Hans-Böckler-Stiftung - 05.10.2016
Social Media im Betrieb: Chancen nutzen, "Digitale Spaltung" der Belegschaft verhindern
Aktuelle Studie und Digitalisierungskongress in Berlin
Unternehmen haben soziale Netzwerke für sich entdeckt - und laden den Beschäftigten damit oft eine zusätzliche Belastung auf, zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie.* Betriebsräte sollten eingreifen. Auswertungen der Stiftung zeigen, dass insbesondere der Datenschutz mittlerweile ein absoluter Schwerpunkt bei neuen Betriebsvereinbarungen zwischen Arbeitnehmervertretung und Management ist.** Diese Themen spielen auch eine wichtige Rolle auf dem Digitalisierungskongress, den die Hans-Böckler Stiftung in Kooperation mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) am 17. und 18.Oktober in Berlin veranstaltet (mehr Informationen unten).
Ein bisschen wie Facebook sein - das wünschen sich manche Chefs für ihre
Firma. Sie wollen das Prinzip des sozialen Netzwerks auf die Kommunikation
innerhalb des Unternehmens übertragen. Die Idee: Mitarbeiter sollen über
eine gemeinsame Plattform einfacher in Kontakt kommen, Ideen austauschen,
Wissen teilen, Projekte bearbeiten - nicht nur mit Kollegen in
Nachbarbüros, sondern weltweit. Auch über Privates oder das Kantinenessen
darf geplaudert werden. Einige deutsche Konzerne haben bereits
firmeneigene Netze eingerichtet, beispielsweise die Siemens Blogosphere,
das Telekom Social Network, Connect.BASF oder ConNext von Continental.
Bei der Einführung solcher Netzwerke stehen betriebswirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund. Vernachlässigt wird dagegen häufig die Frage, was die sogenannte "Social Collaboration" oder "Enterprise 2.0" für die Beschäftigten bedeuten. Wie wirken sich neue Formen der Kommunikation auf Arbeitsbedingungen und Anforderungen aus? Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die betriebliche Mitbestimmung? Diese Fragen hat Dr. Tanja Carstensen, Soziologin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, auf Basis einer Online-Befragung mit mehr als 500 Teilnehmern und ausführlicheren Interviews mit Beschäftigten und Betriebsräten untersucht.
Ein Ergebnis der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie: Für manche erweisen sich Social Media als das passende Werkzeug, um sich mit Kollegen zu vernetzen. Viele empfinden diese Form der Kommunikation allerdings als Belastung, erkennen nicht unbedingt einen Mehrwert oder fühlen sich nicht gut genug vorbereitet. Hier zeige sich die Ambivalenz von Technik: einerseits Arbeit zu erleichtern, den Beschäftigten aber andererseits neue Tätigkeiten abzufordern, so die Forscherin.
- Mehrarbeit bedeuten und den sowieso schon hohen Termin- und Leistungsdruck weiter erhöhen; anstatt andere Kanäle wie E-Mail zu ersetzen, kommen Social Media meist noch hinzu,
- ständige Unterbrechungen während der Arbeitszeit verursachen und die Anforderungen an Multitasking erhöhen,
- zu einer Entgrenzung der Arbeitszeiten führen - zum Beispiel aufgrund permanenter Erreichbarkeit,
- zu Selbstausbeutung und psychischen Belastungen führen, da die Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und anderen Lebensbereichen verschwinden,
- eine kleinteilige Zerlegung und Aufteilung von Tätigkeiten auf mehrere Personen ermöglichen; letztlich könnten Aufgaben dadurch leichter an eine anonyme Masse von Crowd Workern ("Klickarbeitern") im Internet ausgelagert werden,
- von Arbeitgebern zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle genutzt werden; theoretisch können unbemerkt und überall Daten über das Nutzerverhalten aufgezeichnet werden,
- die Belegschaft in Nutzer und Nichtnutzer von Social Media spalten. Während die Nutzer der Netzwerke enger zusammenrücken, könnten andere abgehängt werden - insbesondere für ältere Beschäftigte kann dieser sogenannte "Digital Divide" ein Problem darstellen.
Die Untersuchung von Carstensen zeigt, dass es um weit mehr als nur ein
Technikthema geht: Soziale Netzwerke seien "ein Baustein der grundlegenden
Veränderungen von Erwerbsarbeit", im Zuge deren von jedem Einzelnen mehr
Selbstdisziplin, Flexibilität und Transparenz erwartet werden. Auch wenn
sich viele Nutzer von sozialen Netzwerken nicht reglementieren lassen
wollen, so die Autorin, müssten Betriebs- und Personalräte zum Schutz der
Mitarbeiter eingreifen. Für eine Reihe von Fragen biete das
Betriebsverfassungsgesetz eine gute Grundlage, etwa bei der Einführung von
technischen Einrichtungen, die dazu geeignet sind, Beschäftigte zu
überwachen. Gleichwohl sei die Umsetzung in der Praxis nicht immer ganz
einfach: "Auf der einen Seite müssen die Mitbestimmungsgremien diejenigen
Mitarbeiter, die Social Media ablehnen - sei es aus Datenschutzgründen,
aus Arbeitsüberlastung oder aus Scheu -, bis zu einem gewissen Grad
schützen", so Carstensen. "Andererseits muss den Mitarbeitern, die gern
mit neuen Medien arbeiten möchten und für die diese Arbeitserleichterung,
Wertschätzung und motivierende Arbeitsumgebung darstellen, diese
Arbeitsweise ermöglicht werden".
(*) Tanja Carstensen: Social Media in der Arbeitswelt.
Herausforderungen für Beschäftigte und Mitbestimmung,
Bielefeld 2016
Weitere Informationen unter:
http://media.boeckler.de/Sites/A/Online-Archiv/18566
- (**) Digitales, Arbeitszeiten und psychische Belastungen sind Topthema bei
Betriebsvereinbarungen. Helge Baumann u. Dr. Manuela Maschke
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution621
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hans-Böckler-Stiftung, Rainer Jung, 05.10.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2016
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