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INTERNATIONAL/164: Kambodscha - Ausverkauf der Armen, Emigration schafft neue Probleme (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2014

Kambodscha: Ausverkauf der Armen - Emigration schafft neue Probleme

von Michelle Tolson


Bild: © Michelle Tolson/IPS

Poipet-Grenzübergang zwischen Kambodscha und Thailand
Bild: © Michelle Tolson/IPS

Phnom Penh, 14. Februar (IPS) - Landverlust, Schulden, schlechte Löhne und hohe Strom- und Ölpreise veranlassen viele junge Kambodschaner aus den dörflichen Regionen dazu, ihr Glück außerhalb der Heimat zu suchen. Doch der Aufbruch zu neuen Ufern entpuppt sich häufig als Abstieg in eine Hölle der Ausbeutung.

Arbeitsrechtsaktivisten zufolge ist die Gefahr außerordentlich groß, dass die Migranten vom Regen in die Traufe geraten. Kambodschanerinnen beispielsweise, die mit Heiratsabsichten nach Südkorea oder China reisen, finden sich häufig in Scheinehen wieder. Junge Männer, die auf thailändischen Schiffen anheuerten, greifen zu Drogen, um die unerträglich langen Arbeitsschichten durchzuhalten.

Wie Tola Moeun, Leiter der kambodschanischen Rechtshilfeorganisation 'Community Legal Education Centre' (CLEC), berichtet, leben 80 Prozent aller Kambodschaner von der Landwirtschaft. Doch viele ächzen unter der Last hoher Zinsen, die sie für die Tilgung ihrer Agrarkredite aufbringen müssen. Gerade die jungen Farmer versuchen der Schuldenfalle durch Arbeit im Ausland zu entkommen.

Auch die Missstände in der lokalen Bekleidungsindustrie befeuern die Emigration. Allein schon die Aussicht, in einer Textilfabrik arbeiten zu müssen, sei so schrecklich, dass sie Kambodschas Frauen regelrecht in die Flucht treibe, berichtet Tola.


Belogen und betrogen

CLEC hat nach eigenen Angaben etliche Hilferufe von Eltern erhalten, deren Töchter in China und Südkorea sexuell ausgebeutet werden. Tola zufolge lassen sich kambodschanische Familien von Heiratsvermittlern kaufen, ohne die Situation zu begreifen. Die Wahrheit tritt erst zutage, wenn ihre Töchter in Südkorea angekommen sind und mit der Realität konfrontiert werden.

"Ich war 2011 in Südkorea, wo man mir berichtet hat, dass sich die Frauen dort keine Sorgen machten, dass ihre Männer die Dienste von Prostituierten in Anspruch nähmen, solange sie eine Geliebte hätten", berichtet Tola. "Und hier kommen die kambodschanischen Mädchen ins Spiel. Sie werden mit einem falschen Eheversprechen ins Land gelockt."

In China wiederum hat die offizielle Ein-Kind-Politik der Regierung in den ländlichen Räumen zu einem eklatanten Frauenmangel geführt. "Die Männer wollen Frauen, die kostenlos für sie arbeiten", erläutert Tola. "Auf diese Weise werden Kambodschanerinnen gleich zweifach versklavt: als Arbeitskräfte und Sexualpartner."

Doch eine 24-jährige aus Phnom Penh versicherte gegenüber IPS, dass es durchaus glückliche Verbindungen zwischen kambodschanischen Mädchen und südkoreanischen Männern gebe. "Es gibt viele Kambodschanerinnen, vor allem wenn sie arm sind, die Südkoreaner heiraten. Manchmal kommen sie nach Hause, um ihren Eltern ein Haus zu bauen oder ihnen finanziell zu helfen."

Junge Kambodschaner, die in Thailand ihr Glück suchten, arbeiten dort meist auf dem Bau, auf großen Fischerbooten und in Fischverarbeitungsfabriken. Wollen sie legal einreisen, wenden sie sich an einen Vermittler, der das erforderliche Visum beschafft. Diese Dienstleistung kostet etwa 800 US-Dollar. Preiswerter ist die illegale Einreise. Sie kostet 500 Dollar. Gleichzeitig jedoch sind die Betroffenen in der ständigen Gefahr deportiert und ausgebeutet zu werden.

Die meisten Probleme wurzeln in den Abmachungen, die in Kambodscha getroffen werden, weiß Brahm Press von der 'Raks Thai Foundation', einer Migrantenhilfsorganisation. Oft sei den Menschen gar nicht klar, auf was sie sich da einließen.

"Bis Juli 2013 waren 8.000 Kambodschaner in Bangkok registriert worden - 5.000 Männer und 3.000 Frauen. Später habe ich erfahren, dass sie nach Abzug der Vermittlungsgebühren und Mieten keine 300 Baht (zehn US-Dollar) am Tag zum Leben hatten", berichtet Brahm.

Kürzlich machte der Fall von 13 Kambodschanern im Alter von 15 bis 23 Jahren Schlagzeilen, die sich illegal in Thailand aufhielten. Sie arbeiteten zunächst in einer Gummiband- und später einer Metallfabrik. Zu Problemen kam es jedoch erst, als sie eine Arbeit auf dem Bau annahmen. "Wir wurden miserabel bezahlt und hatten ständig Hunger: Wir verdienten etwa 120 Baht (vier Dollar) pro Tag", schildert Si Pesith, einer der Betroffenen.

Tola zufolge verlangten Pesith und seine Kollegen mehr Nahrung und protestierten gegen die ihnen gezahlten Hungerlöhne. Ihr Arbeitgeber brachte sie daraufhin ins Gefängnis. Normalerweise müssen in Thailand Menschen ohne Papiere mit einer Haftstrafe von sechs bis neun Monaten rechnen. Doch dank der Intervention des kambodschanischen Botschafters You Ay kamen die 13 jungen Leute nach einer Woche frei und konnten heimkehren.


Mit Drogen durch die Doppelschicht

Das US-Außenministerium hat in einem Bericht über den Menschenhandel thailändische Fischerboote als Orte ausgemacht, wo kambodschanische Migranten wie Sklaven gehalten werden. Damit sie ihre bis zu 20 Stunden langen Schichten physisch und seelisch durchhalten, werden sie mit Drogen gedopt. Brahm Press zufolge werden Amphetamine und andere Rauschmittel erst auf den Schiffen verabreicht, seitdem dort Ausländer schuften - zunächst Burmesen, dann Kambodschaner.

Trotz der miserablen Arbeitsbedingungen und der ständigen Gefahr, abgeschoben zu werden, wollen viele Kambodschaner nicht zurück. Erfolgt ihre Deportation, kommt es häufig vor, dass die Betroffenen erneut das Land verlassen. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/01/impoverished-cambodians-sale/

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IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2014