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KONFERENZ/180: Indigene - Rolle in der UN-Nachhaltigkeitsagenda ab 2015 gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. September 2014

Indigene: Rolle in der UN-Nachhaltigkeitsagenda ab 2015 gefordert - Ernährungssicherheit durch traditionelles Wissen

von Gloria Schiavi


Bild: © Manidpadma Jena/IPS

Die Bonda sind eines der ältesten Völker Indiens
Bild: © Manidpadma Jena/IPS

New York, 10. September (IPS) - Die weltweit rund 370 Millionen Indigenen, die sich bei den Millenniumsentwicklungszielen (MDGs) der Vereinten Nationen übergangen sehen, wollen nun eine prominente Rolle in der UN-Nachhaltigkeitsagenda ab 2016 einnehmen, die im kommenden Jahr fertiggestellt sein soll.

"Die Welt kann nach wie vor von unserem Wissen profitieren, indem sie uns in den nächsten 15 Jahren auf ihre Reise mitnimmt", erklärt Galina Angarova, die in New York die 'Tebtebba-Stiftung' ('The Indigenous Peoples' International Center for Policy Research and Education') vertritt. "Wir wünschen uns eine gleichberechtigte Partnerschaft, denn wir wollen keine Almosenempfänger sein."

In ihrer Rede zum Abschluss einer dreitägigen Konferenz nichtstaatlicher Organisationen in New York Ende August, die von der UN-Abteilung für Öffentliche Information (DPI) finanziert wurde, betonte Angarova, dass gesellschaftliche Randgruppen in die Planung von Entwicklungszielen einbezogen werden müssten, ebenso wie in die fortlaufenden Verhandlungen über Nachhaltigkeitsziele (SDGs), die ab 2016 die MDGs ersetzen werden.


Kampf um Selbstbestimmung

Indigene Völker kämpfen nach wie vor für die Anerkennung ihres Rechts auf Selbstbestimmung, das ihnen in der UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker von 2007 garantiert wird.

Das Schlussdokument der New Yorker Konferenz, das im Zuge eines partizipatorischen Prozesses in den letzten Monaten erstellt und korrigiert worden ist, wird in die Debatten über die Entwicklungsagenda nach 2015 und über die SDGs in der UN- Vollversammlung, auf der ersten Weltkonferenz über indigene Völker vom 22. bis 23. September und in den für den Herbst angekündigten Tätigkeitsbericht des UN-Generalsekretärs einfließen.

Auch wenn die Erklärung nicht rechtlich bindend ist, hat sie großen Einfluss auf die Transparenz- und Überprüfungsmechanismen, die für die Nachhaltigkeitsziele eine wichtige Rolle spielen. "Durch die Tatsache, dass das Papier auf den offiziell von wichtigen UN-Gruppen und Interessenvertretern eingebrachten Positionen basiert, erhält es eine starke Aussagekraft", versichert Maruxa Cardama, Co-Vorsitzende des Komitees für den Entwurf der Konferenzerklärung. "Ich denke, dieses Dokument kann uns sehr weit führen, wenn wir uns die Kraft 'weicher Gesetzgebung' und 'weicher Politik' vor Augen führen."

Die diesjährige UN/DPI-Konferenz war die 65., die erstmals seit sieben Jahren wieder in New York stattfand. Das Interesse der Zivilgesellschaft war groß. Unter den Teilnehmern waren mehr als 2.000 Vertreter international tätiger Organisationen aus mehr als 100 Ländern. Mitglieder von Ureinwohnergruppen lieferten überzeugende Argumente dafür, warum die Belange Indigener in den Entwicklungsagenden berücksichtigt werden müssen.

Laut Angarova nehmen die indigenen Territorien 24 Prozent der gesamten Landfläche der Erde ein. Dort seien 80 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten heimisch, erklärte sie. "Viele Unternehmen liebäugeln mit unseren Gebieten, um Profit aus ihnen zu schlagen. Deshalb ist es so wichtig, dass die dort lebenden Menschen um ihre Zustimmung gefragt werden. Andernfalls können sich die Firmen ungehindert an den Ressourcen bedienen." In einem solchen Fall würden die Indigenen in eine moderne Gesellschaft geworfen, in der sie nicht überleben könnten, warnt sie.

Indigenenvertreter und andere Aktivisten sind dafür, dass die Ethnien in allen Fragen, die sie und ihre Territorien betreffen, ein Mitbestimmungsrecht erhalten. Auf diese Weise ließen sich zudem die Chancen, Entwicklungsziele wie Hungerbekämpfung und Ernährungssicherheit zu erreichen, erhöhen.

"Nahrungsmittelhoheit ist, zusammen mit der Anerkennung von Rechten und Kulturen, eine Voraussetzung dafür, dass die Ernährung der indigenen Gemeinschaften gesichert werden kann", sagte Andrea Carmen, Exekutivdirektorin der Organisation 'International Indian Treaty Council' (IITC). Die autochthonen Völker hätten jahrhundertelang nachhaltig gelebt und ihr Wissen an die nächste Generation weitergegeben, erklärte sie. "Die Menschen hatten ausreichend Nahrung, ohne dass die Umwelt geschädigt worden wäre. Deshalb ist es so wichtig, den Schutz ihrer Kulturen zu gewährleisten."

Die indigenen Gemeinschaften sollten deshalb nicht nur Zugang zu den natürlichen Ressourcen haben, sondern ihren Kindern auch traditionelles Wissen weitergeben können, so Carmen. Von den Älteren könnten die Jungen alles über die Zyklen des Lebens, der Natur, der Ernten und der Landwirtschaft erfahren. "Vielleicht wird die Welt dann auf die Ureinwohner schauen und auf respektvolle Weise fragen, wie es ihnen gelingt, Mais ohne Wasser zu produzieren."


Indigene Sprachen sterben aus

Myrna Cunningham, Präsidentin des Zentrums für Autonomie und Entwicklung der indigenen Völker in Nicaragua, legte dar, wie Ureinwohner durch ihnen auferlegte Entwicklungsmodelle in die Armut getrieben wurden. Auch ihre Kultur gehe daran zugrunde.

In den vergangenen 100 Jahren sind etwa 600 indigene Sprachen ausgestorben, durchschnittlich eine alle zwei Monate. Da Sprachen Teil der Biodiversität sind, die die Ureinwohner bewahren, bedeutet der Verlust von Sprachen auch einen Verlust an Artenvielfalt. Begriffe wie 'geistiges Eigentum' und 'Menschenrechte' kämen in indigenen Idiomen nicht vor, sagt Carmen. Es sei nun an der Zeit, kritisch zu untersuchen, inwieweit fremde Sprachen und Kulturen die Lebensrealität der Ureinwohner bereits überlagerten. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/09/indigenous-peoples-seek-presence-in-post-2015-development-agenda/

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IPS-Tagesdienst vom 10. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2014