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FRAUEN/456: USA - Gleichberechtigung von Frauen in Armee soll sexuelle Übergriffe verringern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Januar 2013

USA: Gleichberechtigung von Frauen in Armee soll sexuelle Übergriffe verringern

von Carey L. Biron



Washington, 25. Januar (IPS) - Nach einer überraschenden Ankündigung hat US-Verteidigungsminister Leon Panetta bestätigt, dass die US-Streitkräfte ein seit fast 20 Jahren geltendes Verbot aufheben und Frauen an Kamphandlungen an vorderster Front beteiligen werden.

"Frauen haben großen Mut bewiesen und sowohl auf dem Schlachtfeld als auch anderswo Opfer gebracht", sagte Panetta am 24. Januar. "Mit der Außerkraftsetzung der Regelung will das Verteidigungsministerium sicherstellen, dass die am besten qualifizierten und fähigsten Personen zum Einsatz kommen, unabhängig von ihrem Geschlecht."

Seit das Verbot 1994 erlassen wurde und insbesondere seit Beginn des Afghanistankriegs 2001 haben Kritiker darauf hingewiesen, dass die Regelung es Frauen zunehmend erschwert, in den Rängen des Militärs aufzusteigen. Zudem berücksichtige die Bestimmung nicht, dass Soldatinnen längst im Rahmen von US-Kampfeinsätzen an gefährlichen Orten dienten und einige von ihnen bereits getötet wurden.

Nach Ansicht politischer Beobachter ist das bisherige Front-Einsatzverbot teils auch dafür verantwortlich zu machen, dass es seitens von Armeeangehörigen häufig zu sexuellen Übergriffen gekommen sei. Im vergangenen Jahr gab Panetta die Zahl solcher Fälle mit jährlich 19.000 an.

"In der Armee besteht seit langem eine Kultur der Frauenfeindlichkeit. Solange Frauen im Militärdienst nicht von oben - vom Pentagon - gleich behandelt wurden, galten sie nur als zweite Wahl und schlimmstenfalls als sexuelle Beute", erklärte Helen Benedict, die an der Columbia Universität in New York lehrt und das Buch 'The Lonely Soldier: The Private War of Women Serving in Iraq' geschrieben hat.

Respektlosigkeit sei die Grundlage für Frauenfeindlichkeit, die wiederum zu sexuellen Angriffen führe, sagte Benedict. Bis sich die Traditionen änderten, dauere es zwar lange, aber die offizielle Gleichstellung von Frauen werde dabei hilfreich sein.


General räumt andauernde sexuelle Übergriffe in Armee ein

Im Gespräch mit Panetta räumte General Martin Dempsey, oberster Vertreter des Vereinigten Generalstabschefs, ein, dass das Militär der USA ein "fortdauerndes Problem mit sexueller Belästigung und sexuellen Angriffen" habe. Der Gemeinsame Generalstab hatte sich maßgeblich für eine Reform der Regelung eingesetzt.

"Ich glaube, das kam daher, dass wir unterschiedliche Klassen von Militärpersonal hatten", sagte Dempsey. "Wenn ein Teil der Bevölkerung als Kämpfer vorgesehen ist und der andere etwas anderes tun soll, führt die Ungleichheit zu einer Psychologie, die manchmal zu solchen Zuständen führen kann."

Viele Kommentatoren bezeichneten die Änderung als lange überfällig. Auch wenn die US-Streitkräfte nach wie vor allem aus Männern bestehen, ist die Zahl der in die Reihen des Militärs aufgenommenen Frauen in den vergangenen zwei Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Heute machen Frauen etwa 15 Prozent des militärischen Personals im aktiven Dienst aus, rund 1,4 Millionen. Während der Kriege im Irak und Afghanistan waren mehr als 280.000 Frauen stationiert. Laut dem Verteidigungsministerium sind in diesen Konflikten seit 2004 mindestens 140 Soldatinnen getötet und 865 verwundet worden. Politische Beobachter bezeichnen diese bewaffneten Auseinandersetzungen oft als 'Kriege ohne Fronten'.

Anu Bhagwati, Exekutivdirektorin des 'Service Women's Action Network' (SWAN) und früherer Hauptmann bei den Marines, erklärte, dass der Dienst von Frauen im Irak und in Afghanistan den Boden für die Aufhebung des Verbots bereitet habe.

Nach Ansicht von Bhagwati hat auch eine kürzlich eingereichte Klage von SWAN und der 'American Civil Liberties Union' (ACLU) Druck auf das Pentagon ausgeübt. Der Klage zufolge schließt das Verbot des Einsatzes von Soldatinnen in Kampfpositionen Frauen von mehr als 200.000 Stellen und von ganzen Karrierebereichen aus. Die Kommandeure würden dadurch daran gehindert, ihre Truppen effizient einzusetzen.

ACLU kritisierte zudem, dass weiblichen Armeeangehörigen "Ausbildung und Anerkennung" verweigert würden. Sie befänden sich in schlechteren Positionen, wenn Beförderungen anstünden und könnten sich nicht in Bereichen bewerben, in denen sie bereits ihre Kompetenzen unter Beweis gestellt hätten.


USA bisher gegenüber vielen Staaten im Hintertreffen

Die USA hinkten in dieser Hinsicht bisher vielen westlichen Staaten hinterher. Wie aus einem 2009 veröffentlichten Bericht der britischen Regierung hervorging, beharrten nur die USA, Großbritannien und Australien darauf, Frauen von bestimmten Positionen fernzuhalten.

Bevor Panetta die Neuerung ankündigte, hatte eine Umfrage in den obersten Rängen der US-Streitkräfte ergeben, dass die Führungsebene eine solche Änderung befürwortete. Im vergangenen Jahr hatte die Armee das Verbot bereits etwas gelockert, indem sie 14.000 weitere Positionen für Frauen öffnete. Kürzlich wurde zudem ein umstrittenes Gesetz geändert, das schwulen und lesbischen Militärangehörigen das Recht verweigert hatte, über ihre sexuelle Orientierung zu sprechen. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://books.google.de/books/about/The_Lonely_Soldier.html?id=FNtgq0a0fKsC&redir_esc=y
http://servicewomen.org/
http://www.aclu.org/
https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/27406/women_combat_experiences_literature.pdf
http://www.ipsnews.net/2013/01/ending-ban-u-s-hopes-to-reduce-sexual-assaults-in-military/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. Januar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2013