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FRAGEN/041: Warum sich Grundeinkommens-Gewinnerin Manuela eine Veränderung der Arbeitswelt wünscht (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

"Ich hab einfach keinen Bock mehr!"

Von Christina für Mein Grundeinkommen, 25. April 2018


Warum sich Grundeinkommens-Gewinnerin [1] Manuela eine Veränderung der Arbeitswelt wünscht.

Manuela arbeitete in einer Disko, einem Büro und als Putzfrau, als sie im Mai 2017 ihr Grundeinkommen gewann. Einen von drei Jobs gab sie nach ihrem Gewinn auf. Nun neigt sich ihr Jahr mit Grundeinkommen dem Ende zu. Im Gespräch setzt sie sich mit Arbeit und Alter auseinander, und berichtet warum ein Grundeinkommen die größte Sicherheit ist, die sie sich vorstellen kann.

Drei Jobs gleichzeitig zu haben, hört sich für manch eine*n ungewöhnlich an. Wie kam es dazu?

"Ich bin jetzt 60 Jahre alt und habe durch mein Alter nicht mehr die Chance, eine feste Anstellung zu bekommen. Gesellschaftlich bezeichnet man mich als alte Dame, aber das bin ich nicht! Ich bin kein Mensch, der sich sagt, so, ich bin 60 und jetzt leg ich mich auf die Couch. Leider habe ich es so erlebt: ab 45 Jahren bekommt man in Deutschland keinen richtigen Job mehr, also einen, für den man qualifiziert ist, der einem Spaß machen würde. Ich habe mich so oft auf Stellen beworben und manchmal hieß es sogar "Haben Sie mal in den Spiegel gesehen?".

So schlage ich mich jetzt seit 15 Jahren hauptsächlich in der Gastronomie durch und arbeite mal hier, mal dort. Ich tue das gern und die Menschen, die mich beschäftigen, wissen, ich kann das. Ich arbeite auf dem Christkindl Markt, ich arbeite in der Disko, wo es regelmäßig heißt: "Cocktails gibt's bei der Alten". Das gefällt mir und macht mir Spaß, es ist so schön, mit den Youngsters zusammen zu arbeiten.

Zu meinen drei Jobs kam es, weil ich meiner Tochter versprochen hatte, sie während ihrer Ausbildung finanziell zu unterstützen. Ich wollte mein Wort einfach halten. Lieber mache ich drei oder sogar vier Jobs gleichzeitig, bevor ich zum Sozialamt gehe. Warum auch nicht? Hartz 4 ist für mich die allerletzte Lösung."

Was hat sich mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen für dich verändert?

"Das Grundeinkommen ist die größte Sicherheit, die man haben kann. So ein unglaubliches Gefühl, der absolute Knaller! Diese 1000 Euro auf dem Konto, die helfen dir sowas von. Ich bin der reichste Mensch der Welt, allein schon dadurch, dass ich mich nicht mehr zum Affen machen muss. Durch das Grundeinkommen kann ich jetzt sagen: "Pass auf, Freund, das schmeckt mir nicht. Kannst du mir nicht mehr Respekt entgegen bringen?". Mir ist jetzt zweimal passiert, dass man mir gesagt hat: "Du brauchst das Geld, also musst du so arbeiten wie wir es wollen". Nein, muss ich eben nicht. Ich war in bestimmten Momenten selbstbewusster und habe mich richtig wohl dabei gefühlt. Nach meinem Gewinn habe ich zwei Jobs behalten, den dritten habe ich gekündigt, da war ich wirklich froh drum. Putzen, das ist Knochenarbeit.

Ich habe mich damals bei euch angemeldet, weil ich die Idee gut und richtig fand, ein Grundeinkommen für jede*n zu haben. Und was der Berliner Bürgermeister schwafelt von seinem Solidarischen Grundeinkommen ... der weiß überhaupt nicht, worum es geht."

Wie würdest du dir Arbeit wünschen und wie könnte das Bedingungslose Grundeinkommen dazu beitragen?

"Ich würde mich auf meinen Bürojob konzentrieren, und wenn ich dann Lust hätte, halt noch ein bisschen Gastro machen. Weil ich weiß, ich kann das, alle mögen mich. Aber irgendwo muss es ja eine gewisse Regelung geben. Wenn die mich um 12 Uhr anrufen, ob ich um 12 Uhr arbeiten kann, dann ist das eigentlich ein No-Go. Ich habe mich daran gewöhnt, und ich kann das. Aber grundlegend wäre es wichtig, dass es gerade für ältere Menschen wie mich eine Möglichkeit gäbe, einen Job zu bekommen, für den wir ausgebildet sind. Denn irgendwelche Ausreden gibt es immer. Auf diese Diskriminierung habe ich keinen Bock mehr.

Als ich meinen Rentenbescheid gesehen habe, habe ich mich totgelacht. Wenn jemand mit 67 Jahren so eine Rente bekommt, kann sich doch niemand auf den Beinen halten. Und das ist der Punkt, an dem die Regierung was unternehmen sollte. Gerade in unserer heutigen Gesellschaft: arme Damen, die 45 Jahre gearbeitet haben, müssen die wirklich Flaschen sammeln? Das Grundeinkommen ist einfach eine Lösung, von der man sagen kann, da haben die Leute nicht so viel Scham wie bei Hartz 4.

Das Grundeinkommen eröffnet die Möglichkeit, einen Job zu haben und trotzdem zu wissen, ich habe eine Grundlage. Auch im Alter. Diese Grundlage kann ich sparen, ausgeben, damit kann ich machen was ich will und das ist Sicherheit. Das ist Ausschnaufen. Und ich denke mal, wenn das weiter getragen wird, kann der Müller echt einpacken. Wenn die Regierung ein bisschen weiterdenken würde, wär ich dabei."


Anmerkung:

[1] https://www.mein-grundeinkommen.de/


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Johanna Heuveling
E-Mail: johanna.heuveling@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2018

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