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MELDUNG/031: Langwierige Terrorismus-Diskussion - Zusatzkonvention lässt auf sich warten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. November 2010

UN: Langwierige Terrorismus-Diskussion - Zusatzkonvention lässt auf sich warten

Von Thalif Deen


New York, 25. November (IPS) - Als Ende Mai neun mehrheitlich türkische Aktivisten auf dem Blockadebrecher 'Mavi Marmara' vor der Küste des Gazastreifens von israelischen Soldaten erschossen wurden, nannte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan den Vorfall ein eindeutiges Beispiel für Staatsterrorismus. "Selbst Tyrannen, Banditen und Piraten halten sich an eigene ethische Regeln", sagte er, "nicht aber Terroristen, die im Auftrag eines UN-Mitgliedstaates töten".

Bekannte Künstler wie der Musiker Elvis Costello und die Rockband 'Pixies' sagten aus Protest gegen die Erstürmung des Schiffes, das Hilfsgüter für den abgeriegelten Gazastreifen geladen hatte, ihre Konzerte in Tel Aviv ab. Einer der führenden israelischen Veranstalter, Shuki Weiss, beschuldigte die wachsende Boykottbewegung gegen Israel daraufhin des "Kulturterrorismus". Es sei falsch, Musik und Politik zu mischen", erklärte er zu einem Zeitpunkt, als die Palästinensische Kampagne für einen akademischen und kulturellen Boykott Israels an Fahrt aufnahm.

Angesichts der Emotionalität, mit der die Terrorismusdebatte geführt wird, dürfte es kaum überraschen, dass das von der UN-Vollversammlung im Dezember 1996 einberufene Ad-Hoc-Komitee zu Fragen des internationalen Terrorismus mit ihrem Entwurf einer Konvention zur Beseitigung des Terrorismus auf der Stelle tritt. Im vergangenen Monat unternahm das Komitee einen weiteren erfolglosen Versuch, eine Unterscheidung zwischen 'Freiheitskämpfern' und 'staatlich geförderten Terrorismus' herbeizuführen.

"Man erkennt Terrorismus, sobald er in Erscheinung tritt", meinte der srilankische UN-Botschafter Palitha Kohona, der ehemaliger Leiter der UN-Abteilung für internationale Verträge. Wie er berichtete, wurde der von Indien 2001 eingebrachte Entwurf von vielen Delegationen befürwortet. So hätten einige dafür plädiert, staatlich geförderten Terrorismus oder bestimmte staatliche Aktionen als Form von Terrorismus in die Vorlage aufzunehmen. Andere lehnten dies mit der Begründung ab, dass es bereits internationale Bestimmungen gebe, die Übergriffe durch den Staat reglementierten.

Auch wurde der Vorschlag unterbreitet, bestimmte Handlungen von Befreiungsbewegungen aus dem Entwurf zu streichen - was jedoch auf breiten Widerstand stieß. Die neue Konvention ist als Zusatzabkommen gedacht, das die bereits existierenden 13 UN-Terrorismuskonventionen ergänzen soll.

Mouin Rabbani, Redakteur des in Washington angesiedelten 'Middle East Report', wies auf die Widersprüchlichkeiten im Umgang mit dem Begriff Terrorismus hin: So würden im Nahostkonflikt bewaffnete Aktivitäten von Palästinensern und Arabern gegen israelische Sicherheitskräfte als terroristisch bezeichnet, Übergriffe israelischer Soldaten auf Zivilisten hingegen als berechtigte Maßnahmen der Selbstverteidigung.


Absurditäten einer emotional geführten Debatte

"Und noch absurder wird es, wenn friedliche Boykottkampagnen gegen Israel oder gegen illegale Erzeugnisse etwa aus den israelischen Siedlungen als Terrorismus bezeichnet werden, die kollektive Bestrafung der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen jedoch, die bereits zahlreiche Menschenleben gefordert habe, als Anti-Terrorismus-Maßnahme durchgeht", sagte Rabbani.

Rohan Perera, Vorsitzender des Ad-Hoc-Komitees zu Fragen des internationalen Terrorismus, sieht als einzigen Weg, um die angestrebte Übereinkunft unter Dach und Fach zu bringen, in der Verständigung auf eine operative, strafrechtliche Definition statt einer allgemeinen Deutung von Terrorismus.

Die internationale Gemeinschaft hat den Einsatz terroristischer Maßnahmen als Waffe zur Unterdrückung politischer Ansichten bereits mehrfach verurteilt. Ihr sei sehr daran gelegen, die rechtlichen Lücken in den internationalen Verträgen durch ein Zusatzabkommen zu schließen, versicherte Palitha Kohona. "Die Konvention kommt." (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://www.un.org/law/terrorism/index.html
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53646


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2010