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ENERGIE/2118: Südliches Afrika - Atomkraft soll Defizite bei Stromversorgung beheben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. November 2015

Südliches Afrika: Atomkraft soll Defizite bei Stromversorgung beheben

von Jeffrey Moyo


HARARE (IPS/IDN) - Umweltexperten im südlichen Afrika haben sich für die Nutzung von Kernenergie zur Stromerzeugung ausgesprochen. Ihre Empfehlung steht im Einklang mit dem siebten Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen, dem zufolge allen Menschen "Zugang zu erschwinglichen, verlässlichen und modernen Energiequellen" garantiert werden soll.

Ein Einsatz von Kernwaffen steht in der Region nicht zur Debatte. Seit Juli 2009 gilt das Abkommen von Pelindaba über eine atomwaffenfreie Zone in Afrika, dem 38 Staaten beigetreten sind.


Stromversorgung vor allem im südlichen Afrika unzureichend

"Den Ländern in der Region südlich der Sahara muss gestattet werden, Kernenergie zu nutzen, um Defizite bei der Stromversorgung auszugleichen", sagte Happison Chikova, ein unabhängiger Umweltexperte, der in der simbabwischen Hauptstadt Harare lebt, dem Informationsdienst IDN. "Dabei sollte allerdings auch die langfristige Bedrohung der menschlichen Gesundheit durch Atommüll berücksichtigt werden."

Atommüll ist ein radioaktives und extrem toxisches Nebenprodukt, das in Kernkraftwerken, in der Nuklearmedizin und bei der Produktion von Kernwaffen anfällt. Die Abfälle bleiben über Tausende Jahre radioaktiv und müssen in Beton- oder Stahlcontainern tief im Boden vergraben oder im Meer versenkt werden.

Während in den militärisch hoch gerüsteten Staaten eine rege Debatte über nukleare Abrüstung im Gang ist, besitzt kein einziges afrikanisches Land Kernwaffen. Dagegen verfügen die neun großen Atommächte der Welt nach Erkenntnissen der 'Arms Control Association' über insgesamt etwa 16.000 atomare Sprengköpfe, von denen mehr als 90 Prozent Russland und den USA gehören. Gemeinsam mit China, Frankreich und Großbritannien sind diese beiden Staaten ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat. Außerdem ist bekannt, dass Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea Kernwaffen besitzen.


Südafrika verzichtete freiwillig auf Kernwaffen

Im südlichen Afrika hatte bisher nur Südafrika in der Vergangenheit Atomwaffen besessen. Als erste Nation der Welt schaffte das Land freiwillig alle Kernwaffen ab, die vor dem Amtsantritt der von dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) geführten Regierung in den 1990er Jahren entwickelt worden waren. Südafrika unterzeichnete 1975 das Übereinkommen über biologische Waffen, 1991 den Atomwaffensperrvertrag und 1995 die Chemiewaffen-Konvention.

"Als Bürger Südafrikas sind wir uns der Tragweite des freiwilligen und unilateralen Verzichts der südafrikanischen Regierung auf Nuklearwaffen in den 1990er Jahren bewusst", sagt Mike Kantey, ehemaliger Vorsitzender der Koalition gegen Atomenergie und derzeit Direktor der 'Watercourse Media and Development Company'.

Stellungnahmen von Experten wie Kantey deuten darauf hin, dass den Staaten Afrikas, insbesondere Südafrika, die mit Kernenergie verbundenen Risiken deutlich vor Augen stehen.

"Als Atomgegner und Veteranen im Kampf gegen die Apartheid fühlen wir uns dadurch geehrt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Delegation aus Hiroshima zu Gast gehabt zu haben. Wir haben den Augenzeugenbericht eines 'hibakusha', eines Überlebenden des nuklearen Holocausts, gehört", sagt Kantey. Bei der Gelegenheit habe die japanische Delegation aktiv für eine weltweite nukleare Abrüstung geworben. Südafrikaner seien gebeten worden, sich für ein Ende der Verbreitung von Kernwaffen in Südasien, im Mittleren Osten und in Nordkorea einzusetzen.

"Ausgehend von der unilateralen Zusage des Staates Israel und der Deklaration einer Atomwaffenfreien Zone im Mittleren Osten halten wir es für angeraten, größeren Druck in Südasien auszüben, damit sich die fünf großen Atommächte dazu verpflichten, sich ebenfalls für die globale Abschaffung von Nuklearwaffen und abgereicherter Uranmunition einzusetzen."


Große Uranvorkommen in Simbabwe

Simbabwe besitzt große unerschlossene Uranvorkommen im Sambesi-Tal. Schätzungen zufolge sollen sich in der Kanyemba-Mine mehr als 45.000 Tonnen Uranerz befinden, von denen mehr als 20.000 Tonnen gefördert werden können. Der Chef der simbabwischen Elektrizitätsbehörde, Josh Chifamba, erklärte, dass ein Expertenteam in Kürze die Realisierbarkeit eines solchen Unterfangens überprüfen würde. "Ab dem Jahr 2020 ist die Erzeugung von Kernkraft in großem Umfang geplant."

Der Iran und China haben bereits Interesse an den simbabwischen Uranvorkommen gezeigt, obgleich die Vereinten Nationen im Jahr 2013 erneut Sanktionen gegen den Iran verhängt hatten, weil das Land sein Programm zur Anreicherung von Uran nicht einstellen wollte.

Die simbabwische Regierung zeigt sich derweil unbeeindruckt von den atomaren Umweltrisiken. Vor zwei Jahren erklärte Außenminister Simbarashe Mumbengegwi einer iranischen Nachrichtenagentur, dass sein Land mit dem Iran bei der Förderung von Uran für Teherans umstrittenes Atomprogramm zusammenarbeiten wolle.

Wie Simbabwe hofft auch Namibia die Engpässe bei der Stromversorgung durch Kernkraft zu beheben. Im vergangenen Jahr kündigte die Regierung an, einen Atomkraftwerk-Simulator zu bauen, um die Bevölkerung mit dem Umgang mit dieser Energie vertraut zu machen. "Wir produzieren zurzeit Uran und exportieren es als Rohstoff. Atomkraft ist preiswert und sicher", erklärte Energieminister Isak Katali.

Südafrika ist bislang der einzige Staat auf dem Kontinent mit einem kommerziell betriebenen Atomkraftwerk mit zwei Reaktoren. Dort werden etwa vier Prozent des im Land erzeugten Stroms produziert. (Ende/IPS/ck/09.11.2015)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2015

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