Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

JUGEND/297: Zentralamerika - Jugendbanden vereinbaren Waffenstillstand, nachhaltige Lösung gesucht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Oktober 2012

Zentralamerika: Jugendbanden vereinbaren Waffenstillstand - Nachhaltige Lösung gesucht

von Danilo Valladares


Bandenmitglieder in einem Gefängnis in El Salvador - Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Bandenmitglieder in einem Gefängnis in El Salvador
Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Guatemala-Stadt, 23. Oktober (IPS) - Die Kriminalitätsrate in El Salvador ist seit dem Waffenstillstand zwischen den beiden größten kriminellen Jugendbanden erheblich gesunken. Die Vereinten Nationen lobten die Vereinbarung zwischen den Banden 'Salvatrucha' und 'Barrio 18' als Modell für andere Länder in der Region mit ähnlich gewalttätigen Gruppierungen.

Menschenrechtsorganisationen zweifeln allerdings an der Nachhaltigkeit des Modells. "Viel wichtiger ist es, dafür zu sorgen, dass die Jugendlichen gar nicht erst in die Banden eintreten", sagt Armando Samayoa, Mitarbeiter des nichtstaatlichen Instituts für soziale Kooperation, das Jugendlichen die Möglichkeit gibt, sich auch ohne Schulbesuch aus- und weiterzubilden.

Wenn die Jugendlichen erst einmal einer der sogenannten 'Maras' beigetreten sind, dann sei es kompliziert und teuer, sie wieder herauszubekommen. "Wenn wir vergleichen, wie viel Geld wir in die Sicherheitskräfte stecken und wie viel Geld in Präventionsprogramme fließt, sehen wir himmelweite Unterschiede."


Bildung gegen Gewalt

Dem Experten zufolge helfen diese Präventionsmaßnahmen, die Jugendlichen von den Banden fernzuhalten. In informellen Bildungsprogrammen können die Jugendlichen Sprachen lernen - vor allem Englisch - oder praktische Fähigkeiten erwerben wie Malerarbeiten, Backen und Kochen. Sie können auch Beratung zur Unternehmensgründung erhalten.

In El Salvador kamen nach Angaben des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) im letzten Jahr auf 100.000 Einwohner 69 Morde. Gegenüber 2010 war dies ein Anstieg von sechs Prozent. In Honduras ist die Lage noch kritischer. Dort fallen 91 pro 100.000 Einwohner einem Mord zum Opfer. In Guatemala sind es 39, in Panamá 22, in Nicaragua 13 und in Cosa Rica zehn. Dem UN-Büro zufolge ist die Mordrate in Honduras und El Salvador die weltweit höchste.

Die Mara Salvatrucha und Barrio 18 waren im März übereingekommen, ihre Kämpfe gegeneinander einzustellen und Anschläge auf Polizei, Heer und Zivilbevölkerung zu unterlassen. Der Waffenstillstand hat trotz Kritik erste Erfolge erzielt: Während im Januar noch jeden Tag 13 Menschen umgebracht wurden, waren es im März nur noch 8,2. Die UNODC hält das Modell daher für nachahmenswert in anderen zentralamerikanischen Ländern.

Samayoa warnt jedoch, dass ein Waffenstillstand jederzeit aufgekündigt werden könne. "Ich erinnere mich an einen Fall in Villa Nueva im Süden der Hauptstadt. Die Gangs hatten sich dort darauf geeinigt, die Waffen ruhen zu lassen", erzählt er. Aber schon am nächsten Tag hätten sie schon wieder ganz andere Töne angeschlagen. "Sie sagten, dass sie schließlich ihrer Familie etwas zu essen nach Haus bringen müssten."

Auch Alma Aguilar von der guatemaltekischen Organisation 'Paz Joven' ist der Ansicht, dass die Politik dafür sorgen muss, dass die Jugendlichen gar nicht erst Bandenmitglieder werden. "Die Regierungen müssen zumindest eine mittlere Schulausbildung ermöglichen und den Jugendlichen Erwerbschancen einräumen." Das passiere bisher kaum.

Die Mara wurden in den 1980er Jahren von bürgerkriegsvertriebenen Zentralamerikanern in den USA gegründet. Viele Mitglieder wurden in ihre Heimatländer zurückgeschickt, wo sie vor allem junge Leute aus Armenvierteln für ihre kriminellen Aktivitäten wie Erpressungen, Entführungen und Drogenhandel rekrutierten.


Waffenstillstand ohne Hilfe der Regierung

Die Regierungen Zentralamerikas haben immer wieder erfolglos versucht, die Maras aufzulösen. Der jetzige Waffenstillstand in El Salvador ist schließlich ohne offizielles Zutun der Regierung zustande gekommen. Jetzt versucht die Regierung, offizielle Verhandlungen mit den Jugendbanden aufzunehmen, um einen dauerhaften Waffenstillstand zu erzielen.

"Die Mordrate ist tatsächlich gesunken", sagt Ismelda Villacorta gegenüber IPS. "Doch das ist auch das Einzige", fügt die Anwältin hinzu, die für die nichtstaatliche Stiftung für Studien über die Anwendung von Recht in El Salvador arbeitet. Die Zahl der übrigen Gewaltverbrechen sei weiterhin sehr hoch und in einigen Gegenden im Vergleich zu der Zeit vor dem Waffenstillstand sogar gestiegen. (Ende/IPS/jt/2012)


Link:

http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101751

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. Oktober 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2012