Der Treaty-Prozeß bei den Vereinten Nationen - Brauchen wir ein internationales Abkommen für Wirtschaft und Menschenrechte?" eingeführt hatte [2], kam mit Caroline Ntaopane von ActionAid Südafrika eine engagierte Aktivistin als zweite Input-Referentin zu Wort.


Zu Lasten der Menschen - Kohlebergbau in Südafrika

ActionAid ist ein weltweiter Zusammenschluß von Akteuren, die im gemeinsamen Engagement die Menschenrechte stärken und Armut für alle Menschen bekämpfen wollen. Ihrem Selbstverständnis nach stellt die südafrikanische ActionAid-Bewegung die vergessenen, in Armut lebenden und diskriminierten Menschen, deren Stimmen normalerweise ignoriert werden, in den Fokus ihrer Bemühungen und unterstützt sie in ihrem Kampf um die ihnen verweigerten Rechte. Dabei geht es um elementarste Rechte wie das auf Nahrung, Bildung und eigenes Land. [3]

Caroline Ntaopane ist gemeinsam mit Matthew Hlabane vom Southern Green Revolutionary Council, einer Protest- und Widerstandsorganisation in Südafrika, die 1983 in Witbank Mpumalanga, einer zentralen Region des Kohleabbaus, gegründet wurde, nach Berlin gekommen. Ihrer beider Anliegen bestand darin, über die Situation des Bergbaus in ihrem Land zu berichten und darüber, was er für das Leben der Menschen zum Beispiel in Witbank, einer Stadt in der Provinz Mpumalanga, in der es heute 22 Kohlebergwerke und mehrere Kohlekraftwerke gibt, bedeutet. 1890 hatten sich in Witbank die ersten Weißen angesiedelt. 1894 wurde der Ort an eine Bahnlinie angeschlossen und ist, als dort die großen Kohlenminen entstanden, zu einer Stadt angewachsen, die 2006 in eMalahleni (Ort der Kohle) umbenannt wurde.

Die Frauenrechtlerin und Aktivistin Caroline Ntaopane stellte zu Beginn ihres Vortrags klar, daß für Matthew Hlabane und sie die beiden Themen, über die zu sprechen sie in dieser Veranstaltung eingeladen wurde, nämlich Menschenrechte und Wirtschaft, eigentlich unvereinbar seien, weshalb sie sich auf die Schilderung zweier Beispiele für den Kohleabbau in Südafrika beschränken wolle. Das eine Beispiel sei eMalahleni, das andere die Stadt Lephalale in der Provinz Limpopo, wo es das größte trockengekühlte Kohlekraftwerk der Welt gäbe, die Matimba Power Station des Stromkonzerns Eskom. 2015 wurde ein weiteres Kraftwerk desselben Konzerns fertiggestellt, die Medupi Power Station. Bis 2019 sollen fünf weitere Kraftwerke errichtet werden.

Das Medupi-Kraftwerk, mit dessen Bau bereits 2007 begonnen wurde, ist seit langem umstritten. Die Fertigstellung konnte aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten 2010 nur durch ein Darlehen der Weltbank an Südafrika in Höhe von 3,75 Milliarden US-Dollar vollendet werden. Dem eigentlichen Ziel der südafrikanischen Regierung, die Treibhaus-Emissionen bis 2020 um 34 Prozent zu reduzieren, wurde durch den Bau dieses neuen Kohlekraftwerks entgegengewirkt, der anvisierte Wechsel zu sauberer Technologie und nachhaltiger Wirtschaft wurde dadurch noch unwahrscheinlicher. Die Energieversorgung Südafrikas wird nach wie vor im wesentlichen durch die hohe Schadstoffemissionen freisetzende Kohleverbrennung abgedeckt. Da das Land eine extrem energieintensive, d.h. -verbrauchende Industrie hat, gilt preiswerte Kohle als Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Entwicklung Südafrikas. Ein stetiges Wirtschaftswachstum wird als unverzichtbar angesehen, um Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Doch wie Caroline Ntaopane erklärte, sei der Kohlebergbau an sich schon zerstörerisch. In Südafrika bedrohe er in den Abbaugebieten die Lebensweise der ursprünglichen Bevölkerung, ihre Kultur und Gesundheit sowie die elementarsten Lebensgrundlagen wie zum Beispiel das Wasser. Die Situation sei, auch was die Menschenrechte betrifft, jetzt schon katastrophal, doch sie werde sich, da die Regierung an dem geplanten Ausbau der Kohleverbrennung festhalte, noch weiter verschlechtern. Schon heute seien durch die Bergbauarbeiten viele Dörfer verschwunden, die Menschen, die dort einst lebten, haben ihr Land verloren. Die Provinz Mpumalanga sei einmal ein zentrales Nahrungsmittelanbaugebiet Südafrikas gewesen. Doch 86 Prozent der Flächen, die für die Agrarwirtschaft und damit die Ernährung der Bevölkerung genutzt werden könnten, seien jetzt bereits für den Ausbau des Kohlebergbaus erschlossen bzw. werde auf ihnen nach weiteren abbaubaren Lagerstätten geschürft.


Fernblick auf die Vororte der Stadt, darüber ein Dunstfeld - Foto: von Gerhard Roux <gerhard@sundown.homeip.net> [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Witbank in Südafrika - 2006 in eMalahleni (Ort der Kohle) umbenannt
Foto: von Gerhard Roux <gerhard@sundown.homeip.net> [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Caroline Ntaopane zufolge führt der Bergbau in Südafrika zu einer extremen Luftverschmutzung. Mpumalanga habe die weltweit größte Luftverschmutzung, über der Provinz schwebe eine graue Decke aus Abgasen, Staub und Schadstoffen, die man schon aus der Ferne sehen könne. Da sei es besonders bitter, daß die Menschen, die unter diesen Bedingungen leben müssen, durch den Bergbau noch nicht einmal Arbeit bekämen. Die einheimische Bevölkerung lebe fast noch wie in der Steinzeit. Die Menschen verwendeten Talg oder Parafin und Öllampen. Sie heizten mit Dung, während über ihren Hütten die Hochspannungsleitungen die Elektrizität in andere Regionen des Landes bringen.

Im Erdboden gäbe es riesige Löcher, viele Landflächen seien zerstört. Der Boden sei derartig von Löchern durchsetzt, daß die Kinder kaum noch einen Platz zum Spielen fänden. Auch seien viele Grabstätten durch den Bergbau zerstört worden, ohne daß die Verstorbenen in angemessener Weise exhumiert und umgebettet wurden. Dies sei ein unersetzlicher Verlust für die Lebenskultur der hiesigen Bevölkerung, weil der Kontakt zu den verstorbenen Vorfahren eine sehr wichtige Tradition darstelle. Viele Menschen wüßten nicht einmal, wo ihre Angehörigen geblieben wären, es gäbe nur anonyme Gräber.


Von Schauplatz zu Schauplatz ...

Lephalale sei einmal eine ausgesprochen schöne und naturbelassene, für den Tourismus sehr attraktive Landschaft gewesen. Jetzt gäbe es zwar noch sehenswerte Naturparks, die allerdings wegen des geplanten Baus weiterer Kraftwerke ebenfalls bedroht seien. Die Menschen hier hätten immer in ländlichem Gebiet von der Viehzucht gelebt, doch das gäbe es heute nicht mehr. Viele der ursprünglichen Bewohner seien verschuldet und hätten keine Arbeit. Durch den Bau des im vergangenen Jahr fertiggestellten Medupi-Kraftwerks seien viele Tausende Arbeiter aus anderen Regionen hierhergekommen. Ihrem Lebensstil und ihrer Kultur müsse sich die einheimische Bevölkerung nun anpassen. Die Bergbaugesellschaften hätten nicht für genügend Unterbringungsmöglichkeiten für die Fremdarbeiter gesorgt, die Einheimischen vermieteten in ihrer Not Ställe, Schuppen und sonstige Schlafplätze an sie.

Im Zuge dieser Entwicklung sei es zu einer Eskalation der Gewalt, von Verbrechen, Prostitution und Vergewaltigungen gekommen, wie es sie nie zuvor in dieser Gegend gegeben habe. HIV und Aids seien hier bislang unbekannt gewesen, nun werden immer mehr Mädchen und junge Frauen durch Wanderarbeiter infiziert. Immer mehr junge Menschen würden auf die schiefe Bahn geraten, schwänzten die Schule und lungerten herum. Durch die vielen Gastarbeiter sei die Bevölkerung in kurzer Zeit sehr stark gewachsen. Es fehlten nicht nur Wohnungen, sondern es mangele auch an sanitären Anlagen und einer ausreichenden Gesundheitsversorgung, zumal die gesundheitlichen Probleme durch den Bergbau riesengroß geworden seien. Viele Menschen litten an der sogenannten schwarzen Lunge und hätten Atemschwierigkeiten. Ihre eigene Stimme, so Caroline Ntaopane, sei heiser, weil sie vor kurzem in einem der Abbaugebiete gewesen sei. Es gäbe weder genügend Ärzte noch Krankenhäuser, sondern videogestützte Einrichtungen, sogenannte TV-Krankenhäuser. Die Behandlungen seien nicht ausreichend, die Betroffenen müßten immer wiederkommen. Solange sie an diesen Orten blieben, gäbe es für sie keine Besserung, doch wohin sollten sie gehen?

Ein weiteres Riesenproblem sei der extreme Wasserverbrauch. Der Bergbau verbrauche alles Wasser vor Ort. Die Menschen müßten mit Wasser von außerhalb versorgt werden und stünden oft stundenlang an. Da in Südafrika eine allgemeine Wasserknappheit herrsche, gäbe es für dieses Problem keine Lösung. Und wie in der Provinz Mpumalanga sei es auch in Lephalale so, daß die Bevölkerung nicht von der im Kraftwerk produzierten Elektrizität profitiert. Für den Bergbau wurden manchmal schon ganze Dörfer umgesiedelt. Dorfgemeinschaften, die zuvor auf einer Gemeinschaftskoppel Viehzucht betrieben hatten, wurden dadurch gezwungen, den gesamten Tierbestand zu verkaufen. Das habe weitreichende Folgen. In der Generation ihrer Eltern seien die Menschen im allgemeinen wenig gebildet, sie hätten weder einen Beruf noch ein regelmäßiges Gehalt. Da sei es üblich gewesen, Vieh zu verkaufen, um den Kindern eine bessere Schulbildung zu ermöglichen, was nach einer solchen Umsiedlung nicht mehr gehe.

Beide Orte gelten inzwischen als Hotspots der Luftverschmutzung. Die Regierung behaupte, sie würde Maßnahmen ergreifen, damit die Situation in Lephalale, wo erst später mit dem Bergbau begonnen wurde, nicht so schlimm werde wie in Mpumalanga. Doch es geschähe nichts, und in Mpumalanga sei es so, daß die Maßnahmen, die den Feinstaub reduzieren sollten, nicht griffen. Tatsächlich werden noch weitere Kraftwerke gebaut, die noch mehr Bergbauunternehmen und Förderstellen nach sich ziehen. Bislang sind hier 19 Unternehmen in den Bergbau involviert.


Das Kraftwerk in Großaufnahme - Foto: By JMK (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Ein Quell für Menschenrechte? Das Medupi-Kraftwerk in Lephalale, Südafrika
Foto: By JMK (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons


Bohrende Fragen

Ihre Organisation - ActionAid - kämpfe dafür, daß diese Unternehmen wenigstens für die Verluste, die den Menschen durch den Bergbau zugefügt werden, Entschädigungen leisten müßten. Es gäbe allerdings noch nicht einmal eine Plattform, auf der die südafrikanische Regierung mit den Unternehmen verhandeln könnte. Wie aber, so fragte Caroline Ntaopane, könnten sie mit diesen Forderungen jemals durchdringen, wenn der südafrikanische Staat weder diese Verletzungen der Menschenrechte noch die durch den Bergbau an den Landschaften und Nutzflächen sowie den Menschen und ihrer Kultur angerichteten Schäden anerkennt und respektiert?

Am Ende ihres Vortrags fragte sie, ob wir wirklich zu diesem Preis Wachstum bräuchten. Leider gäbe es zu diesem Konzept in Südafrika keine alternativen Denkansätze. Die Verfassung ihres Landes helfe da wenig. Sie könne zwar als eine der fortschrittlichsten der Welt angesehen werden, doch sie werde einfach nicht respektiert. Laut Verfassung haben die in Südafrika lebenden Menschen zum Beispiel das Recht, in einer gesunden Umwelt zu leben, auch wird der Zugang zu ausreichendem Wasser garantiert. Doch das nütze alles nichts, und so sei es für sie ein eklatanter Widerspruch, daß die Regierung Südafrikas in den UN-Treaty-Verhandlungen versichert, verbindliche Rechte schaffen zu wollen, aber es gäbe keine Möglichkeit, diese Rechtsverbindlichkeit auch einzulösen.

Laut Verfassung Südafrikas müsse die Umwelt heute und für künftige Generationen geschützt werden. Tatsächlich sei es so, daß es sehr gravierende Umweltschädigungen gibt und nicht ein Verantwortlicher darüber auch nur ein einziges Wort verliert. Ebensowenig werden die daran beteiligten Unternehmen zur Rechenschaft gezogen. Im Gegenteil: Sie können sogar noch weitere ihrer Vorhaben umsetzen, und so werden nach wie vor die Rechte der Gemeinden mit Füßen getreten. Die Unternehmen verfügten über großen Einfluß und könnten die Grenzwerte, Normen und Standards ihren Absichten und Interessen gemäß durchsetzen. Der Staat erteile ihnen die dafür erforderlichen Lizenzen, ohne daß irgendjemand dagegen Einspruch erhebe.


C. Ntaopane mit Mikrofon und Laptop - Foto: © 2016 by Schattenblick

Die Rechte der Gemeinden mit Füßen getreten
Foto: © 2016 by Schattenblick

Warum haben wir überhaupt diese Verfassung? so die rhetorische, um nicht zu sagen bittere Frage der Referentin. Und wie könne den Unternehmen diese Macht genommen werden, etwa durch die Instrumente eines neuen UN-Abkommens, über das an diesem Abend gesprochen wird? Theoretisch würde dadurch ein Verfahren in Gang gesetzt werden können, in dem die Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden. Doch wie, so die nächste bohrende Frage Caroline Ntaopanes, sollte so etwas jemals durchgesetzt werden können, wenn es für einen solchen Prozeß keine Unterstützung seitens der Politik gibt und diese Rechte nur auf dem Papier stehen, aber in der Praxis gar nicht angewendet werden? Anfangs habe sie die Verfassung für sehr wichtig gehalten, weil sie das einzige rechtliche Mittel sei, das die Bevölkerung Südafrikas in der Hand habe - von einem UN-Treaty, sollte es eines Tages dazu kommen, einmal abgesehen. Die in einem solchen Abkommen niedergelegten Menschenrechte müßten den Gemeinden Schutz bieten vor Mißbrauch und Gewalt und sollten die Unternehmen zwingen, für die von ihnen verursachten Schäden aufzukommen, so das keineswegs enthusiastische Fazit der südafrikanischen Menschenrechtsaktivistin.

Die von ihr gestellten Fragen beruhten, was niemand auf der Veranstaltung in Zweifel zu ziehen sich veranlaßt sah, auf den Erfahrungen, die wohl viele engagierte Aktivistinnen und Aktivisten im heutigen Südafrika im Kampf um die Durchsetzung sozialer Menschenrechte schon gemacht haben. Ihre Skepsis gegenüber der Regierung Südafrikas, die, obwohl sie den sogenannten UN-Treaty-Prozeß mit auf den Weg gebracht hat, im eigenen Land faktisch eine kontraproduktive Politik betreibt, hätte die Diskussion um die Kernfrage der Veranstaltung, nämlich ob wir ein internationales Abkommen für Wirtschaft und Menschenrechte brauchen, beflügeln können, bot sie doch Anlaß und Gelegenheit zu Selbstreflexion und -kritik.

Wie sinnvoll kann es tatsächlich sein, im Rahmen der bestehenden internationalen Institutionen ein weiteres Rechtsinstrument schaffen zu wollen, wenn sich an den existierenden Regelungswerken und ihrer praktischen Umsetzung bereits ablesen läßt, daß legalistische Prinzipien und Instrumente auf Gewalt- und Machtverhältnissen beruhen, was nichts anderes bedeutet, als daß ihr funktionaler Kern darin besteht, bestimmten Interessen zur Durchsetzung zu verhelfen und anderen eben nicht? Und steht nicht sogar, schlimmer noch, zu befürchten, daß gerade auch die Menschenrechtsagenda vollständig vereinnahmt und instrumentalisiert wird durch eine global agierende, zutiefst miteinander verwobene Elite aus Politik, Wirtschaft und unter Umständen sogar Teilen der sogenannten Zivilgesellschaft? Die Eingangsbemerkung von Caroline Ntaopane, für sie hätten die Themen Menschenrechte und Wirtschaft eigentlich nichts miteinander zu tun, war sicherlich ein Fingerzeig in dieser Richtung.

(Fortsetzung folgt)


Fußnoten:

[1] Siehe das Interview mit Jens Martens im Schattenblick unter www.schattenblick.de → INFOPOOL → POLITIK → REPORT:
INTERVIEW/324: Lebens- oder Wirtschaftsrecht - Regulation unvermeidlich    ... Jens Martens im Gespräch (SB)

[2] Siehe den ersten Teil des Berichts im Schattenblick unter www.schattenblick.de → INFOPOOL → POLITIK → REPORT:
BERICHT/245: Lebens- oder Wirtschaftsrecht - ein Abwasch und los ... (1) (SB)

[3] http://www.actionaid.org/south-africa/what-we-do


Weitere Beiträge zur Veranstaltung "Wirtschaft und Menschenrechte" im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFOPOOL → POLITIK → REPORT:

BERICHT/245: Lebens- oder Wirtschaftsrecht - ein Abwasch und los ... (1) (SB)
INTERVIEW/324: Lebens- oder Wirtschaftsrecht - Regulation unvermeidlich    ... Jens Martens im Gespräch (SB)

18. Oktober 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang