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MELDUNG/010: UN-Generalsekretär Ban Ki-moon unter Beschuß - Autoritärer Führungsstil gerügt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. August 2010

UN: Generalsekretär Ban Ki-moon unter Beschuss - Autoritärer Führungsstil gerügt

Von Thalif Deen


New York, 17. August (IPS) - In Südkorea ist Ban Ki-moon ein bekannter Markenname. Er steht für Erfolg. Wenn die Amtzeit des gleichnamigen UN-Generalsekretärs Ende 2011 ausläuft, erwarten seine Landsleute automatisch, dass er für weitere fünf Jahre zum UN-Chef gewählt wird.

"In der koreanischen Kultur ist Scheitern keine Option", meinte dazu ein asiatischer Diplomat, der sich Anonymität ausbat. "Alles, was kürzer als eine zweimalige Amtszeit ist, dürfte sich für den derzeitigen UN-Chef als politisches Harakiri erweisen." Ein diesbezügliches Versagen würden die Menschen in dem politisch und wirtschaftlich aufstrebenden Staat als unerträgliche Schmach empfinden.

Während Ban Ki-moon, ein ehemaliger Außenminister, in seinem Heimatland Südkorea hohes Ansehen genießt, gerät er innerhalb der Vereinten Nationen zunehmend in die Schusslinie. Besonders hart fiel die Kritik der scheidenden Untergeneralsekretärin Inga-Britt Ahlenius aus. Die Schwedin bescheinigt ihrem Chef im letzten Monat auf 50 Seiten einen schlechten Führungsstil, autoritäres Auftreten, undurchsichtiges Management und eine "Kultur der Geheimhaltung" vor. "Ihr Vorgehen ist nicht nur beklagenswert, sondern sogar höchst verwerflich", wirft sie ihrem Vorgesetzten vor.

Wie heikel die derzeitige Situation für den UN-Chef ist, zeigte sich in der ersten Augustwoche, als der seit dreieinhalb Jahren amtierende Ban eine später zur 'Leitlinie' abgeschwächte Erklärung zu der politisch hochsensiblen Kaschmir-Frage zurücknehmen musste. Er reagierte damit auf heftigen Protest aus Indien. Die Regierung in Neu-Delhi hatte sich darüber empört, dass Bans Büro "Besorgnis" über die Sicherheitslage in der Region zum Ausdruck brachte. Indien betrachtet die Kaschmir-Frage als innere Angelegenheit, in die sich die internationale Gemeinschaft nicht einmischen dürfe.


Offenkundige Schwächen

Die UN-Expertin und Journalistin Barbara Crossette nennt einige Faktoren, die gegen Ban sprechen. So sei sein Englisch nicht besonders gut und er reagiere nur zögerlich auf Krisen. Sein Stab verbreite zwar zahlreiche Kommentare zu internationalen Ereignissen, doch die Äußerungen blieben immer an der Oberfläche, kritisierte sie. Dass er Konfrontationen ausweiche und keine Emotionen zeige, seien weitere Handicaps.

Einem Vertreter einer Nichtregierungsorganisation zufolge, der ungenannt bleiben wollte, hat Ban das Problem, dass alle seine Defizite deutlich sichtbar sind. Dafür bedürfe es keiner politischen Verschwörung, betonte er. "Der Generalsekretär verliert stetig an Boden. Was die Vereinten Nationen brauchen, ist ein starker, dynamischer Führer."

Auch der UN-Botschafter und ehemalige UN-Untergeneralsekretär Anwarul K. Chowdhury hat an Bans Amtsführung einiges auszusetzen. Nach dreieinhalb Jahren sei es höchste Zeit, seine Tätigkeit kritisch zu begutachten.

Chowdhury zufolge sind Bans Kenntnisse über die multilateralen Strukturen der Weltorganisation zu gering. Ebenso wenig seien Fortschritte, die er etwa auf dem Gebiet des Klimaschutzes vorweisen könne, kaum erkennbar. Auch wenn er das Problem der 'bottom billion', des ärmsten Teils der Weltbevölkerung, in den Fokus rücken konnte, fehle es an nennenswerten Ergebnissen.


"Arbeitsmoral wird immer schlechter"

Bei den Hilfsaktionen für das durch ein Erdbeben schwer beschädigte Haiti habe Ban keine Führungsqualitäten bewiesen, rügte Chowdhury. Und anstelle der angekündigten UN-Verwaltungsreform seien lediglich neue Kommando- und Kontrollstrukturen eingezogen worden. Dem UN-Diplomaten zufolge beklagen sich hochrangige Mitarbeiter des Generalsekretärs mittlerweile darüber, dass ihre Vorschläge von Bans persönlichem 'Klüngel' ignoriert würden. "Die Arbeitsmoral wird immer schlechter", stellte der UN-Botschafter fest.

Samir Sanbar, ein ehemaliger beigeordneter Generalsekretär, sieht Ban von seinen Führungskräften schlecht beraten. Der Generalsekretär wies kürzlich erst nach längerem Zögern Spekulationen zurück, wonach er heimlich einen Deal mit Israel geschlossen habe. Demnach soll er der Regierung in Jerusalem versprochen haben, bei der Untersuchung über den blutigen Angriff auf die Friedensflotte im Mai keine Sicherheitsbeamten zu befragen, die für den gewaltsamen Tod von neun türkischen Aktivisten verantwortlich waren.

Eine solche Geheimabsprache mit Israel wäre gar nicht nötig, meinte dazu Sanbar. Denn in dem zuständigen Ausschuss säßen der frühere kolumbianische Präsident ‘lvaro Uribe und der der ehemalige neuseeländische Premierminister Geoffrey Palmer. Beide seien als große Freunde Israels bekannt.

Ban verteidigte sich indes vehement gegen seine Kritiker. Es sei ungerecht, ihm vorzuwerfen, nicht ausreichend Rechenschaft über seine Handlungen abzulegen, sagte er vor der Presse. Zugleich versicherte er, die "höchsten moralischen Standards innerhalb der UN" zu beachten. (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2010