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BERICHT/023: Deutschland und Israel - Protestkundgebung in Berlin, Teil 2 (SB)


Demonstration gegen die deutsch-israelische Kabinettssitzung in Berlin am 30. November 2009

Anläßlich der für den 30. November geplanten gemeinsamen deutsch-israelischen Kabinettsitzung in Berlin kam es an jenem Vormittag gleich zu zwei Demonstrationen. Die südlich vom Kanzleramt stattfindende Protestkundgebung wurde bereits in einem ersten Bericht geschildert. Die von Christoph Hörstels Neuer Mitte, Jürgen Elsässers Volkinitiative und der Quds-Arbeitsgruppe organisierte Demonstration fand ebenfalls in der "befriedeten Zone", und zwar nördlich des Bundeskanzleramts auf der Wiese zwischen der Willi-Brandt-Straße und der Füßgängerbrücke, die über die Spree zum neuen Hauptbahnhof führt, statt.

Weil die gemeinsame Kabinettsitzung der Regierungen Angela Merkels und Benjamin Netanjahus kurzfristig abgesagt wurde - womit der unmittelbare Anlaß entfallen war - und an einem Werktag stattfinden sollte, hielt sich auch hier die Anzahl der Demonstrationsteilnehmer in Grenzen. Erschienen waren zwischen 30 und 40 Menschen, im Grunde genommen die Organisatoren selbst, ihre Freunde und einige andere Aktivisten. Von den Medien war lediglich ein Kamerateam des iranischen Nachrichtensenders Press TV auszumachen. Die Polizei, die sich dezent im Hintergrund hielt, war in ansehnlicher Stärke mit von der Partie und offenbar auf jede Eventualität vorbereitet.

Man hatte einen Lastwagen organisiert, von dessen Ladefläche aus die Initiatoren kurze Reden an die Versammelten hielten. Den Anfang machte Christoph Hörstel, der das Nichterscheinen Netanjahus - offiziell aus Gesundheitsgründen - für sich verbuchte. Der israelische Premierminister hätte "gekniffen", so der Publizist. Nach einer kurzen Danksagung an die Polizei wegen der guten Zusammenarbeit forderte Hörstel ein sofortiges Ende der deutschen Waffenlieferungen an Israel. Er erinnerte daran, daß der Export von Waffen in Krisengebiete verboten sei, was bedeute, daß die rüstungstechnologische Hilfe Berlins für Israel in Form von U-Booten der Delphin-Klasse nicht nur wegen der damit geschaffenen atomaren Zweitschlagskapazität einen Gesetzesverstoß ungeheuerlichen Ausmaßes darstellt. Hörstel äußerte Unverständnis dafür, daß die deutsche Regierung mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg den Verkauf zweier Fregatten und eines weiteren U-Boots an Israel nicht nur zu genehmigen, sondern auch noch zu subventionieren gedenkt. Abschließend warf er der Bundeskanzlerin, die bei ihrer Rede vor beiden Häusern des US-Kongresses am 3. November Washington und Tel Aviv im "Atomstreit" mit dem Iran die volle Unterstützung Deutschlands zugesichert hatte, vor, eine "Politik des Staatsverrates" zu betreiben.

Gestört wurde die Rede des Afghanistan- und Pakistan-Experten von einer kleinen Rangelei am Rande der Demonstration. Eine Gruppe dreier junger Männer legte sich unmittelbar nach ihrem Erscheinen mit einem Demonstrationsteilnehmer, der auf dem Gehweg Flugblätter an Passanten verteilte, an. Es kam zu einer lautstarken Auseinandersetzung, in deren Verlauf einer der drei Männer dem Flugblattverteiler einen Fausthieb verpaßte. Sofort griff die Polizei ein, um eine Eskalation zu verhindern. Der Gewalttäter wurde von den Ordnungshütern wegeskortiert. Während er einen Platzverweis erhielt, zog er eine israelische Fahne aus der Tasche, schwenkte sie in der Luft und pöbelte sein Opfer und die anderen Demonstranten an, um nach wenigen Minuten davonzuziehen.

Nach Hörstel betrat Jürgen Elsässer die improvisierte Bühne. Der Journalist und Gründer der Volksinitiative bezeichnete die Demonstration als "kleinen Anfang". Er wies auf die unterschiedliche nationale und religiöse Herkunft der Teilnehmer hin, die allesamt in ihrer Gegnerschaft zur Kriegspolitik des Westens im Nahen Osten und Zentralasien vereint seien. Er warnte vor der steigenden Gefahr eines israelischen Überraschungsangriffs auf den Iran mit dem Atomstreit als Vorwand und warf der Merkel-Regierung vor, die "Kriegsfalken" um Netanjahu zu einem solchen Hasardeurstück zu ermutigen. Elsässer schlug stattdessen vor, Berlin solle Washington und Tel Aviv die Gefolgschaft aufkündigen und statt dessen "die Möglichkeiten des Nationalstaates ausloten". Als Beispiel führte er Willy Brandt ins Feld und erinnerte daran, daß dieser als Bundeskanzler im Rahmen seiner Entspannungspolitik erfolgreiche Verhandlungen mit der Sowjetunion geführt hatte. Wenn man damals in Verhandlungen mit dem Kreml eintrat, der über ein gigantisches Nuklearwaffenarsenal verfügte, warum sollte man sich dem Gespräch mit Teheran, das über keine Atombomben verfügt, verweigern, so die berechtigte Frage Elsässers.

Anschließend konterkarierte der früher einmal linksradikale Journalist, der einst zu den Initiatoren der Antideutschen gehörte und nun offensichtlich Politiker werden will, das Verhalten der Bundesrepublik während des Yom-Kippur-Kriegs 1973, als die Brandt-Regierung die westdeutschen Häfen für den Kriegsguthandel sperrte, mit den heutigen Waffenlieferungen des wiedervereinigten Deutschlands an Israel. Von Bundeskanzlerin Merkel verlangte Elsässer eine "Politik der Deeskalation", die auch einen Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan und aus dem Libanon beinhalte. Er lobte die türkische Regierung unter Premierminister Recep Tayyip Erdogan dafür, die Brisanz der aktuellen Lage erkannt und deshalb im Oktober ein seit langem geplantes elftägiges Luftwaffenmanöver mit Israel gestrichen zu haben. Schließlich forderte Elsässer, daß Berlin dem Beispiel Ankaras folgen sollte und erinnerte die Bundeskanzlerin in diesem Zusammenhang an ihren Amtseid, Schaden von Deutschland abzuwenden.

Als nächster sprach Reuven Cabelman von der ultraorthodoxen jüdischen Gruppierung Neturei Karta, die sich aus theologischen Gründen weigert, die Existenz des Staates Israel anzuerkennen. Nach Meinung Cabelmans hat die Gründung Israels "den Haß im Nahen Osten vertieft". Er stellte fest, der Zionismus hätte die Beziehungen zwischen Moslems und Juden verschlechtert und sei die Ursache des wachsenden Antisemitismus. Für Cabelman stünden Zionismus und Judentum im totalen Widerspruch zueinander. Er vertrat den Standpunkt, daß die Thora, das Alte Testament, die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina verbiete. Darüber hinaus meinte er, die Unterdrückung der Palästinenser durch die Israelis stelle eine krasse Mißachtung der in der Thora enthaltenen humanistischen Prinzipien dar. Er warf den Zionisten Nationalismus und Chauvinismus vor, bezeichnete Israel als eine "Gefahr für die Welt" und erklärte, die Regierung Netanjahu gehöre nicht an den gemeinsamen Kabinettstisch mit ihren deutschen Amtskollegen, sondern auf die Anklagebank für Kriegsverbrecher in Den Haag.

Brigitte Queck von Mütter gegen den Krieg Berlin/Brandenburg, die als nächste auftrat, widersprach Cabelman gleich im ersten Satz. Queck, die zusammen mit ihren politischen Streitgefährten seit dem Jugoslawienkrieg der NATO einmal in der Woche vor der Gedächtniskirche eine Mahnwache für den Frieden hält, tat das Kriegsverbechertribunal in Den Haag als Propagandainstrument des Westens ab. Von einem solchen "Scheintribunal" sei nichts positives zu erwarten, zumal es den Kriegstreibern des Westens als PR-Instrument diene. Queck machte keinen Hehl aus ihrer Sorge um die anhaltende Besetzung des Iraks, den eskalierenden Krieg in Afghanistan, den zum Erliegen gekommenen Nahost-Friedensprozeß und der Drohungen Israels und seiner Verbündeten gegenüber dem Iran. Vor diesem Hintergrund rief sie dazu auf, daß sich die Gruppen, die in Deutschland für Frieden und Völkerverständigung eintreten, mehr vernetzen sollen.

Anschließend sprach Sevki Karasu von der Organisation for Human Dignity and Rights. Karasu, der Vorstandsmitglied der Islamischen Föderation in Berlin sowie Stellvertretender Vorsitzender des Verbands der türkischen Unternehmen in Berlin (MÜSIAD) ist, meinte, der israelische Staat befinde sich unter anderem durch die Auswanderung von immer mehr Angehörigen gut ausgebildeter Schichten in Auflösung. Er warnte vor der Torschlußpanik israelischer Hardliner, die dem Scheitern des zionistischen Projektes die sogenannte "Samson-Option" eines Atomkrieges vorziehen könnten. Karasu führte die Beispiele Südafrika nach dem Ende der Apartheid-Ära und die Sowjetunion nach ihrem Zerfall in einzelne Nationalstaaten als Beispiel für die Möglichkeit einer "sanften Abwicklung" des Problems vorhandener Atomwaffenarsenale an. Darüber hinaus rief er zu einer Debatte über den Zionismus sowie über die Gewalt der Antideutschen auf. Deren Vorgehen nach SS-Manier erschwere hierzulande jede Diskussion um eine gerechte Lösung des Nahostkonfliktes sowie um ein friedliches Zusammenleben von Juden, Muslimen und Christen in der Region, wenn es eine produktive Debatte nicht ohnehin scheitern lasse.

Sevki Karasu

Sevki Karasu

Anschließend konnte der Schattenblick mit Karasu ein kurzes Gespräch führen. Der vor 35 Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommene Unternehmer meinte, das Merkel-Kabinett sollte die Regierung Israels nicht empfangen, weil diese "die Menschenrechte der Palästinenser mit Füßen tritt". Ursprünglich sei die Organisation for Human Dignity and Rights in Augsburg gegründet worden und habe ihren Hauptsitz erst vor sechs Monaten nach Berlin verlegt. Er gab freimütig zu, daß ihre Mitglieder hauptsächlich Menschen mit Migrationshintergrund, unter ihnen nicht wenige Moslems, seien. Gleichzeitig gab er an, daß man mit vielen christlichen und jüdischen Freunden zusammenarbeite. Die Frage, ob sich sein Verein hauptsächlich für die Menschenrechte von Migranten in Deutschland einsetze, verneinte Karasu. Er und seine Freunde engagierten sich "für die Menschenwürde und die Achtung der Rechte nicht nur der Muslime oder der Migranten in Deutschland, sondern der Menschen überall auf der Welt - besonders in Kriegsgebieten, aber auch in Ländern, in denen Unterdrückungsregimes herrschen".

Auch mit Christoph Hörstel konnte der Schattenblick ein paar Worte wechseln. Auf die Frage nach seiner Motivation als Organisator der Demonstration meinte der frühere ARD-Korrespondent, es sei ihm darum gegangen, "ein Zeichen zu setzen", daß man eine solch "groteske" gemeinsame Kabinettsitzung der "radikalzionistischen" israelischen und der deutschen Regierungen "nicht dulden sollte". Die relativ kleine Anzahl der Demonstrationsteilnehmer hielt ihn nicht davon ab, die Protestveranstaltung als "gelungene Trockenprobe" für den Termin, an dem die verschobene gemeinsame Kabinettssitzung im nächsten Jahr nachgeholt werden soll, zu loben. Er bezeichnete es als "ganz positiv", daß die Kriegsgegner gleich mit zwei Demonstrationen rund um das Kanzleramt den Widerstand gegen die Nahost-Politik Israels und des Westens hatten demonstrieren können.

Vor dem Hintergrund des hochgefährlichen "Atomstreites" des Westens mit dem Iran sei das Solidaritätssignal, das Deutschland mittels einer gemeinsamen Kabinettsitzung mit Israel aussende, "in jeder Form nicht nur sach-unangemessen, sondern regelrecht sach-schädlich". Berlin mache damit klar, daß es die "Kriegsdrohungen gegen den Iran unterstützt", so Hörstel. Er fuhr fort: "Das kann doch nicht wahr sein, angesichts eines Grundgesetzes, das sagt, vom deutschen Boden soll nie wieder Krieg ausgehen. Wie können wir uns mit einer solch prinzipiell verbrecherischen, kriegerischen Regierung so eng tun? Daß wir Nahostpolitik betreiben, ist notwendig. Daß wir mit Israels Regierung sprechen, ist notwendig. Aber daß wir uns so eng mit ihr zusammentun und damit praktisch alles unterschreiben, was diese Regierung tut, denn sonst müßte man ein so aufwendiges Verfahren nicht wählen, halte ich für abwegig und gegen die deutschen Interessen gerichtet."

Christoph Hörstel mit SB-Redakteur

Christoph Hörstel mit SB-Redakteur

Hörstel, der wegen seiner Afghanistan- und Pakistan-Kenntnisse in den außenpolitischen Kreisen Berlins ein geschätzter Gesprächspartner ist, beurteilt die Chance auf eine weniger aggressive, eher friedensgerichtete Nahost-Politik Deutschlands positiv. Er gibt sich überzeugt, daß sich im Bundestag allmählich die Erkenntnis durchsetze, "daß die ewige Eskalationspolitik in Afghanistan und im Nahen Osten sowie die Konfrontationspolitik gegenüber dem Iran allen beteiligten Menschen, die Deutschen eingeschlossen, nichts nützt".

Auf die Frage, ob eine entsprechende Kurskorrektur von einer Bundeskanzlerlin Angela Merkel, einem Außenminister Guido Westerwelle und einem Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zu erwarten wäre, antwortete Hörstel mit einem deutlichen Nein. Wie zuvor bei seiner Rede bezichtigte er Merkel "des Hochverrats an deutschen Interessen". Den neuen Herren des Bendlerblocks bescheinigt er als "einzige Qualifikation", das Produkt "transatlantischer Netzwerke" zu sein. Guttenberg habe von gar nichts Ahnung außer "wie er sich Washington anbiedert", so Hörstel. Ähnlich vernichtend fiel seine Bewertung von Deutschlands neuem Chefdiplomaten aus. Hörstel bezeichnete Westerwelle als einen "willigen Vollstrecker amerikanischer Wünsche". "Diese Kanzlerin, dieses Kabinett, muß weg", so die kategorische Aussage Hörstels.

Mit Erika Köhler vom deutschen Friedensrats (World Peace Council) kam der Schattenblick ins Gespräch. Sie begründete ihre Teilnahme an der Demonstration mit der prinzipiellen Ablehnung der israelischen Besatzungspolitik in Palästina sowie der Kriege im Irak, in Afghanistan und des drohenden Konfliktes mit dem Iran. Auf die Frage, wie eine Lösung des Nahostkonflikts aussehen könnte, meinte sie: "Die muß von Israelis und Palästinensern ausgehandelt werden mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, obwohl dieser, so wie sie zusammengesetzt ist, eigentlich nicht zu trauen ist. Das Ziel muß ein gerechter Frieden für Israelis und Palästinenser sein - ob das die Einstaat- oder die Zweistaatenlösung ist, sollen die Menschen in der Region entscheiden." Beim Streit um das iranische Atomprogramm prangerte sie die "Doppelzüngigkeit" des Westens an. "Es gibt den Nichtverbreitungsvertrag, der die zivile Nutzung der Kernkraft erlaubt. Bevor man auf den Iran oder Nordkorea guckt, müßte man auf die USA, Israel und andere gefährliche Atommächte z. T. mit einer Erstschlagsdoktrin schauen. Das ist doch die große Bedrohung, und das unter anderem von einem Land ausgehend, das eine solche Politik bereits in Hiroshima und Nagasaki realisiert hat. Wie kann man diesem Staat trauen. Die USA und Israel spielen sich auch noch als Moralprediger auf. Das ist doch unerhört!"

Nach der Demonstration lotste Christoph Hörstel die Organisatoren und alle Interessierten in das Lokal "Die Eins", das sich hinter dem Reichstagsgebäude im Erdgeschoß des an der Wilhelm-Straße und am Spree-Ufer liegenden ARD-Hauptstadtstudios befindet. Dort hatte der Schattenblick Gelegenheit, ein etwas ausführlicheres Gespräch mit Reuven Cabelman und seinem Freund Rabbi Josef Antebi zu führen.

Schattenblick: Herr Cabelman, können Sie die Beweggründe für Ihre Teilnahme an der heutigen Demonstration erläutern?

Reuven Cabelman: Wir wollten als orthodoxe und antizionistische Juden ein Zeichen setzen und der Bevölkerung Berlins deutlich machen, daß die ursprünglich geplante Kabinettssitzung zwischen der zionistischen Regierung und der deutschen Bundesregierung im Kanzleramt nicht im Interesse und auch nicht im Auftrag des Judentums geplant war, und daß diese zionistische Regierung keinerlei Recht und Legitimation hat, im Namen des Judentums zu sprechen.

SB: Rabbi Josef, Sie sind extra aus Amsterdam zu der Demonstration angereist. Warum?

Josef Antebi: Wir wollten den Regierungen weltweit zeigen, daß die Zionisten nicht unsere Vertreter sind. Unsere Vertreter sind jene Rabbiner, die die Thora befolgen, und sonst niemand. Über ihnen steht der Allmächtige. Das sind unsere Anführer. Wenn die deutsche Regierung mit irgendwelchen Organisationen über die Belange aller Juden verhandelt, tut sie uns ein Unrecht an, da die Leute, die heute nach Berlin hätten kommen sollen, nicht unsere Vertreter sind.

Rabbi Josef Antebi

Rabbi Josef Antebi

SB: Rabbi Josef, Sie sind in Israel aufgewachsen. Ist das richtig?

JA: Ich bin nicht in dem Staat aufgewachsen, den Sie genannt haben. Ich kenne diesen Namen nicht. Ich bin in Al-Quds in Palästina aufgewachsen.

SB: In der Stadt, welche die meisten Leute als Jerusalem bezeichnen.

JA: Die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, ist Al-Quds, und das Land, in dem ich aufgewachsen bin, heißt Palästina.

SB: Alles klar. Irgendwann meinten Sie, Palästina verlassen zu müssen. Wann war das und was war der Grund?

JA: Vor rund 15 Jahren fingen die Zionisten an, mich zu verfolgen und mit mir Streit zu suchen. Der Hauptgrund waren vermutlich meine politischen Ansichten, doch sie haben das Ganze als Familienstreit zwischen mir und meiner damaligen Ehefrau getarnt. Das machen sie häufig. Sie geben sich als Demokraten heraus, was natürlich heißt, daß jeder das Recht auf freie Meinungsäußerung hat. Äußert man eine freie Meinung, die ihnen nicht paßt, können sie es einem schlecht verbieten. Statt dessen mischten sie sich in meine persönlichen Angelegenheiten ein, behaupteten, ich wäre ein schlechter Ehemann und Vater und sorgten damit für einen Rechtsstreit, an dem schließlich meine Ehe zerbrach.

SB: Und die Verfolgung, die Sie in Palästina erlitten haben, ging das von Vertretern des israelischen Staats wie etwa der Polizei aus, oder waren das Privatpersonen aus zionistischen Organisationen?

JA: Es waren zionistische Organisationen, die mich vor Gericht gebracht haben.

SB: Vor ein ziviles oder ein religiösen Gericht?

JA: Eine Art religiöses Gericht. Diese Organisationen tun so, als wären sie neutral; tatsächlich aber arbeiten sie ausschließlich für den zionistischen Staat. Ich hatte schließlich keine Wahl. Ich mußte nach Amsterdam gehen. Dort haben die Zionisten mich häufig bedroht und mehrmals ohne Erfolg versucht, mich zu entführen. Am 8. März des Jahres 2000 gelang es ihnen doch. Sie brachen in meine Wohnung ein, gaben mir Spritzen, um mich zu betäuben, verpaßten mir Stromschläge und brachen mir einige Knochen.

SB: Dies alles geschah in Amsterdam?

JA: Ja, in meiner Wohnung. Am 8. März 2000. Die Polizei weiß davon. Danach mußte ich einige Zeit im Krankenhaus behandelt werden. Seitdem geht es mir gesundheitlich nicht sehr gut. Ich muß einen Rollstuhl benutzen, wie Sie sehen können. Zwei Monate, bevor ich entführt und gefoltert wurde, starb meine Mutter infolge der Verfolgungen, die ich ausgesetzt war.

SB: In Palästina oder in Amsterdam?

JA: In Al-Quds. Und meinen Sohn habe ich seit 15 Jahren nicht mehr gesehen. Man behauptet, der Grund dafür ist der ganze Scheidungsstreit, aber das stimmt nicht. Der Grund ist, daß man mich wegen meiner Aktivitäten bestrafen oder mich gar dazu bringen will, sie gänzlich einzustellen.

SB: Und diese Entführung, wie lange hat sie gedauert?

JA: Vom Vormittag bis zum Mittag, wie es im Polizeibericht steht. Als es vorbei war, war ich blutüberströmt. Meine Verletzungen waren so schwer, daß die Behörden in den Niederlanden mich als Invaliden anerkannt haben. Bis heute muß ich viele Medikamente nehmen.

SB: Herr Cabelman und Rabbi Josef, sind Sie beide Mitglieder von Neturei Karta?

JA: Ich weiß nicht, ob man mich als Mitglied bezeichnen könnte. Ich bin Jude. Als Jude stimmen meine Ansichten häufig mit denen anderer echter Thora-Juden überein. Es gibt keine Mitgliedskarten oder -listen. Wir stehen in Solidarität zueinander, und die Aktivitäten von Neturei Karta sind großartige, positive Aktivitäten.

SB: Herr Cabelman, fühlen sich die Neturei Karta von den Behörden oder von den Medien in Deutschland wahrgenommen? Wenn man in den Medien oder in der Politik von jüdischen Organisationen hört, handelt es sich häufig um Gruppen, die uneingeschränkte Unterstützung für Israel einfordern und Kritik an Israel für unangebracht halten oder als unzulässig abtun. Dringen Sie mit Ihrer etwas anderen Botschaft überhaupt durch oder werden Sie schlichtweg ignoriert?

RC: Meine persönliche Erfahrung, und die deckt sich im wesentlichen mit den Erfahrungen unserer Freunde in England und den Vereinigten Staaten sowie in Palästina selbst, ist, daß unsere Botschaften und die damit verbundenen Aktivitäten von den Massenmedien im wesentlichen ignoriert werden. Dafür gibt es mehrere Gründe. Der erste Grund ist, daß wir uns in den letzten Jahren selbst dazu aufraffen mußten, uns in die Öffentlichkeit zu begeben, was dem Verhalten eines orthodoxen Juden, der sich eher nicht öffentlich präsentiert oder auf die Straße stellt, nicht unbedingt entspricht. Seit einigen Jahren sind, Gott sei Dank, immer mehr von uns dazu bereit, Flagge zu zeigen und gegen den ungerechtfertigten Alleinvertretungsanspruch der Zionisten Stellung zu beziehen.

Der zweite Grund ist, daß die Massenmedien die Sache einfach für nicht wichtig genug halten und sich nicht trauen, über den orthodoxen Standpunkt gegenüber dem Zionismus zu berichten, Ansonsten wäre der Druck, der von den zionistischen Organisationen käme, die über sehr viel Geld und Macht verfügen, einfach zu groß und zu enorm für sie. Der dritte Grund steht damit in Verbindung. Schauen Sie, es gibt in Deutschland ein sehr großes Presseorgan mit vier Buchstaben. Diese Boulevardzeitung, die ansonsten dazu fähig ist, über jede Kleinigkeit, die in Deutschland passiert, zu berichten, würde niemals einer antizionistischen Position Raum geben, selbst wenn sie von nur zwei Leuten, die heute hier auf dieser Kundgebung erschienen sind, vertreten wird. Das geht schon allein deshalb nicht, weil diese Zeitung durch die Politik ihres eigenen Hauses dazu angehalten ist, keine negative Berichterstattung über den zionistischen Staat zuzulassen. Wir sehen also schon an diesem einen Beispiel dieser großen und mächtigen Zeitung, wie weit Massenmanipulation letztendlich betrieben werden kann, und das natürlich auch bezogen auf das Judentum auf der einen Seite und den Zionismus auf der anderen.

Nehmen wir die Situation in Berlin. Die meisten Juden, die hier leben, haben leider kein Verständnis mehr dafür, was unsere historischen Überlieferungen sind, weil man es ihnen nicht mehr beibringt. Das Berliner Judentum bekommt vom deutschen Staat pro Jahr knappe zwei Millionen Euro, glaube ich, für die Bewirtschaftung der sogenannten jüdischen Gemeinde hier. Die jüdische Gemeinde in Berlin hat sehr viel Einfluß und ihre Führer sind allesamt, auch die jetzigen Vorsitzenden dieser Gemeinde, Unterstützer des Zionismus. Sie würden niemals zulassen, daß antizionistische Positionen, also die ursprüngliche Position des Judentums, eine weitere Verbreitung finden. Daran kann man schon erkennen, wie stark sich der Zionismus in die deutsche Öffentlichkeit hineingefressen hat.

Jeder deutsche Nichtjude identifiziert das Judentum mit dem Zionismus. Jeder Deutsche denkt, Juden wären alle so wie Zionisten sind. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Das Bild etwas zurecht zu rücken ist auch unsere Aufgabe, denn wir wollen keinen Streit und keinen Ärger mit Nichtjuden. Wir wollen friedlich zusammenleben in einer Gesellschaft, in Berlin und wo auch immer auf dieser Welt, mit den Nichtjuden, die es dort gibt. Das heißt im konkreten Fall mit den Deutschen. Doch die sogenannten jüdischen Organisationen, die zionistischen Organisationen hier in der Stadt Berlin oder auch der Zentralrat der Juden, deren Interesse ist in erster Linie die Verteidigung Israels. Das sind in gewisser Art zusätzliche Außenagenturen des zionistischen Staates in Berlin oder in Deutschland, weil sie nur zionistische Position vertreten und sich gegen jeglichen vermeintlichen Angriff, jegliche Kritik, jegliche Ablehnung der Politik dieses Staates als sogenannten Antisemitismus zur Wehr setzen.

Wir müssen uns als Thora-Gläubige, als streng orthodoxe Juden von deren Seite anhören, wir wären selbsthassende Juden und Antisemiten, nur deshalb, weil wir ein friedliches Zusammenleben mit anderen Völkern, mit anderen Menschen, sicherstellen wollen. Für uns als Juden - wir sind ja nicht altruistisch in dieser Frage - ist es in unserem eigenen Interesse wichtig, daß wir mit den Menschen ein friedliches Auskommen haben. Aber der Zionismus zündelt hier und da immer irgendwelche Feuerchen und kritisiert deutsche Politiker für das, was sie sagen. Die Aufgabe eines orthodoxen Juden ist nicht, Politik zu betreiben. Wir vertreten auch keinen politischen Standpunkt, wenngleich das anders erscheinen mag, weil aufgrund unserer Haltung in der Konsequenz damit gewisse politische Optionen ausgedrückt werden. Aber unser Hauptaugenmerk und unser Hauptziel liegt darin, die Position des traditionellen orthodoxen Juden, d.h. die Position der Thora, zu artikulieren, die jener Logik des Zionismus diametral gegenübersteht. An einer diesbetreffenden größeren Öffentlichkeit haben weder der Zionismus noch die bürgerlichen Massenmedien Interesse.

SB: Sie haben von der Stärke der zionistischen Position in den Medien gesprochen. In den USA, dem Land, das Israel am meisten unterstützt, geht aus Umfragen hervor, daß die meisten Menschen, die sich dort als Juden betrachten, für ein friedliches Zusammenleben von Palästinensern und Israelis im Nahen Osten eintreten, und daß die Position, die die großen jüdischen Organisationen Amerikas vertreten, praktisch eine Minderheitenposition ist. Weshalb sind sie dennoch so stark? Dienen sie sich noch mächtigeren Interessen an, etwa in der Kriegswirtschaft? Auch in Israel wollen viele Menschen mit ihren Nachbarn friedlich zusammenleben. Dennoch malt seine Regierung dauernd irgendwelche Existenzgefahren an die Wand, rasselt mit dem Säbel und droht damit, die Welt in den Dritten Weltkrieg zu stürzen. Können Sie das erklären?

RC: Auch hier stellt sich zunächst einmal das Problem, daß ich kein Politiker bin. Aber ich bilde mir zumindest ein, in die jüdische Geschichte, auch die jüngere jüdische Geschichte in Amerika, einen gewissen Einblick zu haben. Ich kenne die Konstellationen dort, zwar aus der Ferne, aber mir ist durchaus bekannt, wie sich die jüdische Bevölkerung in den USA zusammensetzt, wie sie sich aufteilt. Wir müssen zum einen klar feststellen, daß die Mehrheit der jüdischen Bürger auf dieser Welt, Gott sei Dank, nicht in Palästina lebt. Etwa sieben Millionen Juden dürften es wohl noch sein, die in Amerika leben. Davon ist leider bereits ein Großteil von den Wegen unserer Väter und Vorväter abgewichen und hat sich nicht integriert, sondern assimiliert - das ist ein Schritt von einer völlig anderen Qualität. Sie haben sich von den Wurzeln des Judentums, in Form des sogenannten liberalen Judentums, in Form des sogenannten konservativen Judentums bzw. in der Form, mit dem Judentum überhaupt keine Verbindung mehr zu haben, entfernt.

Auf der anderen Seite allerdings - da kann ich wieder für meine Brüder und Schwestern sprechen - gibt es einen starken Zuwachs im antizionistischen, orthodoxen Judentum in Amerika speziell in New York. Und es gibt die dritte und die wesentliche Variante und das ist die machtvolle Position der prozionistischen Lobby. Eine Lobby, die sich vorwiegend über die AIPAC [American Israel Public Affairs Committee] ausdrückt. AIPAC ist eine sehr reiche Organisation, die in den letzten Jahrzehnten sehr viel Einfluß und Macht im politischen System der Vereinigten Staaten von Amerika errungen hat. Niemand kann Präsidentschaftskandidat werden oder bei den Präsidentschaftswahlen antreten, ohne daß er auf dem Jahrestreffen des AIPAC aufgetreten ist und dort den Schwur auf den zionistischen Staat abgelegt hat.

SB: Wie es Barack Obama im letzten Jahr tat, als er sich für ein ungeteiltes Jerusalem als Hauptstadt Israels aussprach.

RC: Alle seine Vorgänger mußten ähnliches tun. Und das ist eine zentrale, politische Stellungnahme, die jeder Präsidentschaftskandidat, bevor er überhaupt in die Nähe des Weißen Hauses gekommen ist, leisten muß. Damit wird die auf den Nahen Osten bezogene Außenpolitik der US-Regierung klar und deutlich formuliert, und die ist immer am zionistischen Staat orientiert, immer prozionistisch und von daher auch im Ansatz immer antiarabisch. Aufgrund seiner Verbindungen zu diversen Politikern im Repräsentantenhaus und Senat sowie zu Beratern bei den verschiedenen Administrationen verfügt das AIPAC seit Jahrzehnten über großen personellen Einfluß.

SB: Man hat dennoch den Eindruck, daß das AIPAC a) nicht die Interessen der Mehrheit der jüdischen Bürger Amerikas und b) auch nicht die Position der Mehrheit der Bürger des israelischen Staates vertritt. Dennoch kann die Organisation die politische Linie der USA in Zusammenarbeit mit Hardlinern in Israel bestimmen. Wie kommt es, daß sie diese dominante Position hat einnehmen können?

Reuven Cabelman

Reuven Cabelman

RC: In den vierziger und fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat die Debatte über eine Unterstützung des zionistischen Staates vor allem die Frage der jüdischen Schicksale des zweiten Weltkrieges in Amerika, speziell bei der Judenschaft dort, eine sehr geringe Rolle gespielt. Erst mit dem Suezkrieg 1956 setzte eine stärkere Solidarisierung seitens amerikanischer Juden mit dem Staat ein, der sich Israel nennt. Man hat ein neues Betätigungsfeld gefunden und das Interesse der Israelis wurde, bezogen auf die USA, natürlich immer stärker. Das Interesse der Zionisten, dort eine starke politische Bastion zu haben, die den Staat Israel unterstützt, war immer vorhanden und hat über die Jahre stark zugenommen. Die Regierung Lyndon Johnson hat Israel 1967 beim Sechs-Tage-Krieg nicht unterstützt. Erst danach hat sich das geändert. Es gab eine strategische Umorientierung, daraus erst ist im Grunde genommen AIPAC entstanden.

SB: Könnte man sagen, daß dieser Einsatz für den israelischen Staat möglicherweise eine Kompensation für die Assimilierung, von der Sie vorhin gesprochen haben, ist? Man ist sozusagen vom Glauben abgefallen und tritt um so mehr für das neue Staatengebilde ein?

RC: Das ist ein sehr guter Gedanke. Schön, daß Sie das erwähnen. Der Zionismus ist in gewisser Weise auch ein Glauben geworden, dergestalt, daß man den Schöpfer durch einen Staat ersetzt hat. Wir sagen dazu: "Das goldene Kalb der modernen Zeit ist der Staat." Der Gedanke der vom Zionismus beeinflußten Juden kreist immer um diese Frage. Also man bezieht sich immer - auch wir tun das ja mittlerweile, so verrückt es ist - in irgendeiner Weise auf diesen Staat, entweder positiv oder negativ, entweder kritisch oder unkritisch, entweder unterstützend oder abwertend. Es spielt keine Rolle, aber irgendwo hat Judentum immer etwas mit diesem Staat zu tun. Positiv wie negativ. Das hat schon erschreckende Dimensionen angenommen, weil selbst wir davon nicht ausgenommen sind, selbst wenn wir uns negativ dazu positionieren. Aber wir positionieren uns in sofern natürlich auch positiv, weil wir die Thora zu verteidigen haben und nicht diesen Staat. Weil, wie wir im Ansatz sagten, dieser Staat und seine Ideologie, aus der er erwachsen ist, einen Angriff auf die Thora darstellt.

Von daher leben wir, wenn man so will, in einem Kriegszustand zwischen Zionismus und Judentum. Das ist nicht militärisch besetzt, aber eine harte Sache. Die Frage nach Mehrheiten und Minderheiten ist schwer zu ermitteln. Was ist heute jüdische Mehrheit?

SB: Unter den weltweiten Juden?

RC: Ja. Es gibt sicherlich keine prozionistische Mehrheit. Es gibt aber einen diffusen Solidarisierungseffekt. Wenn die Zionisten in Tel Aviv beispielsweise sagen: "Ja, es wurde hier ein Bombenattentat verursacht, es kamen jüdische Menschen ums Leben," dann sagt der Jude in Amerika nicht: "Das interessiert mich nicht". Ich im Übrigen sage auch nicht: "Das interessiert mich nicht." Aber ich habe eine andere Art zu sagen: "Wie komme ich dazu, daß dieser Attentäter keine Bomben mehr auf einen öffentlichen Platz oder an eine Bushaltestelle legt, um Juden damit in die Luft zu sprengen?" Ich antworte ihm mit Blumen. Ich versuche, den Terror zu bekämpfen durch Blumen. Mit ihm ins Gespräch zu kommen. Er hat eine andere Einstellung als ich. Er hat seine politischen Organisationen.

Es hat zum Beispiel Jahrzehnte gedauert, bis die westlichen Staaten bereit dazu waren, mit der PLO, mit Arafat zu diskutieren. Heute macht man den gleichen Fehler mit der Hamas. Man hat gesagt, das man in Gaza wählen soll, man hat gewählt, dann war man mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden. Der Westen hat sich selbst wie die Katze gedreht und in den eigenen Schwanz gebissen. Es geht nicht um Sympathien oder Antipathien. Es geht einfach darum: Wenn die Hamas die politische Vertretung der Palästinenser in Gaza ist, dann muß man mit diesen Menschen reden. Man hat keinen anderen Weg. Das Gleiche gilt auch für die Politik. Die Politik hat keine andere Möglichkeit. Früher oder später wird sie es tun. Je länger sie darauf wartet das zu tun, desto mehr Blut wird unnötigerweise vergossen werden, sowohl auf jüdischer wie auf palästinensischer Seite. Das ist das Problem.

Rabbi Josef Antebi auf der Demo im Gespräch mit Reportern des iranischen Nachrichtensenders Press TV

Rabbi Josef Antebi auf der Demo im Gespräch mit Reportern des
iranischen Nachrichtensenders Press TV

Aber zu demographisch zu eruieren, wo ist jetzt eine Mehrheit ... eine Mehrheit der Juden lebt in den USA, es sind alles mehr oder weniger treue Staatsbürger Amerikas, unabhängig davon, ob sie dem Weg der Thora folgen oder nicht. Von daher sind diese sieben Millionen Juden, die in Amerika leben, zunächst einmal amerikanische Bürger. Ob sie liberal oder orthodox sind, spielt keine Rolle, das ist eine zweitrangige Frage. Von daher ist es natürlich eine Mehrheit, die nicht mit dem zionistischen Staat in Übereinstimmung gebracht werden kann, weil sonst würde sie ja aus Amerika auswandern und sich dort ansiedeln, was zu erreichen letztendlich das Ziel der Zionisten ist.

SB: Ja, die Alyah.

RC: Die Alyah, ja.

SB: Rabbi Josef, Sie haben vorhin erzählt, daß Sie demnächst um Asyl in Syrien oder dem Iran bitten wollen. Sind Sie mit Amsterdam oder Europa nicht zufrieden? Warum sollten Sie einen solchen Schritt unternehmen?

JA: Aus mehreren Gründen. Einer der Gründe ist, daß der Präsident des Iran meine Leute gut behandelt. Und da ich ohnehin aus dem Nahen Osten stamme, glaube ich, daß ich mich in einer solchen Umgebung wohl fühlen würde.

SB: Haben Sie schon konkrete Maßnahmen in diese Richtung ergriffen, oder spielen Sie nur mit dem Gedanken?

JA: Ich haben schon mit Freunden darüber gesprochen. Es will aber vorher alles ausgelotet werden.

SB: Und ihre erste Wahl wäre dann der Iran mit Syrien an zweiter Stelle oder umgekehrt?

JA: Das muß sich noch zeigen.

SB: Der Anlaß unserer Begegnung heute war die geplante deutsch-israelische Kabinettssitzung, die in einer Zeit wachsender Spannungen infolge des sogenannten Atomstreits mit Teheran stattfinden sollte. Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, daß die israelische Regierung ihrer Luftwaffe den Befehl zu einem Überraschungsangriff auf die iranischen Atomanlangen erteilen wird?

JA: Auf dem Feld der Politik kenne ich mich nicht richtig aus. Was wir, als religiöse Leute, tun können, ist zu beten - zu beten, daß keine schrecklichen Dinge geschehen. Deshalb beten wir dafür, daß der Allmächtige das Verhalten der Zionisten verändert. Wir beten auch für die Schwachen und die Opfer - wie mich, aber ich bin auch nicht der einzige. Ich bin gekommen, um mich mit anderen zu solidarisieren. Für sie beten wir auch. Doch wie gefährlich die Lage ist und wohin das alles führen wird, wissen wir nicht.

SB: Rabbi Josef und Herr Cabelman, vielen Dank für das Interview.

11. Dezember 2009