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FRAGEN/021: Paraguay das Tor zu Südamerika - Interview mit dem neuen Botschafter Fernando Ojeda (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Paraguay das Tor zu Südamerika: Interview mit dem Botschafter Fernando Ojeda

von Reto Thumiger, 17. Dezember 2015


Berlin - 17.12.2015. Wir unterhielten uns mit Fernando Ojeda [*], dem neuen Botschafter von Paraguay in Deutschland über die wirtschaftliche Bedeutung seines Landes und die Integration Südamerikas und der Karibik.

Reto Thumiger: Sie haben vom 5. bis 10. Oktober eine Rundreise durch Deutschland unternommen, um Werbung für die paraguayische Wirtschaft und ihre Produkte zu machen. Wie war die Resonanz?

Fernando Ojeda: Die Reaktionen waren sehr gut. In erster Linie haben wir Paraguay zurück auf die Landkarte gebracht. Die meisten Menschen in Deutschland kennen Paraguay nicht oder nur oberflächlich. Vielleicht haben sie von der Ciudad del Este oder den Iguazú-Wasserfällen gehört, aber Paraguay ist so viel mehr als das. Deshalb haben wir eine Tour gemacht, um das Land vorzustellen. In der Hafenstadt Hamburg haben wir unseren logistischen Sektor vorgestellt. In Stuttgart hingegen haben wir uns auf den Fahrzeugbau konzentriert. In Paraguay finden zurzeit bedeutende Investitionen von Zuliefererfirmen für den Automobilbau statt, insbesondere im Bereich Verkabelung. Zuletzt haben wir in Köln an der ANUGA, der weltweit führenden Ernährungsmesse, unsere Landwirtschaftsprodukte vorgestellt. Paraguay weist Agrarprodukte höchster Qualität vor und ebenso ein großes Angebot an Bio-Lebensmitteln. Natürlich durfte unser Fleisch nicht fehlen, meines Erachtens das Beste der Welt (lacht).

Nach dieser Rundreise helfen wir den interessierten Unternehmen, die nötigen Kontakte und Informationen zu erhalten, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu erleichtern. Das ist für mich ein wichtiger Aufgabenbereich als Botschafter.

Warum ist es interessant in Paraguay zu investieren?

Paraguay bietet viele Möglichkeiten. Das Land befindet sich im Herzen Südamerikas, in einer strategischen Position innerhalb des Kontinents und weist aktuell das vorteilhafteste Wirtschaftsklima auf. Es hat die zweithöchste Kapitalrendite innerhalb der Region. Paraguay ist ein wichtiger Lebensmittelproduzent mit einem aufstrebenden Logistikzentrum, außerdem abstandsgleich zu den wichtigsten Hauptstädten Südamerikas. Nicht zuletzt ist unsere Bevölkerung sehr jung. 70 Prozent sind jünger als 35 und haben viel Lust zu lernen. Unsere Wirtschaft ist sehr stabil. Die Währung Paraguays hatte in den letzten 70 Jahren kaum Schwankungen. Es wurden keine Nullen weggenommen und auch keine hinzugefügt. Dank dieser Faktoren konnte Paraguay in den letzten 10 Jahren ein durchschnittliches BIP von 4,5 Prozent vorweisen.

Es existieren verschiedene Initiativen zur wirtschaftlichen und politischen Integration Südamerikas und der Karibik. Zum Beispiel MERCOSUR und UNASUR mit Paraguay als Vollmitglied, außerdem ALBA-TCP in der Paraguay einen Beobachter-Status innehat und den SUCRE als gemeinsame Rechnungswährung. Welches ist ihres Erachtens der vielversprechendste Weg für Lateinamerika und für ihr Land und welche Hürden müssen überwunden werden?

Da Paraguay keinen direkten Zugang zum Meer hat, fühlte sich das Land schon immer der Integration verpflichtet. Paraguay ist von den Wirtschaftsbeziehungen abhängig und für uns ist es wichtig, dass diese Integrationsmechanismen sich in erster Linie auf die wirtschaftliche Integration fokussieren, ohne natürlich die Bedeutung der internationalen politischen Foren außer Acht zu lassen. Diese sind sehr wichtig für die Behandlung von verschiedenen Themen der Region.

In Lateinamerika ist Paraguay Mitglied in OEA, UNASUR, ALLADI, MERCOSUR und CELLAC. Wir betrachten die verschiedenen existierenden Initiativen nicht als gegensätzlich. Alle arbeiten auf das gleiche Ziel hin, nämlich die Region zu integrieren. Welche Initiative besser oder schlechter ist, kann ich nicht sagen. Jede weist für unser Land wichtige Aspekte auf im politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich oder im Gesundheitssektor. Für die wirtschaftliche Entwicklung Paraguays ist MERCOSUR von großer Bedeutung. Allerdings muss MERCOSUR zu seinen Wurzeln zurückkehren. Es ist wichtig, diese internationalen Organisationen nicht zu ideologisieren. Diese Art zu politisieren behindert die ursprüngliche Zielsetzung.

Der neugewählte argentinische Präsident Mauricio Macri hat angekündigt, er werde im MERCOSUR vorschlagen, Venezuela auszuschließen. Finden Sie das ein vorteilhaftes Vorgehen für die Integration und die Zukunft dieser Allianz?

Das ist eine Initiative von Mauricio Macri und dazu möchte ich mich nicht äußern. Diese Frage sollte dem Präsidenten Macri gestellt werden.

Wie ich bereits gesagt habe, setzen wir uns für die Integration der ganzen Region ein und es scheint uns ein wichtiger Moment zu sein, im wirtschaftlichen Bereich vor allem.

Kürzlich wurde ein Gas- und Energieabkommen zwischen Paraguay und Bolivien unterzeichnet. Wie werden nun die Ausgleichszahlungen erfolgen, über den SUCRE oder in US Dollar?

Erdgas haben wir bis dahin in erster Linie aus Argentinien importiert, wobei für Argentinien immer der inländische Konsum Vorrang hat. Das führt zu Problemen bei der Gasversorgung. Dieses Abkommen mit Bolivien gewährleistet eine permanente und stabile Versorgung. Außerdem profitiert die Bevölkerung stark davon, dass die Gaspreise sinken. Petróleos Paraguayos (Petropar) wird in Zukunft auch die Zulieferung an den Endverbraucher übernehmen. So kann Petropar die Preispolitik selber gestalten, es werden neue Arbeitsplätze entstehen und das wird sich vorteilhaft auf die Infrastruktur beider Länder auswirken. Um auf die Frage über die Ausgleichszahlungen zurück zu kommen, diese werden in US-Dollar erfolgen und über keine anderen Mechanismen.

Als offizieller Vertreter Ihres Landes in Deutschland, welche Bereiche möchten Sie vor allem voranbringen?

Ein Botschafter hat natürliche vielfältige Aufgaben. Als Volkswirt liegen mir natürlich die Wirtschaftsbeziehungen und der Handel besonders am Herzen.

Wir möchten, dass Paraguay für Deutschland das Tor zu Südamerika wird. Deutschland soll uns als einen vertrauenswürdigen politischen Partner in der Region wahrnehmen und wir wünschen uns natürlich mehr Direktinvestitionen und ein höheres Handelsvolumen für beide Seiten. Wobei der Schutz unserer Umwelt und der Biodiversität gewährt sein muss. Paraguay besitzt eine sehr bedeutende Biodiversität und wir verfügen mit dem Acuífero Guaraní über die größten Grundwasserreserven der Welt. Der Schutz unserer Naturschätze ist oberstes Ziel. Deshalb auch unser großes Interesse an der deutschen Technologie, einerseits zur Erhöhung der Innovation und Produktivität der Unternehmen in Paraguay und andererseits zur Erfüllung höchster Umweltstandards. Paraguay besitzt großes Potential zur erneuerbaren Energiegewinnung. Auch hier hoffen wir auf einen Technologietransfer von Deutschland, um den Anteil auszubauen.

Herr Botschafter vielen Dank für das interessante Gespräch.

[*] Botschafter Ojeda hat die Grund- und Oberschule an der Goethe Schule besucht und als Volkswirt an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Nationalen Universität Asunción promoviert. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Bevor er im Februar dieses Jahres seinen Posten als Botschafter Paraguays in Berlin angetreten hat, war er zwei Jahre lang Privatsekretär von Horacio Cartes, Präsident der Republik Paraguay.


Über den Autor

Reto Thumiger
Seit über 25 Jahren ist der gebürtige Schweizer und gelernte Kaufmann Aktivist des Neuen Humanismus. Seine Anliegen, wie kulturelle Vielfalt, gleiche Rechte und Möglichkeiten für alle Menschen sowie eine innere und äußere Revolution - basierend auf der aktiven Gewaltfreiheit, führte ihn in sehr unterschiedliche Länder, wie Ungarn, Spanien, Togo und Sierra Leone. Mit seiner freiwilligen Tätigkeit in Pressenza Berlin möchte er der neuen Sensibilität und dem neuen Bewusstsein ein Sprachrohr verleihen und mit seinem Engagement bei der Organisation Begegnung der Kulturen von einem multikulturellen Nebeneinander zu einer weltweiten menschlichen Nation gelangen.


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Johanna Heuveling
E-Mail: johanna.heuveling@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2016

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