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INTERNATIONAL/152: Argentinien - Förderkurse für alleinerziehende Frauen mit mehr als drei Kindern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. August 2013

Argentinien: Förderkurse für alleinerziehende Frauen mit mehr als drei Kindern

von Marcela Valente



Buenos Aires, 16. August (IPS) - Die argentinische Regierung hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Sie will derjenigen Bevölkerungsgruppe aus der Armut helfen, deren Chancen auf Arbeit und Wohlstand am schlechtesten sind: den arbeitslosen und alleinerziehenden Müttern mit mehr als drei Kindern.

"Ich habe meinen Ältesten erklärt, dass sie mir morgens helfen müssen, damit ich am Programm 'Ellas Hacen' ('Sie machen's') teilnehmen kann", berichtet Isabel Hernández, Mutter von fünf Kindern im Alter von sechs bis 16 Jahren. Das Programm ist eine Initiative des Ministeriums für soziale Entwicklung und richtet sich an die weiblichen Vorstände großer Familien, die sich gleich mit einem ganzen Bündel von Problemen herumschlagen müssen.

Zuvor hatte Hernández, die mit ihrem Nachwuchs in der Ortschaft Don Torcuato nahe der Hauptstadt Buenos Aires wohnt, vom Kindergeld, dem Verkauf von gebrauchter Kleidung und den Einnahmen aus anderen Hilfsarbeiten gelebt. Jetzt hat sie dafür nur noch wenig Zeit, da sie von montags bis freitags an dem Förderprogramm teilnimmt.

In Argentinien haben minderjährige Kinder arbeitsloser oder im informellen Sektor beschäftigter Eltern Anspruch auf staatliche Beihilfen. Voraussetzung ist, dass sie die Schule besuchen und in regelmäßigen Abständen medizinisch durchgecheckt werden. Im Rahmen des sogenannten AUH-Projekts werden den begünstigten Familien umgerechnet 83 US-Dollar pro Kind ausgezahlt. Kindern mit Behinderungen stehen jeweils 272 Dollar zu. Für sie gelten keine Altersbeschränkungen.

Doch das Programm, von dem etwa 3,5 Millionen Kinder aus armen Familien profitieren, ist für alleinerziehende Mütter nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ihre Chancen, auf dem regulären Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, sind gleich null. Für diese auf landesweit auf 100.000 geschätzten Frauen wurde deshalb 'Ellas Hacen' geschaffen. Die in Betracht gezogenen Frauen erhalten zusätzlich zu dem AUH-Kindergeld monatlich 2.000 Peso (363 Dollar). Die Einnahmen beinhalten auch Beiträge für die Rentenversicherung und die Gesundheitsversorgung der ganzen Familie.


Mit der Beihilfe aus der Armut

AUH und das neue Programm sorgen dafür, dass Hernández und ihre Kinder nun oberhalb der Armutsgrenze leben können. Nach jüngsten Angaben des staatlichen Nationalen Statistikamts sind 5,4 Prozent der 40 Millionen Argentinier arm, 1,4 Prozent von ihnen extrem arm. Die Katholische Universität hatte im Juli die Armutsrate mit 15,5 Prozent angegeben.

Hérnandez macht derzeit ihren Sekundarabschluss nach. Im Rahmen des Programms können Frauen auch lernen, Wasserpumpen und -tanks zu installieren, Malerarbeiten und Mülltrennung durchzuführen und Grünflächen zu pflegen.

"Wir organisieren zudem Workshops zu Themen wie geschlechtsspezifische Gewalt und informieren über sexuelle und reproduktive Gesundheit und Kinderpflege", erläutert Diego Landechea vom Programm Sozialer Zugang mit Arbeit von Morón, einem weiteren Ort in der Nähe von Buenos Aires.

Wie Landechea gegenüber IPS berichtet, haben sich dort bereits 755 Frauen im Alter von 18 bis 62 Jahren für Ellas Hacen angemeldet. 70 Prozent sind AUH-Empfänger. 200 dieser Frauen sind Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt und mindestens 15 von ihnen versorgen ein behindertes Kind.

An der Gruppe, die in Morón angemeldet ist, nehmen fünf Analphabetinnen, 80 Frauen ohne Grundschulabschluss und 190 ohne Sekundarschulabschluss teil. "Ihnen ist es nie gelungen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen", berichtet Landechea. "Mehrere Kinder allein großzuziehen ist zweifellos der eigentliche Faktor für die Ausgrenzung aus dem formellen Markt", fügt er hinzu.

Die Programmteilnehmerinnen können zwischen drei Zeiten wählen, um ihre Schulungskurse zu absolvieren. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass sie am Unterricht teilnehmen. Wer über ein gewisses Stundenkontingent hinaus fehlt, dem werden 350 der 2.000 Peso abgezogen.

Wie Hernández gegenüber IPS berichtet, muss sie die Betreuung ihrer kleinen Kinder sehr gut organisieren. Das geht nur mit der Unterstützung ihres ältesten, 16-jährigen Sohns. Um ihn zu motivieren, hat sie ihm von ihrem ersten Zuschuss eine neue Hose gekauft.

Argentiniens erste Sozialprogramme waren nach dem Amtsantritt des inzwischen verstorbenen Staatspräsidenten Néstor Kirchner (1950-2010) aufgelegt worden. Er hatte 2003 die Amtsgeschäfte des südamerikanischen Landes übernommen, die nun von seiner Witwe, Präsidentin Cristina Fernández fortgeführt werden. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.desarrollosocial.gob.ar/ellashacen/1889
http://www.anses.gob.ar/asignaciln-universal-68
http://www.ipsnoticias.net/2013/08/plan-antipobreza-llega-a-las-argentinas-mas-vulnerables/
http://www.ipsnews.net/2013/08/targeting-hard-core-urban-poverty-with-a-female-face/

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IPS-Tagesdienst vom 16. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2013