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BERICHT/349: Medien in Haft - unfrei aber marktgerecht ... (SB)


Die Fernseh-Berichterstattung hat mir oft zu viel Schlagseite: Eurozentristisch mit einem starken Hang zu US-liebedienerischer Darstellung, regierungsfromm mit Blick auf Berlin, antirussisch und antichinesisch, ignorant gegenüber geopolitischen Entwicklungen, unvollständig und tendenziös in ihren Bildern aus Lateinamerika, noch defizitärer hinsichtlich aller Afrika betreffenden Nachrichten, agitatorisch, propagandistisch und desinformativ.
Volker Bräutigam [1]


In der Gesellschaft der Bundesrepublik, die von einer fundamentalen Widerspruchslage geprägt und durchdrungen ist, zählt der Kampf um die Deutungsmacht zu den zentralen Achsen der Herrschaftssicherung. Wenngleich diese auf einem Arsenal materieller Zwangsmittel und struktureller Verfügung gründet, bedarf sie zugleich einer unablässigen ideologischen Zurichtung, um die Beteiligung der ihr unterworfenen Menschen zu gewährleisten. Staatsräson nach innen und außen auf dem Stand aktueller Auseinandersetzungen und darüber hinaus in Vorwegnahme angestrebter Zukunftsentwürfe produziert in diesem Sinne Deutungsmuster, die Zustimmung schaffen und Widerstand aus dem Feld schlagen sollen.

In Zeiten einflußreicher organisierter Gegenbewegungen und konkurrierender Gesellschaftssysteme konnte man noch im klassischen Sinne von Propaganda sprechen, da die Existenz widerstreitender Grundauffassungen präsent und weithin bewußt war. Das schloß bekanntlich die Desinformation nicht aus, von der massiv Gebrauch gemacht wurde, aber zugleich das Wissen um eine zumindest potentiell mögliche Gegenposition ein. Mit dem Untergang der realsozialistischen Staatengemeinschaft, dem Niedergang der deutschen Linken und der Befriedung gewerkschaftlicher Kämpfe setzte sich eine Phase innovativer Deutungsmacht durch, die sich als Übergang zur Denkkontrolle charakterisieren ließe. Der proklamierte Sieg im Kampf der Systeme erklärte die kapitalistische Wirtschaftsweise zur einzig gültigen Gesellschaftsordnung und alle davon abweichenden Systeme und Modelle für obsolet. Antikapitalistische Ansätze wurden als anachronistisch entsorgt, und es griff in zunehmendem Maße eine Vorstellungswelt, in der radikale Gegenentwürfe nicht mehr zu existieren scheinen und schließlich nicht einmal mehr gedacht werden, weil sie hinter dem Horizont vermeintlicher Realität verschwunden sind.

Daß dies trotz wachsender Nöte und Sorgen zahlloser Menschen, die von den Zähnen und Klauen der herrschenden Verhältnisse zeugen, durchgesetzt werden konnte, bedurfte einer neoliberalen Durchdringung aller Lebensbereiche bis hinein in die körperliche Verfassung. Diese aus den Krisen der Kapitalverwertung geborene Strategie zur Fortschreibung der Produktionsverhältnisse erklärte den sogenannten Markt und seine angeblichen Gesetze zur alleinigen Bühne menschlichen Verkehrs, der gegenüber soziale gesellschaftliche Bezüge irrelevant seien. Die Verantwortung des Staates für seine Bürgerinnen und Bürger wird forciert abgebaut, kollektive Organisationsformen schwinden, der Mensch ist individualisiert und als konkurrierendes Marktsubjekt selbst für sein Schicksal verantwortlich.

Dabei gehen materieller Umbau der Gesellschaft etwa durch die Agenda 2010 und Hartz IV wie auch viele andere Grausamkeiten Hand in Hand mit der ideologischen Okkupation und Verengung des Bewußtseins. Die ausweglos anmutenden Lebensverhältnisse korrespondieren mit einer Einschränkung des Denkens, die nicht mehr als solche wahrgenommen wird. Die erschreckende Diskrepanz zwischen dem Hereinbrechen multipler Krisen und der unterentwickelten Befähigung zu einer fundierten und radikalen Auseinandersetzung mit den wesentlichen Zusammenhängen und Entwicklungen ist in diesem Sinne das Resultat eines komplexen, gezielt vorangetriebenen Prozesses der Herrschaftssicherung im Zeitalter schwerster Verwerfungen menschlicher Existenz.


Projektion 'Die Macht um acht. Der Faktor Tagesschau' - Foto: © 2019 by Schattenblick

Foto: © 2019 by Schattenblick

"Systematische Meinungsmache und medialer Herrschaftsmißbrauch"

Beim Jour Fixe 178 der Gewerkschaftslinken Hamburg [2] zum Thema "Systematische Meinungsmache und medialer Herrschaftsmißbrauch" am 4. September im Curio-Haus war Volker Bräutigam zu Gast. Der Journalist war von 1975 bis 1996 Mitarbeiter des NDR, davon zehn Jahre in der ARD-Tagesschau. Zusammen mit Uli Gellermann und Friedhelm Klinkhammer hat er das Buch "Die Macht um acht. Der Faktor Tagesschau" (2017) [3] geschrieben. Die Autoren kritisieren das "Flaggschiff" der ARD, das sich zu Unrecht als verläßliche, unabhängige und seriöse Informationsquelle für die wichtigsten Nachrichten des Tages ausgebe. ARD-aktuell bietet ihres Erachtens keine durchweg sachgerechte, um Objektivität bemühte Information, sondern häufig nur eine Mixtur aus prowestlicher, oberflächlicher, konformistischer Politikdarstellung, Unterhaltung, Sportberichten und Wetteraussichten. "Nach 15 Minuten Tagesschau weiß man, was die Regierung denkt und was die Republik denken soll. Darüber, was warum unter den Tisch fällt, gilt es nachzudenken - und zwar gründlich."

Als ehemaliger Insider weiß Bräutigam zu berichten und einzuschätzen, was sich im Laufe der Jahre im Nachrichtenjournalismus zum Schlechteren verändert hat. Am Beispiel der Tagesschau legt er dezidiert dar, warum die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seines Erachtens ihren verfassungsmäßigen Programmauftrag nicht mehr erfüllt. Sie entspreche nicht den Anforderungen der Kommunikationsfreiheit und der im Rundfunkstaatsvertrag festgehaltenen Bildungs- und Informationsverpflichtung, den Geboten der vielfältigen und freien Meinungsbildung, der unabhängigen Berichterstattung und Staatsferne.


Stehend hinter dem Tisch - Foto: © 2019 by Schattenblick

Dieter Wegner führt durch den Abend
Foto: © 2019 by Schattenblick

Drei tiefgreifende Zäsuren im deutschen Informationswesen

Gut 70 Jahre nach ihrem zweiten Start in Deutschland ist unsere Demokratie nur noch eine bürokratische Hülle, konstatiert Bräutigam. Er geht davon aus, daß ihre innere Substanz von einer Kumpanei aus Wirtschaft, Politik und Massenmedien jeden Tag neu beerdigt wird. Politische Vielfalt, umfassende Information und der faire Austausch von Meinung und Gegenmeinung existieren kaum noch. Die Leitmedien schweigen darüber, daß Parlament und Regierung das Völkerrecht brechen, indem sie die Bundeswehr nicht aus aller Welt zurückzuholen und auf ihren grundgesetzlichen Auftrag zur Landesverteidigung beschränken. Sie ignorieren, daß eine superreiche Oberschicht das Land und seine weniger begüterten Bürger systematisch ausraubt. Sie blenden die Zerstörung der Systeme zur Daseinsvorsorge aus. Sie schweigen über den Zerfall einer einst hochentwickelten Infrastruktur.

An Informationsquellen mangelt es nicht. In Deutschland gibt es Hunderte Hörfunk- und Fernsehkanäle, zwölf öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und als Flaggschiff des deutschen Nachrichtenjournalismus die Tagesschau. Doch was bewirken sie? Zwei Drittel der Bevölkerung sind zwar gegen Einsätze der Bundeswehr im Ausland, doch Jahr für Jahr verlängert das Parlament die Mandate und fügt neue hinzu. Protest dagegen gibt es nicht. Drei Viertel der Bürger sind gegen die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Sie wurde trotzdem von Regierung und Parlamentsmehrheit durchgesetzt. Auch diese Mißachtung wurde von den Leitmedien nicht massiv verurteilt. Der Bundeswehreinsatz in Syrien ist völkerrechtswidrig, sagt der wissenschaftliche Dienst des Bundestages. Aber dem Parlament ist das egal, und die Tagesschau meldet es nicht einmal. 80 Prozent der Bevölkerung finden unsere Gesellschaft ungerecht, die Schere zwischen Armut und Reichtum klafft immer weiter auseinander. Aber 65 Prozent der Wähler sind mit der Arbeit der Regierung zufrieden, melden die Tagesthemen. Haben wir es mit einem dissoziativen Denken von Befragungsopfern der Demoskopen oder mit dem Ergebnis einer Manipulation seitens der Leitmedien zu tun? 42 Prozent der Bevölkerung halten nach einer neuen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des WDR die Massenmedien nicht mehr für glaubwürdig. Doch der öffentlich-rechtliche Rundfunk zeigt sich davon vollkommen unbeeindruckt.

Drei tiefgreifende Zäsuren haben den aufklärungs- und demokratiefeindlichen Zustand des Informationswesens verursacht. Erstens die Zulassung des Kommerzfunks 1984. Vergleicht man eine Tagesschausendung von 1979 mit einer von heute, fallen einem fundamentale Unterschiede auf. Damals bestand noch eine gewisse Distanz zwischen Politik und Journalismus. Charakteristisch dafür war seinerzeit die Spiegel-Affäre, an deren Ende Verteidigungsminister Strauß den Hut nehmen mußte. Ein vergleichbarer Fall von Konfliktbewältigung und kritischer Distanz zwischen Politik und Medien ist heutzutage unvorstellbar. Da konnte die vormalige Verteidigungsministerin von der Leyen 300 Millionen Euro für Beraterverträge verpulvern und damit auch noch einem ihrer Söhne etwas Gutes tun. Berichte darüber blieben vollkommen folgenlos.

Zweitens der Anschluß der DDR an die BRD. Damit entfiel die Möglichkeit zum unmittelbaren Vergleich unterschiedlicher Gesellschaftssysteme. Wo aber Vergleichsmöglichkeit und Begründungszwang im gesellschaftlichen Kräftemessen wegfallen, gehen auch Chancen für kritische Auseinandersetzung verloren und damit auch die Qualität von Nachrichten.

Drittens die Digitalisierung der Nachrichtenübermittlung seit Mitte der 80er Jahre. Sie führte zu einer verheerenden Vervielfachung der Nachrichtenmenge, zu einem weitreichenden Verlust an Überschaubarkeit, Überprüfbarkeit und qualifizierter Beurteilbarkeit.

Heute sind drei Viertel der täglichen Nachrichtenangebote für den Durchschnittszuschauer vollkommen wertlos und mindestens die Hälfte vom Rest ist für ihn sogar ausgesprochen schädlich. Wir mutieren vom engagierten Nachrichtenrezipienten zum apathischen Informationskonsumenten, bilanziert Bräutigam.


Beim Vortrag am Tisch sitzend - Foto: © 2019 by Schattenblick

Volker Bräutigam
Foto: © 2019 by Schattenblick

Ideologie verschränkt Wahres mit Unwahrem

Anhand verschiedener Beispiele wie des Konflikts um die Krim, des angeblichen Giftgaseinsatzes der syrischen Regierung oder der Anerkennung des selbsternannten Präsidenten Gaido in Venezuela erläuterte der Referent die ideologische Manipulation seitens der Tagesschau. Diese berichtete am 18. März 2019 zum fünften Jahrestag der "Annexion" der Krim durch Rußland, die "Weltgemeinschaft" betrachte die Schwarzmeerhalbinsel nach wie vor als Teil der Ukraine. Der Begriff "Annexion" ist völkerrechtlich präzise als "gewaltsame, widerrechtliche Besetzung und Aneignung eines fremden Gebietes" definiert. Auf der Krim hat 2014 jedoch keine russische Invasion stattgefunden, vielmehr wurden zwei Volksabstimmungen durchgeführt. Im ersten Referendum wurde die Trennung der Krim von der Ukraine beschlossen, in der zweiten das Gesuch um Aufnahme in der russischen Föderation. Von einer Gewaltanwendung kann keine Rede sein. Allerdings wurde die ukrainische Verfassung gebrochen, soweit sie überhaupt noch existierte, denn nach dem Maidan-Putsch herrschte praktisch Chaos. Bezüglich der Krim liegt also ein Bruch nationalen Rechts vor, jedoch kein Bruch des internationalen Rechts.

Der Verweis auf die "Weltgemeinschaft" stützt sich formal auf eine Resolution der UN-Generalversammlung, die das Krim-Referendum für ungültig erklärt. Indessen sind die UN gar nicht befugt, regionale Referenden für gültig oder ungültig zu erklären, da die UN-Charta kein Wort über solche Volksabstimmungen enthält. Zweitens sind die Beschlüsse der Generalversammlung nicht bindend, da nur der Sicherheitsrat bindende Beschlüsse fassen kann. Neben dem Sicherheitsrat wäre noch der Internationale Gerichtshof in Den Haag befugt, rechtswirksame Entscheidungen zu treffen, der aber in dieser Frage nie angerufen wurde. Hinzu kommt, daß 100 von 193 Staaten der Resolution zustimmten. Elf waren dagegen, 58 enthielten sich und 24 Staaten nahmen an der Abstimmung nicht teil. In den 100 Staaten, die zustimmten, lebt nur ein Viertel der Weltbevölkerung, und ihre Regierungen sind abhängig von den USA. Oder sie sind innerhalb der eigenen Grenzen mit Sezessionstendenzen konfrontiert wie Spanien mit Katalanen und Basken, Frankreich mit Korsen und Bretonen, Großbritannien mit Schotten und Iren, Italien mit den Südtirolern, die Türkei mit den Kurden. Das sind klassische Beispiele von Befangenheit in unserer engsten Nachbarschaft. Von einer "Weltgemeinschaft", die hinter der Resolution stehe, kann also keine Rede sein, unterstrich Bräutigam.

Über die Ideologie schrieb Karl Marx, sie verschränke stets das Wahre mit dem Unwahren, was er am Beispiel des Arbeitsvertrages erläutert. Nicht nur der Arbeitgeber ist frei, sondern auch der Arbeitnehmer, und zwar frei von feudaler Statusbeschränkung. Da beide freie Bürger sind, sind sie auch beide gleich. Frei und gleich. Aber ihr Arbeitsvertrag begründet Unfreiheit und Ungleichheit. Der Arbeitnehmer muß sich der Weisung des Arbeitgebers beugen, wenn er nicht verhungern will. Wahr und zugleich grundfalsch ist die Aussage, die beiden seien frei und gleich.

Es sei ein Wesensmerkmal der Tagesschau, Wahres mit Unwahrem zur Ideologie zu verschränken. Der deutsche Journalismus weiß heute, daß weder Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen hatte noch daß Libyens Gaddafi gefährlich war. Er weiß, daß Afghanistan nichts mit Al Kaida zu tun hatte und nichts mit dem Angriff auf die Zwillingstürme in New York. Er weiß, daß auch der Jugoslawienkrieg ein Unterwerfungskrieg war und beileibe kein Versuch, angeblich drohenden Völkermord zu verhindern. Und die Ukraine? Was auf dem Maidan geschah, interessiert heute keinen mehr. Vermutlich wird man die Manipulation in einigen Jahren ebenso lässig einräumen wie heute die Tonkin-Lüge, mit der die USA 1964 ihren Vernichtungskrieg in Vietnam begründeten. Nicht anders wird man wohl später über die Unterstellung der Tagesschau denken, der Kriegsgrund in Syrien seien Faßbomben und Giftgasangriffe Assads auf sein eigenes Volk gewesen.

Seit 18 Jahren überzieht Washington die muslimische Welt mit dem sogenannten Krieg gegen den Terror. Afghanistan, Irak, Syrien, Somalia, Sudan, Libyen, Jemen und einige Landstriche Pakistans wurden verwüstet. Länder, die sich der amerikanischen Führung widersetzten, wurden militärisch unterworfen. Jetzt wechseln die USA ihr Feindbild, sie erklären China und Rußland zu ihren Hauptfeinden, flankiert von Nordkorea und dem Iran. In den Waffengängen unserer Tage ist der Krieg Zweck an sich, er ist der Wesenskern kapitalistischer Gesellschaften, weil er gleichzeitig Vernichtung und Anhäufung von Kapital ermöglicht. Das ist das Lebenselixier unserer Wirtschaftsweise. Konkretes Ziel dieser Kriege ist das permanente Chaotisieren ganzer Regionen. Allein damit ist der Herrschaftsanspruch der Weltelite und ihr Profitstreben zu befriedigen. Das Schicksal der untergeordneten kleinen Kriegsparteien ist ihr absolut gleichgültig. Sie teilt, herrscht und beutet aus. Es tobt kein Krieg der Kulturen, kein Krieg zwischen politischen Blöcken, in Wahrheit findet der Krieg Reich gegen Arm statt, auf unterschiedlichen Ebenen vom Handelskrieg über Nahrungsmittel-, Ölpreis- und Währungsspekulation bis zum Bombenkrieg, vom lokalen Scharmützel bis zur Konfrontation mit Atomwaffen. Er wird von den Eliten auf kultureller, politischer, wirtschaftlicher und militärischer Ebene gegen die gesamte Menschheit geführt und verwüstet in entsprechend unterschiedlicher Weise ganze Regionen, in die kein Mitglied jener reichen Eliten jemals selbst einen Fuß setzen würde, unterstrich der Referent.

Hingegen sind Wirtschaftssanktionen ein echtes Kriegsverbrechen, wenn sie die Grundversorgung einer Nation mit Wasser, Nahrungsmitteln, Energie und Medizin verhindern. Sie sind laut Genfer Konvention, der UN-Charta und der allgemeinen Menschenrechte verboten. Für die mörderische Wirkung dieser Sanktionen sind 220.000 tote irakische Kinder das grauenhafteste Zeugnis unserer Tage. In Hinblick auf Syrien wird verschwiegen, daß sich der Westen dort tagtäglich eines gleichen Kriegsverbrechens schuldig macht. Was genau wissen wir über Jemen, Libyen, Mali, Niger, Venezuela, Kolumbien, Hongkong, Westchina, Kaschmir? Nachrichten der Tagesschau über diese Kriegs- und Konfliktregionen erscheinen oft als Inbegriff von Propaganda, als Zynismus, Rechtsnihilismus, Rohheit und Ignoranz. Vor unseren Augen wird das internationale Rechtssystem in Trümmer gelegt. Egal, ob man ARD, ZDF, Deutschlandfunk oder einen der kommerziellen Sender einschaltet, der Tenor ist immer derselbe. Der Westen versammelt das Gute, Russen und Chinesen sind böse, und die Dritte Welt spielt keine Rolle. Sie findet in den Nachrichten gar nicht statt, wenn sie nicht gerade wichtige Rohstoffe besitzt oder wertvolle Europäer und US-Amerikaner mit Ebola verseucht, vielleicht Schauplatz einer Naturkatastrophe oder eines kleinen Genozids ist. Sonst nicht.


Referent zeigt stehend auf eine Landkarte des Nahen Ostens - Foto: © 2019 by Schattenblick

Umkämpfte Region, umstrittene Deutungsmacht
Foto: © 2019 by Schattenblick

Nachrichtenagenturen steuern unser Bild der Welt

In jeder Sekunde fallen weltweit unzählige Nachrichten an. Sie entspringen Quellen wie Regierungen, Parlamenten, Wirtschaftsverbänden und Kultureinrichtungen, Lieferanten sind auch die Militärs, NGOs, Denkfabriken und viele weitere Akteure. Unkontrollierbare Netzwerke wie European Council on Foreign Relations, Bilderberg, Atlantikbrücke oder German Marshall Fund initiieren, produzieren und servieren weltweit massenhaft Informationen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Associated Press beschäftigt allein das Pentagon 27.000 Fachleute ausschließlich für die Öffentlichkeitsarbeit. Man kann davon ausgehen, daß das US-Außenministerium ebenfalls über eine solche Maschinerie verfügt. Selbstverständlich gehören zu allen politischen Machtapparaten auch gut bestückte Abteilungen zur Meinungsformung.

Fast alle Nachrichten durchlaufen diverse Filter, ehe sie das breite Publikum erreichen. Die Nachrichtenagenturen steuern unser Bild von der Welt, sie nehmen die entscheidende Rolle auf dem Medienmarkt ein. Die Tagesschau besteht zu mindestens 80 Prozent aus Agenturmaterial. Weltweit gibt es nur noch drei maßgebliche Agenturen: AP in den USA mit weltweit 4000 Mitarbeitern. Sie gehört US-Medienunternehmen und hat ihre Hauptredaktion in New York. AP-Nachrichten werden von rund 12.000 Medien weltweit verwendet und erreichen dadurch täglich über die Hälfte der Weltbevölkerung. Die halbstaatliche französische Agence France-Presse (AFP) hat ihren Sitz in Paris und ebenfalls rund 4000 Mitarbeiter. Sie versendet pro Tag 3000 Meldungen und 2500 Fotos an Medien in aller Welt. Die vormals britische Reuters beschäftigt etwas über 3000 Mitarbeiter. Sie wurde 2008 vom kanadischen Medienunternehmer Thomson aufgekauft, der zu den 25 reichsten Menschen der Welt gehört. Sitz von Thomson Reuters ist heute New York. Neben diesen drei Marktführern gibt es noch einige kleinere Agenturen, in den deutschsprachigen Ländern ist dies die Deutsche Presse-Agentur (DPA), die als semiglobale Agentur mit rund 1000 journalistischen Mitarbeitern in etwa 100 Ländern tätig ist. Sie ist in Besitz von deutschen Verlagen und Rundfunkbetrieben, hat seit 2010 ihre Hauptredaktion im Berliner Axel-Springer-Haus und kooperiert aufs engste mit der AP.

Kleine Agenturen spielen keine Rolle mehr im Nachrichtengeschäft der westlichen Welt. Viele wurden von den großen geschluckt wie zum Beispiel ADN, die Nachrichtenagentur der DDR, oder der Deutsche Depeschen-Dienst (DDP). Reuters gibt in seinem englischsprachigen Dienst täglich knapp 10.000 Meldungen heraus. Mit Computeralgorithmen wird ausgesucht, was davon auf dem deutschen Medienmarkt Käufer finden könnte. Die entsprechenden Meldungen werden übersetzt und vom deutschsprachigen Reuters-Dienst angeboten. Ähnlich funktioniert auch das Zusammenspiel zwischen AP und DPA. Die schiere Masse der weltweit verfügbaren Detailinformationen ist selbst von großen Nachrichtenagenturen nicht mehr zu bewältigen. Regierungen, Geheimdienste und Wirtschaftsnetzwerke werden für ihre Interventionen nicht direkt tätig, sondern bilden eigenständige Unternehmen mit neutral klingenden Namen für diesen Zweck. Neben den offiziellen Informationsstellen wie dem Bundespresseamt sind auch halbstaatliche und private Institute beteiligt. Beispiele: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Bertelsmann-Stiftung, Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, ifo Institut, Zentrum für Angewandte Politikforschung, etc. In Deutschland nehmen rund 80 Einrichtungen dieser Art Einfluß, ohne daß sie irgendeiner demokratischen Kontrolle unterworfen wären. Sie liefern sogenannte Analysen, zweckgebundene Kurzfassungen und sogar komplette Artikel und Filme an die zentralen Medien. Eines der bedeutenderen Institute ist das Project Syndicate, welches fast 500 Medien in mehr als 150 Ländern zu ihren Kunden zählt.

Das von den Agenturen vorgefilterte Material wird von den Zentralredaktionen der Massenmedien ein weiteres Mal gefiltert. Die Redaktion ARD-aktuell verarbeitet ihre Meldungen in einem computergesteuerten Redaktionssystem. Für die Tagesschau werden die Agenturen AP, DPA, AFP, Thomson Reuters und Sport-Informations-Dienst (SID) eingespeist. Nichtwestliche Agenturen wie TASS, Interfax, RIA Nowosti, Xinhua, Telesur etc. werden nicht einbezogen. Auf die chinesische Xinhua greift die Tagesschau ausnahmsweise dann zurück, wenn sich AP, AFP oder Reuters in ihren Texten auf sie berufen. Aus dem, was nach diesen diversen Filterprozessen übrigbleibt, pickt sich die ARD-aktuell-Redaktion ihre Auswahl heraus, die dann in 15 Minuten ausgestrahlt wird. Daraus resultiert eine extreme Einseitigkeit, die in eklatantem Widerspruch zu der behaupteten unabhängigen, parteipolitisch neutralen und nur der Objektivität verpflichteten Berichterstattung steht.

Journalistischer Ethos unter die Räder gekommen

Daß sich der journalistische Ethos über die Jahre tiefgreifend verändert hat, hängt in hohem Maße mit den Arbeitsbedingungen zusammen. Als Bräutigam 1975 zur Tagesschau kam, war es eine Festanstellung. Nach sechs Monaten war man nicht mehr ohne weiteres kündbar und konnte im Zweifelsfall vor dem Arbeitsgericht klagen. Im Verlauf von zehn Jahren erreichte man im NDR über den Manteltarif abgesichert die Unkündbarkeit. Ein Redakteur, der in einem solchen Arbeitsverhältnis mit der Aussicht auf gesicherte Beförderung und Altersversorgung steht, hat eine andere innere Freiheit als ein Mensch, der von Jahr zu Jahr über einen Zeitvertrag beschäftigt ist und nicht weiß, wie seine Zukunft aussieht. Dieses System wäre zuallererst über die Lösung der sozialen Frage zu ändern.

Damals gab es sechs Sendungen pro Tag in drei Schichten. Jede Schicht hatte maximal zwei Sendungen, die Tagesschau um 20 Uhr war die einzige in ihrer Schicht. Dafür wurde sechs Stunden vorgearbeitet, für 20 Uhr sogar acht Stunden, und anschließend gab es noch Diskussionen. Man konnte in die Archive gehen und lesen und verarbeitete nicht nur die Agenturmeldungen, die vom Ticker als Zettel abgerissen wurden. Man konnte eine eigene Meinung entwickeln und dann frei diktieren, weil Sprache eingängiger und verständlicher ist als Geschriebenes. Der Sprecher las es dann von seinem Blatt vor. Heute sitzen die Redakteure vor den Bildschirmen und verwerten, was die Nachrichtenagenturen liefern. Der Dienstleiter ordnet nach Themen vor, die den Redakteuren zuwiesen werden. Der Redakteur bekommt links auf dem Bildschirm den Text der Agentur und schiebt nach rechts, was gesendet werden soll, samt einigen verbindenden Worten.


Referent sitzend beim Vortrag - Foto: © 2019 by Schattenblick

Aus dem Innenleben eines degradierten Berufsstands
Foto: © 2019 by Schattenblick

Mediale Desinformation in der Außen- und Innenpolitik

Derzeit steht die Bundeswehr in 15 Auslandseinsätzen, die Namen all jener Ländern und Seegebiete, in denen sie präsent ist, dürften nur wenigen allesamt geläufig sein. Die Charta von Paris stellte 1991 ein Ende der Ost-West-Konfrontation und Frieden in Europa in Aussicht. Heute werden die Feindbilder Rußland und China ins Visier genommen, während der Wunsch, Wege aus dem Dilemma zu diskutieren, kaum mehr zu erkennen, Krieg wieder salonfähig geworden ist. Peter Scholl-Latour: "Wir leben in einem Zeitalter der Massenverblödung, besonders der medialen Massenverblödung." Dabei hat es den Krieg gegen den Terror nie gegeben, sondern immer nur Kriege um Rohstoffe, Schneisen für Öl- und Gaspipelines und geostrategische Machtpositionen. Im Jahr 2000 wurden weltweit 402 Menschen von Terroristen getötet. Im Folgejahr, nach den Anschlägen in New York und Washington, griffen die USA Afghanistan an. Danach stieg die Zahl der Terroropfer sprunghaft. 2014 starben bereits 32.727 Menschen bei Terroranschlägen. Der Krieg der USA und der NATO hat bislang zu 1,5 Millionen Toten geführt.

Die Nachrichtensender machen keine Interessen und Zusammenhänge sichtbar. Sie dämonisieren Putin, Assad, Maduro, Kim Jong-un, bis sich ein Krieg zur Befreiung der von ihnen regierten Völker als unvermeidlich darstellen läßt. Daß es in Wirklichkeit um militärischen Vormarsch geht, um libysches Gold, um Phosphor und Erdöl, um syrische Transitstrecken für Öl und Gas aus den arabischen Monarchien, um geostrategische Machtpositionen und in allererster Linie um den Schutz des Petro-Dollars als weltweite Leitwährung, gerät bei solcher Nachrichtengestaltung vollkommen aus dem Blick, was auch deren Absicht ist.

Mit Blick auf die Innenpolitik präsentiert die Tagesschau einmal im Monat 30 Sekunden lang geschönte Statistiken über Arbeitslosigkeit und soziales Elend, während fast täglich Nachrichten über die Börse gesendet werden. ARD-aktuell desinformiert über ein Land, in dem wir nur dann gut und gern leben, wenn wir nicht zu den 7 Millionen Hilfeempfängern gemäß SGB oder zu den 89 Millionen Niedriglohnbeziehern gehören, die in Vollzeit oder einer Nebentätigkeit Löhne unter 10,80 Euro die Stunde bekommen. Wir leben gut und gerne hier, wenn wir nicht auf Grundsicherung gepreßte Armutsrentner oder Schüler aus Hartz-IV-Familien sind, für die es oft nicht einmal zu einem warmen Mittagessen reicht.

Seit Mitte der 80er Jahre wurden die Vorgaben, wer als arbeitslos in die Statistik eingeht, 17mal geändert. Es ging stets darum, die Arbeitslosigkeit künstlich kleinzureden, und so tauchen heute Monat für Monat mehr als 3,5 Millionen Menschen nicht mehr in der Statistik auf, obwohl sie arbeitslos oder fast arbeitslos sind. 250.000 Wohnungslose zum Beispiel, Arbeitslose, die älter als 58 Jahre sind oder aus Krankheitsgründen momentan nicht zur Verfügung stehen, die sogenannten Unterbeschäftigten mit weniger als 15 Arbeitsstunden pro Woche, die Teilnehmer an sogenannten Maßnahmen der Agentur, sie alle gelten nicht als arbeitslos. Hingegen meldet die Tagesschau stets höchstens die Hälfte der tatsächlichen Arbeitslosigkeit. 2015 vergab die damalige Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles einen Forschungsauftrag an die Universität Osnabrück. Untersucht werden sollte die Bereitschaft der deutschen Politik, auf die Interessen der Bürger einzugehen. Der Endbericht hält fest, daß in der Steuer- und Sozialgesetzgebung zwischen 1998 und 2015 die Lage der ärmeren Bevölkerungsschichten vollkommen ignoriert, wahlweise sogar noch verschlimmert wurde. Bevorteilt wurden ausschließlich die Bessergestellten. Alle Gesetze zugunsten der Reichen, vorgeschlagen in Koalitionen von SPD und Grünen, Union und FDP, Union und SPD und beschlossen mit den jeweiligen Bundestagsmehrheiten. Das für die SPD peinliche Ergebnis lag bereit, das Hauptstadtstudio der ARD war informiert, doch die deutsche Öffentlichkeit erfuhr nichts davon, jedenfalls nicht von der Tagesschau.

Gegenöffentlichkeit schaffen

Die BRD ist laut Grundgesetz ein demokratischer Rechtsstaat. Die schlimmste Art der Ungerechtigkeit ist die vorgespielte Gerechtigkeit, schrieb Platon in seinem Hauptwerk "Der Staat" vor 2500 Jahren. In 15 Minuten Tagesschau werden uns demokratische Verfaßtheit und soziale Gerechtigkeit vorgespiegelt. Die tägliche ideologische Dosierung aus Richtigem und Falschem hat uns beigebracht, das Weltgeschehen nicht mehr analytisch-kritisch, sondern nur noch lethargisch-selbstzufrieden zu betrachten. Die Tagesschau ist heute ein Flaschenlager für Qualitätsabfüllungen von Kriegstreiberei, Regierungskonformismus und marktkonformen Auftragsbotschaften, lautet Bräutigams Fazit.

Was können wir tun? Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam haben in den Jahren nach dem Maidan-Putsch etwa 400 Programmbeschwerden an den Rundfunkrat geschickt. Stattgegeben wurde keiner einzigen. Der Rundfunkrat läßt sich vom Management des Senders hofieren und einwickeln. Entscheidend ist aber nicht, was der Rundfunkrat sagt, sondern was man damit an die Öffentlichkeit tragen kann. Die beiden Journalisten haben ihre Vorgehensweise geändert und verbreiten ihre Kritik längst über das Internet, wo sie rund 250.000 Leserinnen und Leser erreichen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist unser Gemeinschaftseigentum und gehört nicht abgeschafft, wie das rechte Kreise fordern, aber reformiert sollte er werden an Haupt und Gliedern, forderte der Referent. Noch einmal Platon: Der Preis für Gleichgültigkeit gegenüber öffentlichen Angelegenheiten ist es, von üblen Menschen regiert zu werden.

In der anschließenden Diskussion wurde der Einwand vorgebracht, von einer medialen Gleichschaltung zu sprechen, sei eine unzulässige Verallgemeinerung. Journalismus könne sich auf den Pressekodex berufen und Sendungen an ihm messen. Zudem gebe es Recherchenetze und investigative Journalisten, die Gegenöffentlichkeit schaffen. Darauf erwiderte Bräutigam, er habe durchaus verallgemeinert, jedoch bezogen auf die Leitmedien und speziell die Tagesschau, weil sie mit 11 bis 12 Millionen Zuschauern pro Tag der Marktführer ist. Zwischen Tagesschau, Heute und den Nachrichten beim Deutschlandfunk könne man kaum noch unterscheiden. Früher gab es faszinierende Gesprächssendungen mit Günter Gaus, einer habe dem andern zugehört, es wurde Argument gegen Argument abgewogen. Die Zuschauer haben es genossen und etwas davon gehabt und gelernt. Wenngleich es auch heute durchaus noch gute Programmangebote gebe, seien sie doch Mangelware geworden.

Linke versus rechte Medienkritik

Ausgehend davon, daß auch die AfD mit ihrem Kampfbegriff "Lügenpresse" von einer Gleichschaltung spricht, nahm die Diskussion um eine Unterscheidung zwischen linker und rechter Medienkritik breiten Raum ein. Nehme man hier keine präzise Abgrenzung vor, drohe die Debatte in das bedrohliche Fahrwasser einer Abschaffung der verbliebenen Presse- und Meinungsfreiheit zu geraten. Dieter Wegner wies darauf hin, daß der Begriff "Lügenpresse" ursprünglich von der KPD 1918 gegen die Hugenberg-Presse ins Feld geführt, später dann von den Nazis übernommen wurde. Bräutigam erinnerte an den Voltaire zugeschriebenen Satz: "Ich teile Ihre Meinung nicht, mein Herr, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie sie äußern können." Diese Fairneß werde im Umgang mit der AfD nicht immer geübt. Man müsse sie nicht mögen, aber zuhören, was sie zu sagen hat, lohne sich in jedem Fall. Vom Austausch von Argument und Gegenargument seien wir weit entfernt.

Der Vorwurf der Rechten gegen die Medien greife zumindest auf, daß nicht wahrheitsgemäß berichtet wird. Darüber könne man nicht einfach hinweggehen, so ein anderer Diskussionsbeitrag. Es gehe jedoch nicht um Lügen, sondern darum, daß die Tagesschau die Stimme der Herrschenden ist. Man dürfe die offiziöse Propaganda nicht gegen rechts verteidigen, müsse aber zugleich deren Ansatz und Stoßrichtung zurückweisen. Daß es einige Übereinstimmungen zwischen rechter und linker Kritik gebe, führte ein weiterer Diskussionsteilnehmer darauf zurück, daß die Rechte Sachverhalte wie die Kriegsfrage aus nationaler Sicht werte, die Linke hingegen aus einer internationalistischen Position. Beide kämen zu der Schlußfolgerung: Kein Kriegseinsatz in Afghanistan und Syrien, jedoch aus unterschiedlichen Gründen. Wenngleich es zutrifft, daß die USA auch die nationalen Interessen Deutschlands mit Füßen treten, geht es der Rechten darum, diese zu Lasten aller anderen Länder hochzuhalten. Ein linker Ansatz weist hingegen zugleich den deutschen Imperialismus zurück. Vergleichbar verhält es sich bei innenpolitischen Fragen, wenn auch die Rechte die offiziellen Statistiken kritisiert, sich aber nur für die deutschen Arbeitslosen interessiert und ausländische Lohnabhängige zum Feindbild aufbaut.

Daraus ließe sich schließen, daß es letztendlich keine Gemeinsamkeit zwischen linker und rechter Medienkritik gibt. Vielfalt, fundierte Berichterstattung und tiefgründige Analyse sind nicht im Interesse der Rechten: Sie wollen im Grunde die Lügenpresse, aber ihre eigene, indem sie Kontrolle über die Medien erlangen.

Wachsende Bedeutung der neuen Medien

In der Diskussion wurde wiederholt die wachsende Bedeutung der neuen Medien insbesondere für eine jüngere Generation gestreift, die den traditionellen Sendern und Formaten den Rang abzulaufen drohen. Das betrifft zum einen die Frage, inwieweit auch die Tagesschau ein Auslaufmodell ist, wenn immer weniger Menschen Nachrichten aus dem Fernsehen beziehen. Zum andern bleibt höchst umstritten, in welchem Maße das Internet als Sphäre einer Gegenöffentlichkeit genutzt werden kann. Das war an diesem Abend nur randläufig Thema, schließt aber nahtlos daran an, wo die sogenannte Informationsgesellschaft auf den Prüfstein einer substantiellen Kritik gelegt wird.


Wegner und Bräutigam beugen sich über einen Stoffbeutel - Foto: © 2019 by Schattenblick

Als kleine Anerkennung ein Überraschungspräsent
Foto: © 2019 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] www.heise.de/tp/features/Bleiben-Sie-ARD-aktuell-gewogen-3379301.html

[2] www.gewerkschaftslinke.hamburg

[3] Uli Gellermann, Friedhelm Klinkhammer, Volker Bräutigam: Die Macht um acht. Der Faktor Tagesschau. Neue Kleine Bibliothek 241. PapyRossa Verlag Köln 2017, 173 Seiten, 13,90 Euro, ISBN 978-3-89438-633-7.


10. September 2019


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