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INTERNATIONAL/073: Südafrika - HIV-Sterberate verlangsamt Wirtschaftswachstum, düstere Zukunft (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Januar 2012

Südafrika: HIV-Sterberate verlangsamt Wirtschaftswachstum - Düstere Zukunft

von Kristin Palitza

Aidswaisen in Südafrika - Bild: © Kristin Palitza/IPS

Aidswaisen in Südafrika
Bild: © Kristin Palitza/IPS

Kapstadt, 27. Januar (IPS) - Hätte es die tödliche Immunschwäche HIV/Aids nicht gegeben, wäre Südafrika um 4,4 Millionen Bürger reicher. Doch der Verlust so vieler Menschen durch die verheerende Krankheit hat das Wirtschaftswachstum einem neuen Bericht zufolge erheblich verlangsamt und traurige soziale Realitäten geschaffen.

Wie die Forschungsorganisation 'South African Institute for Race Relation' (SAIRR), herausfand, könnte der Kapstaat in diesem Jahr - rein theoretisch - 55 Millionen Menschen zählen. In einem solchen Fall wäre eine Zunahme der südafrikanischen Bevölkerung auf 77,5 Millionen bis 2040 realistisch gewesen. Stattdessen dürfte die Zahl um 24,1 Millionen geringer ausfallen.

Die Immunschwäche habe vor allem Südafrikaner im Alter zwischen 15 und 49 Jahren aus dem Leben gerissen und somit das Land um einen großen Teil seiner wertvollen Produktivkräfte und Fähigkeiten gebracht, betonte der SAIRR-Forscher Thuthukani Ndebele bei der Vorstellung der Studie am 23. Januar. Ein fortgesetztes Wegsterben dieser Altersgruppe werde verheerende soziale und wirtschaftliche Folgen haben.


In der HIV/Aids-Falle

Der SAIRR-Analyse zufolge, der Zahlen der Studentenförderorganisation 'Actuarial Society of South Africa' und des Zukunftsforschungszentrums 'South African Institute for Futures Research' zugrunde liegen, war fast ein Drittel aller Todesfälle im letzten Jahr HIV/Aids-bedingt. Bis 2025 könnte sich die Zahl der Aids-Toten gegenüber dem Jahr 2000 um 121 Prozent potenziert haben.

Wirtschaftsexperten sind sich einig, dass diese Entwicklung zu einer Verlangsamung der Wirtschaft führen wird. Dadurch werde auch der Anteil an Fach- und Produktivkräften, an Unternehmern und an innovativen Akteuren sinken, warnte David Hornsby, Wissenschaftler an der Fakultät für internationale Beziehungen an der Universität von Witwatersrand in Johannesburg.

Ebenso erwartet SAIRR dass die Zahl der Menschen, die mit HIV/Aids leben müssen, bis 2015 auf sechs Millionen anwachsen wird. Das sind doppelt so viele wie 2000. Hornsby rief die südafrikanische Regierung dazu auf, auf diesen Weckruf zu reagieren.

HIV/Aids verringert nicht nur die Lebenserwartung und erhöht die Mortalitätsraten, sondern sorgt für weitere soziale Übel wie einer Zunahme der Zahl von Waisenkindern und Haushalten, die von Kindern geführt werden. Das Weltkinderhilfswerk UNICEF zählte 2009 zwei Millionen südafrikanische Minderjährige, die mindestens einen Elternteil verloren hatten.

"Fast ein Drittel der südafrikanischen Bevölkerung (31 Prozent) ist keine 15 Jahre alt", betonte Siobhan Crowley, UNICEF-Beauftragter für das Überleben und die Entwicklung von Kindern. "Die südafrikanische Regierung hat hart daran zu tragen, diesen jungen Menschen durch Bildungs-, soziale Wohlfahrts- und Gesundheitsversorgungsangebote zu helfen."

Die vielen Waisen und auch die Zunahme von Haushalten, die von Großeltern geführt werden, haben die Abhängigkeiten von staatlichen Zuwendungen erhöht. Auch dieser Trend wird sich verstärken. "Die Zahl hilfsbedürftiger Familien, Menschen, die ihre grundlegendsten Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können, nimmt kontinuierlich zu", bestätigte Bernice Roeland, Leiterin der Hilfsorganisation 'AIDS Response' mit Sitz in Kapstadt.

Ohne Anstrengungen, die HIV-Infektionsrate zu senken, werde die Belastung für die sozialen Sicherungssysteme unerträglich, warnte Roeland. "Bleiben langfristige und umfangreiche Investitionen in unsere Menschen und vor allem in unsere Kinder aus, könnte unser Sozialsystem zusammenbrechen."


Bedrohlich hohes Gesundheitsbudget

Die Autoren der neuen SAIRR-Studie beunruhigt auch die Last, die HIV/Aids für den Gesundheitssektor bedeutet. Nach Angaben der Weltbank gab Südafrika 2009 fast neun Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) für den Gesundheitssektor aus - fast doppelt so viel wie andere Entwicklungsländer. Der Prozentsatz dürfte weiter ansteigen. Will die Regierung verhindern, dass HIV/Aids der Wirtschaft noch mehr schadet als bisher, muss das Gesundheitsbudget Ndebele zufolge weiter aufgestockt werden.

Experten aller Sektoren - Forschung, Wissenschaft, Soziales - betonen die Notwendigkeit, mehr zu tun als bisher, um Neuinfektionen zu vermeiden. Dazu meinte Ndebele: "Südafrika hat einen Anteil an der Weltbevölkerung von 0,7 Prozent, ist mit einer Aidsrate von weltweit 17 Prozent geschlagen. Das muss sich dringend ändern." (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2012