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INTERNATIONAL/012: Schwere Vorwürfe gegen Arbeitsvermittler in Kambodscha (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. März 2011

Kambodscha:
Vor dem Auslandsjob misshandelt - Schwere Vorwürfe gegen Arbeitsvermittler

Von Irvin Loy


Phnom Penh, 24. März (IPS) - Skandalöse Missstände in privat betriebenen Rekrutierungs- und Ausbildungsagenturen, die kambodschanische Arbeitssuchende auf einen Auslandsjob vorbereiten sollen, haben Aktivisten, Oppositionspolitiker und die Öffentlichkeit alarmiert. In einem Trainingszentrum der Vermittlungsagentur T&Co Ltd. in Phnom Penh war kürzlich eine 35-Jährige unter bislang ungeklärten Umständen ums Leben gekommen. Eine weitere junge Frau brach sich beim Fluchtversuch aus einem mit Zäunen und Stacheldraht abgeschotteten Arbeitszentrum beide Beine.

Der kambodschanischen Regierung ist sehr daran gelegen, zur Entlastung des heimischen Arbeitsmarktes Malaysia und andere Nachbarländer mit Hauspersonal und Textilarbeitern zu versorgen. Nach amtlichen Angaben beitreiben 33 vom Arbeitsministerium lizenzierte Firmen in rund 100 Zentren in Phnom Penh und Umgebung das lukrative Geschäft mit der Anwerbung, Ausbildung und Vermittlung vor allem junger Frauen aus dem armen Hinterland. Sie locken sie mit einem Sack Reis und als Prämien getarnten hohen Krediten in ihre Trainingszentren.

Der Abgeordnete Son Chhay von der oppositionellen Sam Rainsy-Partei, der kürzlich ein solches Zentrum besichtigte, sprach von Zuständen wie im Gefängnis. "Wenn Frauen aus dem Vertrag aussteigen wollen, hält man sie dort so lange fest, bis sie den Kredit zurückgezahlt haben", stellte er fest.

Der Aktivist Moeun Tola, der das Arbeitsprogramm am zivilen 'Community Legal Education Centre' leitet, fordert von der Regierung mehr Kontrollen und strengere Vorschriften für die privaten Vermittlungszentren. "Viele Agenturen setzen die Altersangaben in den Papieren junger Mädchen herauf, denn das Mindestalter für ins Ausland vermittelte Arbeitskräfte liegt bei 21 Jahren", berichtete er IPS. "Die Behörden wissen Bescheid, geben aber vor, nichts davon zu sehen", kritisierte er.


Regierung verspricht striktere Arbeitsgesetze

Auf den Vorwurf mangelnder Kontrolle der sich zu einem florierenden Geschäftszweig entwickelnden privaten Arbeitsvermittlung reagierte die Regierung mit der Ankündigung, sie werde die Vorschriften verschärfen und das 15 Jahre alte Arbeitsgesetz überarbeiten.

Die Parlamentsabgeordnete und ehemalige Frauenministerin Mu Sochua beschuldigt die Regierung, sie schütze die Vermittlungsagenturen, weil einige Kabinettsmitglieder an deren Geschäften mitverdienen. "Manchen Zentren kaufen junge Mädchen, fälschen ihre Papiere, sperren sie ein, beuten sie aus und schicken sie dann schutzlos ins Ausland", berichtete sie.

Auch Kambodschas 'Gesellschaft für Menschenrechte und Entwicklung' (ADHOC) hatte 2010 bei eigenen Untersuchungen so genannter Trainingszentren in Phnom Penh schwere Menschenrechtsverletzungen festgestellt. "Zudem wurden Hausmädchen an ihrem späteren Arbeitsplatz in Malaysia gefangen gehalten, geschlagen und vergewaltigt", stellte ADHOC fest.


Visaflut

Nach eigenen Angaben gab die malaysische Botschaft in Phnom Penh im vergangenen Jahr fast 25.000 kambodschanischen Hausangestellten Visa aus. Zwei Jahre zuvor hatten kambodschanische Bewerber aller Berufssparten zusammen nur 5.300 Visa erhalten.

Auch in Kambodscha gibt es in florierenden Industriezweigen, etwa in der Bekleidungsindustrie, gute Arbeitschancen. Hier werden jedoch Mindestlöhne von monatlich 61 US-Dollar gezahlt, weit weniger als die 200 bis 300 Dollar, die man jungen Frauen verspricht, wenn sie im Ausland als Hauspersonal arbeiten wollen.

An Bunhak, der Chef des Verbandes kambodschanischer Arbeitsvermittlungszentren, hat die Regierung aufgefordert, den Agenturen zu verbieten, ihre Klienten mit der Aussicht auf hohe Kredite anzuwerben und an sich zu binden. "Striktere Regeln, an die sich jeder halten muss, sollten dafür sorgen, dass die Branche ihre Probleme in den Griff bekommt", meinte er und betonte: "Wir brauchen diese Vorschriften zum Schutz unserer Arbeitsmigranten." (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.adhoc-cambodia.org/
http://www.ilo.org
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=54909

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2011