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INTERNATIONAL/013: Japan - Nach den Naturkatastrophen drohen scharfe soziale Einschnitte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. März 2011

Japan: Arme im Abseits - Nach den Naturkatastrophen drohen scharfe soziale Einschnitte

Von Suvendrini Kakuchi


Tokio, 29. März (IPS) - In Japan ist nach den verheerenden Naturkatastrophen im März private Spendenbereitschaft gefragt. "Die Japaner werden lernen müssen, sich gegenseitig zu helfen, wenn sie überleben wollen", appellierte Yuko Sei, Sprecherin der lokalen Hilfsfonds 'Tiger Mask Fund', an die Solidarität ihrer Mitbürger."Der Staat kann die Bedürftigen im Land nicht mehr genügend unterstützen." Private Wohltätigkeit als Instrument der Armutsbekämpfung wurde im drittreichsten Land der Welt erst in jüngster Zeit entdeckt.

Nach dem Erdbeben und der gigantischen Flutwelle im Nordosten (Tohoku) der japanischen Hauptinsel Honshu wurden bislang 20.000 Tote und Vermisste registriert. Hunderttausende Menschen sind obdachlos, und in den Trümmern der betroffenen Städte gingen viele tausend Arbeitsplätze verloren. Zuvor schon lag die Arbeitslosigkeit in Japan bei über fünf Prozent und sorgte für wachsende Armut.

In Tohoku musste die Autoteile produzierende Industrie den Betrieb einstellen, weil die Stromversorgung zusammenbrach, und die radioaktiv belasteten Erzeugnisse der Gemüseplantagen wurden vernichtet.

In einer ersten Schätzung bezifferte die japanische Regierung die wirtschaftlichen Kosten der Katastrophe in den betroffenen sieben Verwaltungsbezirken auf 309 Milliarden US-Dollar. Zudem warnte sie, dass angesichts stark sinkender Industrieproduktion und Exporte nur mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent zu rechnen sei.

Sozialwissenschafter befürchten, dass neben der unmittelbar von der Katastrophe betroffenen Bevölkerung in der Region Tohoku die gesamte wachsende Schicht der so genannten arbeitenden Armen die wirtschaftlichen Folgen der Katastrophe zu spüren bekommt.


Das neue Gesicht der Armut

Nach aktuellen Angaben der Stadtverwaltung von Tokio sind allein in der Hauptstadt 15 Prozent der neun Millionen Einwohner auf staatliche Unterstützung angewiesen. Schon die im Januar von der Regierung veröffentlichten Zahlen waren alarmierend. Danach erhielten mehr als zwei Millionen Haushalte Sozialhilfe, nachdem japanische Unternehmen angesichts der billiger produzierenden Konkurrenz in asiatischen Nachbarländern ihre Betriebe umstrukturiert und Personal entlassen hatten.

"In Japan hat die Armut ihr Gesicht verändert", stellte der an Japans größter Universität, der Nihon University, lehrende Soziologe Soji Tanaka fest. "Inzwischen gehören auch fähige, hoch qualifizierte Menschen jeden Alters dazu." In Japan gelten Haushalte mit einem Jahreseinkommen von umgerechnet weniger als 18.000 Dollar als arm. 17 Prozent der Japaner fallen unter diese Armutsschwelle.

"Die Lage kann sich weiter verschärfen, wenn im sozialen Bereich weitere Einsparungen drohen, zumal zunächst einmal den Opfern von Erdbeben und Tsunami geholfen werden muss", warnte Tanaka. Die Regierung denke bereits über eine Revision des erst im vergangenen Jahr auf 150 Dollar angehobenen Kindergelds für unter Dreijährige nach.

In Tohoku sei die Lage der Land- und Fischwirtschaft, zweier regional bedeutender Sektoren, besonders schwierig, betonte Seishi Kitamura, der Chef der Tohoku-Bank. Keine guten Aussichten für Suichi Iwadoki, dessen Fischfabrik in Kesenuma an der Küste von Fukushima völlig zerstört wurde. "Ich konnte nur mein Leben retten, alles übrige habe ich verloren", klagte er. Jetzt hofft er, die Regierung werde ihm mit günstigen Krediten den Wiederaufbau seines Betriebs ermöglichen.

Nach Ansicht lokaler Wohlfahrtsorganisationen lässt sich jedoch der Wiederaufbau allein mit staatlichen Mitteln nicht bewältigen. Private Spenden etwa für den 'Tiger Mask Fund' seien jetzt wichtiger denn je, betonen sie. (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2011