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AGRAR/1729: Ein agrarpolitisches Leitbild? (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 387 - April 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Ein agrarstrukturelles Leitbild?
Agrarminister debattieren den Bodenmarkt, entscheiden mögen sie nicht

Von Claudia Schievelbein


Außer Spesen nichts gewesen - so extrem würden die diplomatisch versierten Länderagrarminister die Abarbeitung des Tagesordnungspunktes Bodenmarkt auf der Agrarministerkonferenz (AMK) in Bad Homburg sicher nicht beschreiben. Aber mindestens Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aikens (CDU) ließ hinterher verlautbaren, er hätte sich mehr vorstellen können und zeigte sich erstaunt besonders über die zögerliche Haltung seiner grünen Amtskollegen. So wurde der auf der AMK vorgestellte Abschlussbericht der vor einem Jahr ins Leben gerufenen AMK-Arbeitsgruppe zur Bodenmarktpolitik lediglich diskutiert, zu konkreten Beschlüssen konnte sich die Ministerriege trotz der im Bericht gemachten konkreten Handlungsoptionen nicht durchringen. Begründet wird das gerne einfach mit den sehr unterschiedlichen Agrarstrukturen in den einzelnen Bundesländern und dem damit einhergehenden unterschiedlichen Leidensdruck. Allerdings hatte die Arbeitsgruppe politischen Handlungsbedarf überall auf dem Bodenmarkt konstatiert. Dieser ergebe sich aus dem unverändert starken Anstieg der Kauf- und Pachtpreise, der mittlerweile vielen Bäuerinnen und Bauern den Zugang zu Flächen erschwere oder unmöglich mache. In bestimmten Regionen wachse die Gefahr von marktbeherrschenden Stellungen von Unternehmen auf dem Bodenmarkt. Für bedenklich hält die Arbeitsgruppe auch die Nichterfassung des Erwerbs von Geschäftsanteilen im Grundstücksverkehrsgesetz. Damit drohe eine "schleichende Delegitimierung" des Grundstücksverkehrsrechts. Darüber hinaus gibt es Kritik an der unterschiedlichen Umsetzung und Anwendung der bodenrechtlichen Regelungen zwischen den Ländern, aber auch innerhalb der Länder, sowie am Mangel an Daten zum Geschehen auf dem Bodenmarkt sowie dem anhaltenden Verlust landwirtschaftlicher Flächen durch Umwidmung für andere Zwecke. Die Arbeitsgruppe spricht sich dafür aus, eine hohe Eigentumskonzentration als eigenen Versagensgrund im Grundstücksverkehrsgesetz einzuführen. Weitere Handlungsoptionen gehen dahin, Vollzugsdefizite bei der Anwendung des Grundstücksverkehrsgesetzes und des Landpachtverkehrsgesetzes zu beseitigen und die Transparenz auf dem Bodenmarkt zu erhöhen. Ähnliches hat die AbL immer wieder angemahnt. Dass die Minister sich auf gar keine Maßnahmen aus dem vorgeschlagenen Strauß einigen mochten, könnte allerdings auch damit zusammenhängen, dass es durchaus mächtige Interessen gibt, die keine stärkere Reglementierung des Bodenmarktes gerade und besonders auch in den ostdeutschen Bundesländern wollen. Bestärkt werden sie derzeit von Alfons Balmann, Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle, der Eingriffe in den Bodenmarkt speziell in Ostdeutschland für unnötig hält. Seiner Meinung nach reflektieren die gestiegenen Pacht- und Kaufpreise die in den vergangenen Jahren erzielte Rentabilität der ostdeutschen Landwirtschaft sowie die günstigen Finanzierungsbedingungen. Kritisieren müsse man laut Balmann nicht die Ausschreibungsergebnisse der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG), sondern "das Zurückbleiben der Preise der anderen, überwiegend privaten, Verkäufer und Verpächter". Eine Regulierung bei der Anteilsübernahme landwirtschaftlicher Betriebe hält er für schädlich im Hinblick auf die Vielfalt der ostdeutschen Agrarstruktur. Die ostdeutsche Landwirtschaft sei kein benachteiligter Sektor, der eines besonderen staatlichen Schutzes vor den Kräften des Marktes- und insbesondere des Wettbewerbs bedürfe, konstatierte er.

Starke Interessen

Widersprechen sollte ihm da eigentlich der Sachsen-Anhaltiner Aikens, der sich als einziger Agrarminister bislang mit der Idee eines Agrarstruktursicherungsgesetzes für sein Land aus dem Fenster gelehnt hatte und nun nach der AMK einen Entwurf dafür vorlegen will. Auf Bauernverbandsversammlungen im Land war ihm allerdings auch schon einiges an Widerstand entgegengeschwappt; fünf Agrargenossenschaften hatten bereits in einem offenen Brief an ihn gefordert, er solle die Finger davon lassen. Man fürchte die "schrittweise Enteignung der Betriebe in einer Gesellschaftsrechtsform". Aikens betont stets, dass er für einen Dialog offen ist; er will in dem künftigen Agrarstruktursicherungsgesetz die Regelungen des Grundstücksverkehrsgesetzes, des Landpachtverkehrsgesetzes und des Reichssiedlungsgesetzes zusammenfassen und "an geeigneten Stellen" ändern. Zentraler Punkt ist die angekündigte Formulierung eines agrarstrukturellen Leitbildes, an dem sich die geplanten Maßnahmen orientieren sollen. Besonders das Leitbild bringt Bauernverbandsvertreter in Wallung. Es dürfe nicht die eine Organisationsform gegen die andere ausgespielt werden sowie die unternehmerische Freiheit nicht beschnitten werden!

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 387 - April 2015, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2015

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