Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

AGRAR/1682: Milchvieh-Agrarfabriken-Gigantomanie (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 379 - Juli/August 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Milchvieh-Agrarfabriken-Gigantomanie
Milchviehhaltung gehört auf Bauernhöfe und nicht in Agrarfabriken und Konzerne

von Eckehard Niemann



So wie in Deutschland wird weltweit in fast allen Ländern die allermeiste Milch noch in bäuerlichen Betrieben erzeugt. Es gibt aber auch Mega-Milchviehfarmen, die sich oft in der Hand von Molkereien oder anderen Konzernen befinden.


Eine-Million-Kühe-Konzern?

Das weltweit größte Agrarunternehmen mit 32 Betriebsstätten und jeweils 22.000 Milchkühen will der Mitbegründer und ehemalige Direktor der niederländischen Hotel-Buchungs-Website Booking.com in Brasilien aufbauen. Wie der holländische Internetdienst Boerderij unter Berufung auf die Website Emerce berichtet, hat der 48jährige Koolen seine Firma Booking.com im Jahr 2005 an die Firma Priceline verkauft. Nun strebe der Bauernsohn aus dem niederländischen Brabant mit seinem Vermögen von über 100 Mio. Euro binnen zehn Jahren ein Wachstum auf eine Mio. Kühe an. Bereits im Jahr 2008 berichteten Medien, dass der Milchkonzern Danone den Aufbau von Megaställen mit Hilfe von Finanzinvestoren prüfe, wobei eine algerische Farm mit 32.000 Kühen als Musterprojekt galt. Als Vorbild diente die weltgrößte Milchviehfarm in Al Safi/Saudi-Arabien mit ebenfalls 32.000 Kühen. Der israelische Hersteller AFIMILK berichtet vom Bau von zwölf Farmen mit insgesamt 23.000 Kühen in Vietnam.


USA, Russland, China, Neuseeland

Als größte Milchviehfarm der USA gilt das Unternehmen Fair Oak Farms in Indiana mit 32.000 Kühen, gefolgt von Threemile Canyon Farms in Boardman/Oregon mit 24.000 Kühen. Als größten Milchproduzenten Russlands bezeichnet sich die deutsche Holdinggesellschaft Ekosem-Agrar GmbH des deutschen Investors Stefan Dürr mit 19.000 Milchkühen an mehreren Standorten und 120 Mio. Litern Jahresproduktion. Bis zum Jahr 2015 soll der Bestand auf 30.000 Kühe aufgestockt werden. Das Rohstoffhandelsunternehmen Olam aus Singapur will gemeinsam mit dem russischen Agrar-Großproduzenten Rusmolco dessen Bestand von bislang 3.600 auf 20.000 Kühe in vier Farmen erhöhen. In der Ukraine haben Großunternehmen Betriebsgrößen mit bis zu 7.000 Kühen. Der schweizerische landwirtschaftliche Informationsdienst lid teilt derweil unter Berufung auf ABC Rural mit, dass der neuseeländische Molkereikonzern Fonterra in China bereits eine Mega-Farm mit 15.000 Milchkühen eröffnet habe, die aus fünf Teilbetrieben mit jeweils 3.000 bis 3.500 Kühen bestehe und jährlich 150 Mio. Liter Milch produzieren wolle. Eine weitere Megafarm ist für 2015 geplant. Der Gründer von Chinas größter Molkerei, China Modern Dairy, kommt demnächst auf 19 industrielle Milchfarmen mit jeweils etwa 10.000 Kühen. Der chinesischen Investorengruppe Pengxin wurde von der neuseeländischen Regierung der Kauf von 16 Milchfarmen im Lande gestattet. Der größte in Familienbesitz befindliche Milchviehbetrieb Neuseelands, die Crafar Farm mit 20.000 Kühen an 22 Standorten, musste 2009 Konkurs anmelden. Die neuseeländische Firma Dairy Holdings berichtet von ihren Tochterunternehmen, die 2013/14 56 Milchvieh-Einheiten mit 43.144 Kühen betrieben. Das Unternehmen FarmRight managt 42 Farmen mit 32.747 Kühen. MyFarm betreibt 47 Milchfarmen mit 37.000 Kühen.


Deutschland, Niederlande

In Deutschland gab es zu DDR-Zeiten etwa 50 "industriemäßig arbeitende" Agrarfabriken mit insgesamt 100.000 Kühen - die aber nach der deutschen Einheit aus ökonomischen Gründen eingestellt bzw. massiv verkleinert wurden. Heute gehören die folgenden Milchvieh-Unternehmen bzw. Milchviehanlagen zu den größten in Deutschland: 1. Bartholomäus Straathof, mit 3.000 Kühen in Kaarßen bei Hagenow; 2. Agrargesellschaft Uckermark AG, Dedelow bei Prenzlau, mit 2.500 Kühen; 3. Milchviehanlage Kröpelin der Agro Energy AG 2.200 Kühe; 4. Rhinmilch-Verbund, Fehrbellin, 1.830 Kühe; 5. Erzeugergenossenschaft Neumark in Thüringen mit 1.800 Kühen; 6. GAG Ceres Agrargesellschaft, Mallentin der Familie Koopman mit insgesamt 4.500 Kühen an vier Standorten, 7. Stadtgüter Berlin Süd Vrieling KG, Jühnsdorf, mit 3.100 Kühen an drei Standorten; 8. Budissa-Gruppe, Niederkaina, mit 2.900 Kühen an drei Standorten; 9. Vereinigte Agrarbetriebe Seydaland GmbH & Co. KG, vier Betriebe mit insgesamt 2.360 Kühen an vier Standorten; der größte Milchviehbetrieb der Niederlande, die van-Bakel-Gruppe in Vredepeel, hält 2.000 Kühe. Holländischen Ursprungs ist auch die "Koepon Holding" des Unternehmers Wijnand Pon, zu der neben Alta Genetics auch fünf Farmen mit 3.200 Kühen in den Niederlanden, Schottland, Polen sowie zwei in Mecklenburg-Vorpommern gehören.


Widerstand

In Großbritannien wurde 2012 der Bau der landesweit größten Milchviehfarm mit 8.100 Kühen von Initiativen verhindert. In Frankreich kämpft die Confédération paysanne gegen einen geplanten 1.000er Milchviehstall. Auch in Deutschland verhinderten Initiativen von Bauern und Bürgern bereits etliche geplante Ställe mit mehreren tausend Kühen, darunter die Erweiterung auf eine 3.200er-Anlage in Barver (Kreis Diepholz).

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 379 - Juli/August 2014, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2014