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INTERNATIONAL/043: Indien - Hungerstreik setzt Regierung unter Druck (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. August 2011

Indien: Hungerstreik setzt Regierung unter Druck - 74-Jähriger kämpft für Ombudsmann

Von Ranjit Devraj

Ärzte betreuen Anna Hazare, der sich im Hungerstreik befindet - Bild: © Anjan Mitra/IPS

Ärzte betreuen Anna Hazare, der sich im Hungerstreik befindet
Bild: © Anjan Mitra/IPS

Neu-Delhi, 26. August (IPS) - Indiens mächtige Regierung, die für einen Subkontinent mit 1,2 Milliarden Einwohnern Verantwortung trägt, geht vor einem schmächtigen 74-jährigen Mann in die Knie. Anna Hazare bedient sich einer wirkungsvollen Waffe, die in dem Land selten ihre Wirkung verfehlt: Er befindet sich im Hungerstreik.

Hazare hat es immerhin geschafft, dass die Regierung über ein Gesetz über die im Parlament umstrittene Einsetzung eines Ombudsmanns beraten will. Aufgabe des Ombudsmanns ('Lokpal') soll es sein, größere Transparenz und Überprüfbarkeit der Regierungsgeschäfte und der Justiz zu garantieren.

Der Zustand des Mannes, der seit über einer Woche jegliche Nahrung verweigert, hat sich nach Auskunft seiner Ärzte rapide verschlechtert. Doch Hazare ist fest entschlossen weiterzumachen. Als bekannt wurde, dass Indiens Ministerpräsident Manmohan Singh höchstpersönlich die Verhandlungen übernehmen wird, erklärte er vor etwa 10.000 Menschen, dass er unter Einsatz seines Lebens die Korruption bekämpfen werde, die er für die Hauptursache der Armut im Land hält.

Die behandelnden Ärzte drängen dazu, Hazare in eine Klinik einzuweisen. Sein Puls sei zu hoch, und ihm drohten schwere Nierenschäden, erklärte der Kardiologe Naresh Trehan. "Ich habe meinem Land schon mein Herz gegeben. Was sind dann noch meine Nieren wert?", entgegnete daraufhin Hazare.

"Anna Hazare spielt eine alt bekannte und bewährte Karte aus, die einen Archetypus wiederbelebt, der tief im kollektiven Bewusstsein der Inder verwurzelt ist", sagte der Soziologieprofessor Abhijit Pathak, der an der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi lehrt, im Gespräch mit IPS.


Vergleich mit Mahatma Gandhi

Hazares ursprüngliches Ziel, das Parlament zur Billigung eines Ombudsmannes zu bringen, sei inzwischen in den Hintergrund getreten, meint Pathak. Wichtig sei vor allem, dass ein Mann, der wegen seiner Aufrichtigkeit verehrt werde, sein Leben für eine gerechte Sache opfern wolle.

Der ehemalige Minister Ram Jethmalani, der zurzeit im Parlament sitzt, appellierte an die Regierung, sich nicht mit Formalien des Ombudsmann-Gesetzes aufzuhalten. In erster Linie gelte es das Leben von Anna Hazares zu retten, forderte er. "Wenn er stirbt, wird Chaos ausbrechen." Hazare sei deshalb so populär, weil die Öffentlichkeit daran zweifele, dass der Regierung die Bekämpfung der Korruption in höheren Kreisen ein ernstes Anliegen sei.

Hazare habe die Fantasie der Inder angeregt wie niemand sonst seit Mahatma Gandhi, sagte Vineet Narain, der sich in der Anti-Korruptionsbewegung engagiert. Alle hofften nun darauf, dass das Ombudsmann-Gesetz nach 40-jährigen Debatten endlich verabschiedet werde. "Wie Gandhi kommt auch Hazare zum Ziel, während andere scheitern", meinte Narain. Beide hätten ihr eigenes Wohlbefinden hintenan gestellt. Hazare habe die moralische Stärke, um einen lebensbedrohenden Hungerstreik auf sich zu nehmen. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2011