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FRAUEN/558: ICAN-Symposium zum Thema Frauen in weltweiten bewaffneten Konflikten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. November 2014

Nahost: Frauen zunehmend Zielscheiben von Extremismus und Militarismus - ICAN-Symposium in der Türkei lässt Betroffene zu Wort kommen

von Thalif Deen


Bild: © Mark Garten/UN

Eine syrische Flüchtlingsfrau mit ihrem Kind im Za'atri-Flüchtlingslager in Jordanien
Bild: © Mark Garten/UN

New York, 7. November (IPS) - Die weltweiten bewaffneten Konflikte machen Frauen zunehmend auch zu Zielscheiben von Extremismus und Militarismus. Mit ihren Erfahrungen, den Herausforderungen, die ihnen begegnen, ihren Wünschen und Visionen befasst sich am 11. November ein Symposium in der Türkei.

Die meisten zivilen Opfer gehen auf das Konto des 2011 ausgebrochenen Bürgerkrieges in Syrien und der 50-tägigen Luftangriffe auf den Gazastreifen durch Israel in diesem Jahr. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) wurden in Syrien bis Ende August über 6.000 Frauen und mehr als 9.400 Kinder getötet. Insgesamt starben mehr als 190.000 Menschen. Im Gazastreifen fielen mehr als 2.200 Palästinenser den israelischen Luftangriffen zum Opfer - darunter 459 Kinder und 239 Frauen.

Das internationale zivilgesellschaftliche Aktionsnetzwerk ICAN und die norwegische Botschaft in der Türkei werden Frauen aus zahlreichen Konfliktländern am 11. November Gelegenheit geben, über die Herausforderungen zu sprechen, die Extremismus und Militarismus für sie bedeuten.


Erfahrungsaustausch

Zu den Teilnehmern des Symposiums 'Challenging Extremism and Militarism: Women Standing up for Rights, Peace and Plurality' im türkischen Sile werden mehr als 50 Frauenaktivisten aus 14 Ländern der Regionen Nahost und Nordafrika (MENA) und Südasien erwartet. Das Treffen bildet den Abschluss des Dritten ICAN-Jahresforums zum Thema Frauenrechte, Frieden und Sicherheit in den MENA-Staaten und Asien.

Wie die ICAN-Mitbegründerin Sanam Anderlini gegenüber IPS erklärte, werden erstmals Frauen aus Nahost über ihre Erfahrungen seit dem Aufstieg der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), der Bombardierung des Gazastreifens durch Israel und den Wahlen in Tunesien sprechen. Außerdem werden die Betroffenen ihre Sichtweisen, Visionen und Überlebensstrategien schildern. Im Verlauf des Symposiums sollen Vorschläge erarbeitet werden, wie sich die Verbreitung von Extremismus und staatlichem Militarismus stoppen lässt.

In einer kürzlich verbreiteten Mitteilung wies ICAN darauf hin, dass Frauen trotz der bahnbrechenden Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats zu Frauen, Frieden und Sicherheit nach wie auf internationalen Foren zu Krieg, Frieden und Sicherheit außen vor gelassen werden. Und auch in den Medien lasse man sie nicht zu Wort kommen.

Inzwischen hat die geringe Repräsentanz von Frauen in einem UN-Expertengremium zu heftiger Kritik geführt. Dem 14-köpfigen Panel unter dem Vorsitz des ehemaligen Präsidenten von Osttimor, José Ramos Horta, gehören lediglich drei Frauen an. Eine inakzeptable Marginalisierung der Frauen, kritisierte Stephen Lewis, ehemaliger Exekutivdirektor des Weltkinderhilfswerks UNICEF.

In einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderten Lewis und Paula Donovan, die beiden Leiter der Organisation 'AIDS-Free World': "Diese Zusammensetzung muss verändert werden. Die Geschlechtergleichheit, für die Sie eintreten, lässt sich nur durch die Ernennung von acht weiteren weiblichen Panel-Mitgliedern erreichen. Sollte eine so große Kommission zu sperrig sein, müssen einige der von Ihnen ernannten Mitglieder aufgefordert werden, im Sinne der Ausgewogenheit ihre Plätze qualifizierten Frauen zu überlassen."

In dem Schreiben heißt es ferner: "Sollten Sie die Dinge so belassen, wird dieses Expertengremium zum Zeugnis dafür, dass bei der UN zwischen Worten und Taten eine unüberbrückbare Kluft besteht."


Fehler eingeräumt

In einer Stellungnahme gegenüber IPS räumte der stellvertretende UN-Sprecher Farhan Haq ein, dass man einen Fehler gemacht habe. "Hier muss von unserer Seite wohl eine ehrliche Entschuldigung kommen", erklärte er. Man gebe sich alle Mühe, um Geschlechtergleichheit und eine faire regionale Repräsentanz zu erreichen, und manchmal gebe es das Problem der Verfügbarkeit qualifizierter Frauen. Doch ein Fehler müsse korrigiert werden. "Sie haben absolut recht: Der Frauenanteil [in dem Gremium] ist zu niedrig."

Am 31. Oktober hatte die Resolution 1325 ihren 14. Jahrestag. Sie verlangt eine stärkere Beteiligung von Frauen in sämtlichen nationalen, regionalen und internationalen Institutionen und Mechanismen zur Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten auf allen Entscheidungsebenen.

Auf die Frage, ob sich die Resolution 1325 positiv auf die Sicherheit von Frauen in Kriegsgebieten ausgewirkt habe, erklärte Anderlini, dass dies von Land zu Land variiere. Im Südsudan beispielsweise habe die Nichtregierungsorganisation 'Gewaltlose Friedenstruppe' ausschließlich Frauenteams auf landesweite Friedenseinsätze vorbereitet. Auf den Philippinen hätten Frauen ein exklusiv aus Frauen bestehendes Waffenstillstandsüberprüfungsteam geschaffen.

Es mache einen Unterschied, solche Frauenteams einzusetzen, sagte Anderlini. Frauen richteten ihr Augenmerk vor allem auf die Sicherheit von Zivilisten und setzten sich dafür ein, dass humanitäre Sicherheitskorridore geschaffen würden. Sie bemängelte, dass die Vereinten Nationen und die Mitgliedstaaten in Sachen Resolution 1325 deutlich mehr tun könnten, als dies bisher der Fall sei.

Als vorbildlich bezeichnete Anderlini die Entscheidung Indiens, eine Einheit weiblicher Blauhelme nach Liberia entsandt zu haben. Sie forderte die Vereinten Nationen dazu auf, von den Ländern, die UN-Friedenstruppen anböten, diejenigen zu bevorzugen, die einen höheren Anteil von Friedenssoldatinnen und Polizistinnen aufbieten würden. "Ein solcher Beschluss würde die Gefahr und die Zahl sexueller Übergriffe auf Frauen vor Ort durch Blauhelme verringern." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/11/women-challenged-by-rising-extremism-and-militarism/

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IPS-Tagesdienst vom 7. November 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2014