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INTERNATIONAL/135: El Salvador - Bandenchefs stimmen Einrichtung von zehn Friedensgemeinden zu (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Dezember 2012

El Salvador: Bandenchefs stimmen Einrichtung von zehn Friedensgemeinden zu

von Edgardo Ayala


Bandenchef Carlos Mojica: 'Wir werden alle illegalen Aktivitäten aufgeben.' - Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Bandenchef Carlos Mojica: 'Wir werden alle illegalen Aktivitäten aufgeben.'
Bild: © Edgardo Ayala/IPS

San Salvador, 27. Dezember (IPS) - In El Salvador sollen zehn Gemeinden zu gewaltfreien Zonen erklärt werden. Die Anführer der Jugendbanden, die weite Teile des Landes beherrschen, haben ihre Zustimmung erteilt. Doch die Bevölkerung traut dem Frieden nicht.

"Wir werden alle illegalen Aktivitäten aufgeben", versicherte Carlos Mojica alias 'Der alte Lin' gegenüber IPS. Mojica ist der Anführer einer Splittergruppe der größten Jugendbande 'Barrio 18'. Bereits seit März laufen Verhandlungen zwischen der Regierung und den Chefs der mächtigen 'Maras', wie die Gangs in El Salvador genannt werden. Neben Barrio 18 ist das vor allem die Mara Salvatrucha (M-13).

Zusammen mit den Vertretern kleinerer Banden wie 'Máquina', 'Mao Mao' und 'Mirada Locos' einigten sich die großen Maras darauf, ihre Kämpfe gegeneinander einzustellen und Anschläge auf Polizei, Armee und Zivilbevölkerung zu unterlassen. Der Waffenstillstand hat trotz Kritik erste Erfolge erzielt: Während im Januar noch jeden Tag 13 Menschen umgebracht wurden, sind es derzeit zwischen fünf und sechs.


Schrittweiser Umbau

Um den Umbau Schritt für Schritt zu vollziehen, haben die Mediatoren der Friedensverhandlungen, der Ex-Guerillero Raúl Mijango und der katholische Bischof Fabio Colindres, nun die Idee der gewaltfreien Zonen initiiert. Die Mara-Anführer haben sich dazu verpflichtet, in diesen bisher noch nicht namentlich genannten Gemeinden keine Verbrechen mehr zu begehen.

Wenn die Zonen eingerichtet sind, soll das Programm auf andere Gemeinden ausgeweitet werden und schließlich das gesamte Land umspannen. "Wir gehen in kleinen Schritten voran, weil das einfacher umzusetzen ist. Nicht alle Sektoren sind ausreichend auf einen Umbruch vorbereitet", sagte Borromeo Henríquez alias 'Das Teufelchen von Hollywood', ein Chef der Mara Salvatrucha.

Gemeint sind damit zivilgesellschaftliche Organisationen, Kirchen und staatliche Behörden, die mit der sozialen Wiedereingliederung der Bandenmitglieder betraut sind. Die Jugendlichen sollen Ausbildungsplätze und Jobs erhalten, um ihr Geld künftig auf legale Weise verdienen zu können. "Wir bedauern, unseren Mitmenschen so viel Leid zugefügt zu haben", ergänzte Henríquez.


Initiative zu Gesetzesreform gestartet

Während der Friedensverhandlungen hat man sich auch darauf geeinigt, das Jugendbanden-Gesetz entweder zu reformieren oder aufzuheben. Das Gesetz war 2010 verabschiedet worden, um die Maras zu bekämpfen - jedoch erfolglos. Die Mediatoren des Friedensdialogs wollen nun, dass die Wiedereingliederung der Bandenmitglieder gesetzlich festgelegt wird, damit diese nicht der Willkür der Polizei ausgesetzt sind, sobald sie sich entwaffnen. Bereits laufende Verfahren gegen Bandenmitglieder sollen hingegen weiter verfolgt werden.

Der Vorschlag soll nun im Parlament verhandelt werden. Die Abgeordneten sollen sich außerdem mit der Einrichtung eines Kompensationsfonds für Kriminalitätsopfer und deren Familien auseinander setzen. Der bereits existierende Fonds für wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Gemeinden (Fodes) soll reformiert werden, sodass ein Viertel der Gelder an Projekte fließt, an denen ehemalige Bandenmitglieder beteiligt sind. Auch Präventionsmaßnahmen sind geplant.

Der Waffenstillstand steht jedoch auf wackeligen Beinen. Ein Großteil der Bevölkerung zweifelt daran, dass es tatsächlich vorbei ist mit der Gewalt. In einer Umfrage des Universitätsinstituts für öffentliche Meinung (Iudop) im Dezember gaben 89,4 Prozent der Teilnehmer an, dem Waffenstillstand zu misstrauen.


"Ein Recht auf Neuanfang?"

"Es ist nicht einfach für die Menschen, uns zu verzeihen. Ich habe eine ziemlich dunkle Vergangenheit hinter mir. Aber habe ich nicht auch ein Recht darauf, mein Leben zu verändern und neu anzufangen?" fragt Henríquez, der im Norden der Hauptstadt San Salvador im Gefängnis 'La Esperanza' einsitzt.

Die Maras wurden in den 1980er Jahren von bürgerkriegsvertriebenen Zentralamerikanern in den USA gegründet. Viele Mitglieder wurden in ihre Heimatländer zurückgeschickt, wo sie vor allem junge Leute aus Armenvierteln für ihre kriminellen Aktivitäten wie Erpressungen, Entführungen und Drogenhandel rekrutierten. 60.000 Jugendliche sollen den verschiedenen salvadorianischen Maras angehören.

In den USA steht die MS-13, die noch immer in den Vereinigten Staaten operiert, seit Oktober auf der Liste der transnationalen Verbrecherbanden, die auch die mexikanische Drogenmafia 'Los Zetas' aufführt. (Ende/IPS/jt/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Dezember 2012