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BERICHT/002: Forum zum 11. September 2001 in Berlin (SB)


Forum zum 11. September 2001 in Berlin


Die Anschläge des 11. September 2001 wurden von vielen Beobachtern und Kommentatoren als epochale Zäsur aufgefaßt. Nichts mehr wäre so wie zuvor, lautete eine gängige Phrase, mit der von vornherein unterstellt wurde, daß der gewaltsame Tod von knapp 3000 Menschen im Herzen einer US-amerikanischen Metropole von ganz anderer Wirkmächtigkeit wäre als der gewaltsame Tod zehntausender in einem Land des Südens. Sieben Jahre später ist die Aufregung um das spektakuläre Ereignis dem politischen Tagesgeschäft gewichen, es besteht kein Anlaß mehr, zu geschichtsträchtigen Vergleichen zu greifen und mit heroischem Pathos vom Stoß ins Herz der westlichen Zivilisation zu schwadronieren.

Business as usual bedeutet heute allerdings, daß die sicherheitsstaatlichen Zumutungen mit einer Aggressivität und Selbstherrlichkeit durchgesetzt werden, für die man in der Prä-9/11-Ära einen doch etwas größeren Aufwand an legitimatorischer Vorbereitung und Befestigung hätte betreiben müssen. Von der Online-Durchsuchung, der Vorratsdatenspeicherung und der Zentralisierung datentechnischer Erfassung der Bevölkerung über das Luftsicherheitsgesetz, die faktische Aufhebung des Trennungsgebots zwischen Geheimdiensten und Polizei sowie das Gesinnungsstrafrecht nach Paragraph 129 a und b bis zur Kriegführung im Irak und in Afghanistan erstreckt sich eine breite Palette entuferter exekutiver Gewalt, deren Einführung oder Verschärfung monokausal auf die Anschläge des 11. September 2001 zurückgeführt wird. Weitere terroristische Attentate haben die Totalität des von US-Präsident George W. Bush ausgerufenen Globalen Krieges gegen den Terror zementiert und die EU-Staaten unter dessen Regime subsumiert. 9/11 jedoch bleibt das katalysatorische Moment und die zentrale Chiffre eines Krieges, der sich längst als ein Projekt der sozialen Transformation und kapitalistischen Herrschaftsicherung globalen Maßstabs erwiesen hat.

Erneut haben in diesem Jahr Deutschlands 9/11-Skeptiker zu einem zweitägigen, öffentlichen Forum in Berlin eingeladen. Anläßlich des siebten Jahrestags der Flugzeuganschläge von New York und Arlington fand im Russischen Haus in der Friedrichstraße am Abend des 4. September eine Podiumsdiskussion statt. Am darauffolgenden Abend wurde am selben Ort die italienische Filmdokumentation "Zero" gezeigt. Ebenfalls am 5. September gaben Jürgen Elsässer, Autor des Buchs "Wie der Dschihad nach Europa kam", und Giulietto Chiesa, Mitglied der SPE-Fraktion im EU-Parlament und Produzent von "Zero", im Bundespressehaus eine Pressekonferenz, bei der sie die Einsetzung eines europäischen Untersuchungsausschusses mit dem Ziel, den tatsächlichen Hergang und die eigentlichen Hintergründe des schwersten und folgenreichsten "Terror"-Anschlags der Geschichte zu ermitteln, forderten. Veranstalter der beiden Abende im Russischen Haus waren die Initiatoren des neuen Nachrichtenmagazins Hintergrund, dessen erste Ausgabe auslag und das künftig alle Vierteljahr erscheinen soll.

Podiumsteilnehmer des Neuen Elf Forums - © 2008 by Schattenblick

Podiumsteilnehmer des 9/11-Forums
© 2008 by Schattenblick


Teilnehmer der Podiumsdiskussion am ersten Abend im Russischen Haus waren neben Elsässer und Chiesa der ehemalige taz-Journalist Mathias Bröckers, Autor der beiden Bücher "Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9." und "Fakten, Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9", der ehemalige Bundesminister für Forschung und Technologie Andreas von Bülow, Autor des Buchs "Die CIA und der 11. September", Jochen Scholz, Oberstleutnant der Bundeswehr a. D. und Publizist, sowie der langjährige WDR-Redakteur Ekkehard Sieker. Die Moderation übernahm Regine Naeckel, Redaktionsleiterin von Hintergrund. Am zweiten Abend stieß Eckart Spoo, langjähriger Korrespondent der Frankfurter Rundschau, der heute die Zeitschrift Ossietzky herausgibt, hinzu. An beiden Abenden war das Auditorium mit über 200 Menschen mehr als gut besetzt.

Der Star der Konferenz war natürlich Chiesa, dessen Film "Zero" am zweiten Abend gezeigt werden sollte und der seit Monaten versucht, im EU-Parlament die Einberufung eines Untersuchungsausschusses zu den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 in den USA zu erwirken. Das Vorhaben wird von den anderen Podiumsteilnehmern unterstützt, denn ein solcher Ausschuß hätte eine unbestreitbare öffentliche Wirkung, wie in den letzten Jahren die Untersuchungen des EU-Parlaments zum weltumspannenden Abhörsystem Echelon des US-Nachrichtendienstes NSA und zu den geheimen Folterflügen und -gefängnissen der CIA in Europa gezeigt haben. Leider stehen die Chancen, daß die EU-Parlamentarier in Sachen 9/11 aktiv werden, schlecht. Als Chiesa im Februar den Film "Zero" in Brüssel vorführte, kamen trotz schriftlicher Einladung von 785 EU-Abgeordneten lediglich sechs und von rund 1000 Journalisten kein einziger.

Der 1940 geborene Chiesa, der früher für die Zeitungen L'Unita und La Stampa unter anderem als Moskau-Korrespondent tätig war und der in den Büchern "The Infinite War" und "Super Plan" Grundzüge der modernen Geopolitik analysiert hat, führt das ablehnende Verhalten der großen Mehrheit seiner Parlamentarierkollegen auf schiere Angst davor, sich bei diesem prekären Thema zu exponieren, zurück. Ihm zufolge wurde der 11. September tabuisiert, so daß die Begründung für den "Antiterrorkrieg" der USA und der NATO praktisch nicht mehr hinterfragt werden kann. Chiesa bezeichnet diejenigen, die die Anschläge des 11. September nicht nur organisiert und durchgeführt haben, sondern die bis heute die Deutungsgewalt über die Hintergründe und den Verlauf der Ereignisse besitzen, als "hochintelligente" Leute, die sich meisterhaft der modernen Medien zu bedienen wissen. Mit "political correctness" wäre ihnen nicht beizukommen und der offenbar auf Jahrzehnte hinaus angelegte "Global War on Terror" (GWoT) nicht zu beenden.

Für Chiesa leben wir seit sieben Jahren in einem "Gewaltimperium", deren Lenker, die US-Neokonservativen und ihre Verbündeten in den übrigen westlichen Industrienationen, für die anstehenden Probleme der Menschheit - Ressourcenverknappung, Schuldenkrise, Klimawandel - nur eine Antwort haben: die militärische. Chiesa bezeichnet die neuen Feudalherren um Bush und Cheney als "Verrückte", die bereit wären, für ihre christlich-fundamentalistischen Werte und die Aufrechterhaltung der militärischen Überlegenheit der USA einen Weltkrieg zu entfachen. Unter dem Vorwand des Kampfes gegen den "internationalen Terrorismus" versuchten sie, die Kontrolle über die Energieressourcen am Persischen Golf und Zentralasien zu erlangen. Über kurz oder lang stehe ein Krieg gegen Rußland und China an, weil diese Länder praktisch als einzige noch verbliebene Widersacher der unipolaren Pax Americana fungierten.

Jürgen Elsässer und Giulietto Chiesa mit Dolmetscherin - © 2008 by Schattenblick

Jürgen Elsässer und Giulietto Chiesa mit Dolmetscherin
© 2008 by Schattenblick


Nach Ansicht Chiesas sind sich die Führungen in Moskau und Peking über die von Washington ausgehende Bedrohung im Klaren. Die Volksrepublik betreibe deshalb seit Jahren konsequent die Modernisierung ihrer Streitkräfte und könnte notfalls die US-Wirtschaft zum Einsturz bringen, würde sie ihre riesigen Dollarreserven plötzlich auf den Markt werfen. Chiesa verglich die Politik Wladimir Putins in den letzten Jahren mit der Strategie des berühmten römischen Diktators Fabius Maximus, der während der Punischen Kriege die direkte Konfrontation mit der Armee des Karthagers Hannibal solange vermied, bis die eigenen Streitkräfte stärker geworden und die des Gegners zermürbt waren.

Nach dem 11. September hat Moskau das US-Militär in Zentralasien Fuß fassen lassen und den Kampf gegen die Taliban in Afghanistan unterstützt, während man daheim Rußlands Schulden abtrug, die Wirtschaft des Landes modernisierte, die Rüstungsindustrie ausbaute und Streitkräfte reformierte. Am 7. August wurde die Welt durch den raschen Sieg Rußlands im Krieg in Georgien Zeuge vom Erfolg der fabianischen Strategie Putins, so Chiesa. Dennoch glaubt der EU-Abgeordnete nicht, daß die US-Politelite von ihren Allmachtsphantasien lassen wird. Er geht davon aus, daß der Demokrat Barack Obama die Präsidentschaftswahl an den Republikaner John McCain verlieren wird, daß dieser die Politik seines Parteikollegen Bush fortsetzen und die Konfrontation mit Moskau und Peking suchen wird.

Von besonderem Interesse waren auch Chiesas Ausführungen zum performativen Charakter der Anschläge. Für den italienischen Politiker ist 9/11 "ein großer Film", das belege auch "die Macht ihres Sieges". Da die Menschen in einem "Bildsystem" lebten, welches ihre Weltsicht determiniere, unterlägen sie in dem Glauben, durch die Medien informiert zu werden, einem verhängnisvollen Trugschluß. Chiesas Vorschlag, sich der Mittel der die Wahrheit definierenden Seite zu bedienen, indem man zahlreiche Nobelpreisträger, Filmstars und andere Prominente dafür gewinnt, die Forderung nach Aufklärung des tatsächlichen Verlaufs der Ereignisse des 11. September 2001 zu unterschreiben, wirkt allerdings in nämlichem Sinne illusionär. Das Blendwerk der propagierten Wirklichkeitsdoktrin zu zerreißen bedarf einer Unbestechlichkeit, über die so hochgradig von partizipatorischen Zwängen und Gratifikationen bestimmte Personen kaum verfügen.

Wie sich die Schattenblick-Redaktion im Gespräch mit Andreas von Bülow überzeugen konnte, beurteilt der ehemalige Bundesminister die Dinge ähnlich pessimistisch. Unter Verweis auf die begeisterte Reaktion der Republikaner auf McCains Ernennung Sarah Palins zur Vizepräsidentschaftskandidatin befürchtet von Bülow, die christlich-fundamentalistische Gouverneurin Alaskas könnte dem inzwischen 72jährigen Vietnamkriegshelden zum Sieg über Obama verhelfen und ihn bereits nach einer Amtszeit als Präsident beerben.

Moderatorin Regine Naeckel, Andreas Bülow und Schattenblickredakteur Riocard O'Tiarnaigh - © 2008 by Schattenblick

Moderatorin Regine Naeckel, Andreas Bülow und Schattenblickredakteur Riocard O'Tiarnaigh
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In der Podiumsdiskussion begründete von Bülow seine Skepsis, mit der er die These von der Urheberschaft Bin Ladens für die Anschläge des 11. September von Anfang an quittierte, mit den Erkenntnissen, die er bei seiner früheren Arbeit als Mitglied des Bundestagsuntersuchungsauschusses zu den Aktivitäten Alexander Schalck-Golodkowskis für die DDR im Bereich der Kommerziellen Koordinierung sowie bei der Recherche für sein 2000 erschienenes Buch "Im Namen des Staates" über die dunklen Umtriebe der westlichen Geheimdienste erlangt hat. Falsche-Flagge-Operationen, bei denen man dem Feind einen unprovozierten Angriff anhängt, seien seit Jahrzehnten gang und gäbe. Wer glaubt, die USA würden keine 3000 Zivilisten für ein höheres geopolitisches Ziel opfern, der habe aus dem vermeintlichen "Überraschungsangriff" auf Pearl Harbor nichts gelernt, so von Bülow, der die machiavellistische Konsequenz, man müsse gelegentlich Opfer wie diese bringen, um die Dinge in Bewegung zu bringen, als funktionales Element im Arsenal der Funktionseliten und Geheimdienste betrachtet. Ähnliches vertrat an anderer Stelle Chiesa unter Verweis auf den fingierten "Golf-von-Tonkin-Vorfall" 1964, der den Vietnamkrieg, der 54.000 US-Soldaten und rund zwei Millionen Vietnamesen das Leben kosten sollte, einleitete.

Von Bülow stimmte Chiesas These von der Tabuisierung des 11. Septembers zu und bekundete, Personen auf höherer politischer Ebene in der Bundesrepublik zu kennen, die ihre Zweifel an der offiziellen Version der Ereignisse ihm gegenüber aus Angst, daß ihnen daraus Nachteile entstehen könnten, nicht eingeständen. Er hob die strategische Übereinstimmung, die Zbigniew Brzezinskis "Großes Schachbrett" und das Manifest "Rebuilding America's Defenses" der neokonservativen Denkfabrik Project for the New American Century auszeichnet, hervor und meinte, daß das Streben Washingtons nach einer globalen Pax Americana einschließlich der Einkreisung und Eindämmung Chinas und Rußlands unabhängig vom Wahlausgang im November in den USA erhalten bliebe.

Angesichts einer solchen Konstellation sei es für Politiker in Europa schwierig, eine eigenständige Außenpolitik zu entwerfen, und unmöglich, den 11. September in Frage zu stellen, so von Bülow. Er belegte den herrschenden Konformitätsdruck mit dem Beispiel, daß selbst ein ausgewiesener Kenner der geopolitischen Sachlage wie Peter Scholl-Latour, der es besser wissen müßte, sich hütete, Anlaß dazu zu geben, als "Verschwörungstheoretiker" stigmatisiert zu werden, um bei den großen Medien nicht in Ungnade zu fallen. Angesichts der Gleichschaltung der Meinungsmacht gab sich von Bülow wenig hoffnungsvoll, was die Chancen einer vollständigen Aufklärung des 11. Septembers betrifft. Er tritt nichtsdestotrotz für dieses Ziel ein, um der katastrophalen negativen Entwicklung der internationalen Politik der letzten Jahre entgegenzuwirken.

Eckart Spoo und Mathias Bröckers - © 2008 by Schattenblick

Eckart Spoo und Mathias Bröckers
© 2008 by Schattenblick


Auf dem Forum zog Mathias Bröckers eine "deprimierende", wenn auch realistische Bilanz siebenjähriger Aufklärungsbemühungen seit den Flugzeuganschlägen. Durch Unterdrückung von Beweisen und Einschüchterung von Zeugen wie dem FBI-Verbindungsmann, Abdussattar Scheich, bei dem im Jahre 2000 die beiden "Terrorverdächtigen" und Flugzeugattentäter in spe, Nawaf Al Hasmi und Chalid Al Midhar, monatelang wohnten, wäre es Bröckers zufolge Politik und Medien in den USA gelungen, das Märchen von der alleinigen Täterschaft des Al-Kaida-"Netzwerkes" und vom großen "Versagen" des US-amerikanischen Sicherheitsapparats zu installieren, das "bis heute durchgeht". Er zeigte sich erschüttert darüber, über welche Macht die Mainstream-Medien über das Denken großer Teile der Bevölkerung verfügen, und warf zu Recht die Frage auf, welchen Wert unsere Meinungs- und Pressefreiheit haben kann, wenn sich die meisten Journalisten blindlings der Kapitalmacht und dem militärisch-industriellen Komplex als Erfüllungsgehilfen zur Verfügung stellen. Unter großem Beifall des Publikums bezeichnete er die Mehrheitsmedien als "Agenten der Verdummung" und äußerte unter Verweis auf die umstrittenen Pläne des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble zur Überwachung des privaten E-Mail-Verkehrs die Sorge, daß die bisherigen Recherche- und Kommunikationsmöglichkeiten des Internets bald starken Einschränkungen unterworfen werden würden.

Auch der Journalist Ekkehard Sieker ist der Ansicht, daß die mediale Gleichschaltung seit dem 11. September 2001 zugenommen hat. Als Beleg für seine These führte er die Berichterstattung über den jüngsten Kaukasasuskrieg an, die von einer eindeutig progeorgischen und antirussischen Tendenz gekennzeichnet gewesen sei. Sieker, der bereits vor Jahren im WDR-Magazin Monitor das Ende 2001 vom US-Militär in Kandahar zufällig "gefundene" Bin-Laden-Video, auf dem der saudische Exilant gegenüber seinen Kumpanen angeblich mit dem Erfolg der 9/11-Operation prahlt, als Fälschung entlarvt hat, erläuterte die perfide Art und Weise, wie die großen Nachrichtenagenturen, Sender und Zeitungen beim Thema "islamischer Terror" unkontrolliert diejenigen Botschaften des Al-Kaida-"Netzwerkes" wiedergeben, die dubiose private US-Sicherheitsunternehmen wie die SITE Intelligence Group von Rita Katz und IntelCenter von Ben Venzke aus dem Internet geholt haben wollen.

Die Tatsache, daß SITE und IntelCenter im Auftrag des Pentagons arbeiten, schürt Zweifel an der Echtheit der von ihnen auf obskuren islamistischen Webseiten zufällig "gefundenen" und anschließend in Umlauf gebrachten Al-Kaida-Videos. Es besteht Grund zu der Annahme, daß SITE und IntelCenter, die ihre Firmensitze in Washington D. C. respektive im nahegelegenen Arlington, Virginia, haben, für eine Operation psychologischer Kriegführung des US-Militärgeheimdienstes eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang verwies Sieker auf verschiedene Fälle der Vergangenheit, wie etwa die von der PR-Firma Hill & Knowlton erfundene Geschichte um die angeblich von Saddam Husseins Soldaten nach dem Einmarsch in Kuwait getöteten "Brutkasten-Babys", mit der die Regierung von George Bush sen. erfolgreich Propaganda für den Golfkrieg 1991 betrieb.

Zur Erzeugung gefälschter Nachrichtenmeldungen im digitalem Zeitalter enthielt Chiesas Film "Zero" eine hochinteressante Szene über eine große Antiterrorübung, an der 2004 das europäische Parlament und die NATO teilnahmen und bei der das CIA-nahe Washingtoner Center for Strategic and International Studies (CSIS) Regie führte. Im Mittelpunkt des großangelegten Manövers stand das Szenario der Zündung einer Atombombe in Brüssel. Im Laufe der Übung wurde den verdutzten EU-Parlamentariern auf Großleinwand ein Bekennervideo Bin Ladens zum ersten "terroristischen" Atombombenangriff der Geschichte eingespielt. Das fiktive Bildmaterial unterschied sich in nichts von den Produktionen, die der ganzen Welt seit dem 11. September alle paar Monate in den regulären Fernsehnachrichten präsentiert werden und auf denen angeblich das leibhaftige Böse zu sehen ist.

Ekkehard Sieker - © 2008 by Schattenblick

Ekkehard Sieker
© 2008 by Schattenblick


Jochen Scholz behandelte in seinen Ausführungen die Frage des Versagens der Luftraumüberwachung durch das US-Militär am 11. September und zeigte durch den Vergleich zu den vorgeschriebenen Prozeduren in Deutschland, daß ein solcher Lapsus, wie ihn sich Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der diensthabende Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs Luftwaffengeneral Richard Myers und ihre Kollegen geleistet haben sollen, eigentlich gar nicht möglich wäre. Als Erfinder des Konzepts des "Air Policing", wie es im NATO-Jargon heißt, nannte Scholz den berühmten US-Luftwaffengeneral Curtis Le May, der auf diese Weise ein zweites Pearl Harbor verhindern wollte. Im Gespräch mit der Schattenblick-Redaktion äußerte Scholz später Zweifel an der unter 9/11-Skeptikern gängigen Theorie von einer kontrollierten Sprengung als Ursache für den Zusammensturz der Zwillingstürme sowie WTC 7 und erwähnte in diesem Zusammenhang eine Bundeswehrstudie, derzufolge Stahlträgergebäude vom Typ des New Yorker World Trade Centers unter nachlassender Statik leiden.

Jürgen Elsässer sorgte für viel Heiterkeit, als er zu Beginn seines Beitrags das Forum selbst als ein "Wunder" und seine Teilnehmer als "das heimliche Netz" bezeichnete. Unter Verweis auf seine eigenen Recherchen der letzten Jahre erinnerte Elsässer daran, daß fünf der wichtigsten mutmaßlichen 9/11-Verschwörer wie der Ägypter Mohammed Atta, der angebliche Anführer der 19 Flugzeugattentäter, und der Pakistaner Chalid Scheich Mohammed, der angebliche Chefplaner der gesamten Operation, in den neunziger Jahren als muslimische Freiwillige auf Seite der NATO am Krieg in Bosnien-Herzegowina und damit an der Zerschlagung Jugoslawiens beteiligt waren. Elsässer, der in seinem neuen Buch "Terrorziel Europa" der Verwicklung westlicher Geheimdienste in die Aktivitäten muslimischer Dschihadisten auf dem Alten Kontinent nachgeht, warnte davor, die enorme öffentliche Wirkung des "Phantoms" Al Kaida zu unterschätzen. Auf Anfrage der Schattenblick-Redaktion verwies Elsässer auf die lange Geschichte der Instrumentalisierung des muslimischen Fundamentalismus durch die US-amerikanischen und britischen Geheimdienste.

Elsässer begründete das Anliegen des Netzwerks, das sich zusammengefunden hat, um die Aufklärung der Ereignisse des 11. September 2001 voranzutreiben, mit der Gefahr, daß ein weiterer großer Anschlag in der Lage wäre, sämtliche bürgerlichen Freiheiten mit einem Schlag zu beseitigen und jede Möglichkeit des demokratischen Widerspruchs zu eliminieren.

Die Vorführung des Films "Zero" [siehe im Schattenblick unter MEDIEN/REDAKTION/Rezension/009] dominierte den zweiten Abend des Forums und ließ wenig Platz für die von den Veranstaltern in den Vordergrund gestellte Frage, wie man die Aufklärung des 11. September vorantreiben könne. An diesem Abend war auch Eckart Spoo zugegen. Der Herausgeber der Zweiwochenzeitschrift Ossietzky trat für die Schaffung eines internationalen 9/11-Tribunals nach dem Vorbild des berühmten Kriegsverbrechertribunals, das 1966 und 1967 den Widerstand gegen den Vietnamkrieg mobilisierte und nach dem englischen Philosophen Bertrand Russell benannt wurde, ein. Unter den anderen Podiumsteilnehmern stieß die Forderung Spoos auf breite Zustimmung, wiewohl es divergierende Meinungen gab, was die Besetzung und die Finanzierung eines solchen Gremiums betrifft.

Trotz der Bemühungen der 9/11-Skeptiker besteht Grund zu der Annahme, daß die Flugzeuganschläge niemals aufgeklärt werden. Wie von Bülow, Bröckers und Sieker selbst betonten, besitzen die offiziellen Versionen zum japanischen Angriff auf Pearl Harbor 1941 und zur Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy 1963 bis heute Gültigkeit, obwohl sie von zahlreichen Historikern widerlegt wurden. Angesichts des Immunisierungspotentials, mit dem die Geschichte der Sieger kanonisiert wird, sind die Aussichten darauf, daß es bei einem politisch so bedeutsamen Ereignis wie den Anschlägen des 11. September 2001 anders sein sollte, gering.

Das ist auch angesichts der vielen Versuche publizistischer Meinungsführer, die Vertreter der Bewegung, die sich die Aufklärung dieses Ereignisses auf die Fahnen geschrieben hat, unter dem pejorativ gemeinten Begriff der "Verschwörungstheoretiker" zu diskreditieren, ihnen wahlweise Antiamerikanismus oder Antisemitismus anzulasten und sie generell als verblendete Fanatiker und paranoide Spinner darzustellen, zu erkennen. Läßt man die Versuche der letzten sieben Jahre Revue passieren, die wohlbegründeten Fragen der 9/11-Skeptiker ins Abseits unseriöser und spekulativer Mutmaßungen zu rücken, dann kann nicht verwundern, daß man sich unter den großen Medien der Bundesrepublik kaum Mühe machte, die Berliner Veranstaltung überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.

Podiumstreffen im Russischen Haus - © 2008 by Schattenblick

Podiumstreffen im Russischen Haus
© 2008 by Schattenblick


Die 9/11-Skeptiker haben den Vorfall 11. September und seine Hintergründe umfassend ausgeleuchtet und verdienen für ihren Mut und ihr Engagement Anerkennung. Mit ihrer Forderung nach Gerechtigkeit und Bestrafung der Verantwortlichen wenden sie sich jedoch an die falsche Adresse, denn die Flugzeuganschläge erfüllen wie andere Provokationsakte im Rahmen der systemischen Bestandssicherung eine wichtige Aufgabe, die fugenlos in das herrschende Krisenmanagement integriert ist.

Es besteht durchaus Anlaß, sich dem initialen Ereignis zu widmen und in Erinnerung zu rufen, daß die Sprachregelung, von der die manichäische Weltsicht der Terrorkrieger gespeist wird, so irrational ist wie jede religiöse Glaubensdoktrin. Um dem Marsch in den diktatorischen Sicherheitsstaat und eine unipolare imperialistische Weltordnung entgegenzutreten, tut Aufklärung not, und zwar gerade dann, wenn sie von der Aussichtslosigkeit einer Minderheitenposition bestimmt ist. Im Getriebe systemischer Regulation hat man es mit Mechanismen der Immunisierung zu tun, denen jede Abweichung ein gefundenes Fressen zur Qualifikation ihres integrativen und selektiven Potentials ist. Aufklärung, die auf emanzipatorischen und revolutionären Gehalt verzichtet, läuft stets Gefahr, von diesen Regulativen kooptiert und korrumpiert zu werden. Jede Wahrheitsdebatte dient sich unter Mißachtung der herrschenden Gewaltverhältnisse allzuleicht der Seite an, die man in der Perfidie ihres Handelns eigentlich bloßstellen wollte.

Wie Ron Suskind in Oktober 2004 in einem Artikel für die New York Times erläuterte, sehen sich diejenigen, die den außenpolitischen Kurs der USA seit Anfang 2001 bestimmen, an keine objektive "Realität" gebunden, sondern bestimmen diese selbst. Will man es mit den Vertretern dieser neomachiavellistischen Praxis ernsthaft aufnehmen, muß man, wenn nicht unbedingt bereit, so zumindest gewillt sein, seine Gegenposition durchzusetzen. Der Komplex 9/11 stellt eben keine historische Zäsur dar, sondern repräsentiert die gerne unterschätzte Fähigkeit kapitalistischer Gesellschaften zur Integration virulenter Widersprüche und Adaption innovativer Verwertungsformen zwecks Durchsetzung herrschender Interessen auf einer höheren Ebene ordnungspolitischer, produktionstechnischer und gesellschaftlicher Organisation.

Eine Anmerkung zum Schluß: Bedauerlicherweise wurde den Redakteuren des Schattenblick vom Veranstalter des 9/11-Forums, Ronald Thoden, nicht gestattet, Tonaufnahmen von der zweitägigen Veranstaltung anzufertigen. Der im Namen der Webseite hintergrund.de und des neuen Magazins Hintergrund auftretende Organisator machte zuerst frühere Probleme mit anderen Medienvertretern wie etwa dem ARD-Magazin Panorama geltend, berief sich zu guter Letzt jedoch auf eine Grundsatzentscheidung der an der Organisation der Veranstaltung Beteiligten, die Bild- und Tonaufnahmen in Eigenregie anzufertigen und dementsprechend über sie zu verfügen. Sein Angebot, um Mitschnitte einzelner Wortbeiträge bei den Veranstaltern nachzufragen, kann den publizistischen Verlust, der durch den Verzicht auf eine eigene Dokumentation und die daraus resultierende umfassende Zitationsmöglichkeit entsteht, nicht wettmachen.

Hier stellt sich allerdings die Frage, wie dem mehrfach auf dem Podium wie im Publikum laut gewordenen Ruf nach einer guten Zusammenarbeit im Sinne einer Gegenöffentlichkeit, ohne die sich die einseitige Gleichschaltung der Staats- und Konzernmedien nicht kritisch hinterfragen läßt, Rechnung getragen werden könnte. Es war nicht die Absicht der Redakteure, einer PR-Veranstaltung beizuwohnen und professionelle Akquisitionsregeln zu verletzen, wie das sicherlich ebensowenig für die Mehrheit der Referenten und Besucher angenommen werden kann. Schlußendlich kann so doch nur die Kooperationsfähigkeit betreffs der ausschließlich von einer kritischen Öffentlichkeit getragenen Inhalte an Oberflächlichkeit und mangelnder Einsatzbereitschaft scheitern.



Zum Thema 11. September siehe im Schattenblick unter BUCH/SACHBUCH:

REZENSION/116: Schölzel, Hg. - Das Schweigekartell (11. September) (SB)
REZENSION/118: Brisard/Dasquié - Die verbotene Wahrheit (Bin Laden) (SB)
REZENSION/133: Mathias Bröckers - Verschwörungen ... des 11.9. (SB)
REZENSION/142: Thierry Meyssan - Der inszenierte Terrorismus (SB)
REZENSION/145: Mosaddeq Ahmed - The War on Freedom (11. September) (SB)
REZENSION/161: Thierry Meyssan - Pentagate (11. September) (SB)
REZENSION/163: Gerhard Wisnewski - Operation 9/11 (11. September) (SB)
REZENSION/166: Andreas von Bülow - Die CIA und der 11. September (SB)
REZENSION/167: Bröckers/Hauß - Fakten, Fälschungen ... des 11.9. (SB)
REZENSION/169: Aust, Schnibben - SPIEGEL-Buch zum 11. September (SB)
REZENSION/172: "Zacarias Moussaoui, mein Bruder" (11. September) (SB)
REZENSION/189: D. Hopsicker - Welcome to Terrorland (CIA-Al Kaida) (SB)
REZENSION/204: O. Schröm, D. Laabs - Tödliche Fehler (11. September) (SB)
REZENSION/213: Gerhard Wisnewski - Mythos 9/11 (Antiterrorkrieg) (SB)
REZENSION/218: Craig Unger - Die Bushs und die Sauds (SB)
REZENSION/227: Ronald Thoden, Hg. - Terror und Staat (Imperialismus) (SB)
REZENSION/258: Jürgen Elsässer - Wie der Dschihad nach Europa kam (SB)
REZENSION/277: Jason Burke - Al-Qaida (Terrorismusforschung) (SB)
REZENSION/363: Gerhard Wisnewski - Verschlußsache Terror (Politik) (SB)
REZENSION/377: Peter Lance - Triple Cross (Spionage/Terrorismus) (SB)
REZENSION/413: L. Wright - Der Tod wird euch finden (Al-Qaida) (SB)

10. September 2008

Sony Center Berlin nahe des Veranstaltungsortes 'Treffen am Turm' - © 2008 by Schattenblick

Sony Center Berlin nahe des Veranstaltungsortes
"Treffen am Turm"
© 2008 by Schattenblick