Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

GEWERKSCHAFT/1045: Die Gewerkschaften in Polen - Neue Bündnisse, mehr Schlagkraft? (FES)


Friedrich-Ebert-Stiftung
Internationale Politikanalyse

Die Gewerkschaften in Polen
Neue Bündnisse, mehr Schlagkraft?

von Vera Trappmann
September 2014


Inhalt

1. Die polnische Gewerkschaftslandschaft: fragmentiert und dualistisch
2. Der lange Weg zur Interessenvertretung
3. Abschied von der Parteibindung und die Chance verstärkter politischer Koalitionsmöglichkeiten der Gewerkschaften
4. Aktuelle Herausforderungen - Die wichtigsten gewerkschaftlichen Projekte
5. Fazit: Der Beginn einer neuen Phase gewerkschaftlicher Politik


• Lange war die Handlungsfähigkeit der polnischen Gewerkschaften durch die wirtschaftliche Transformation und das post-kommunistische Erbe stark beeinträchtigt. Gegenwärtig zeigt sich eine Überwindung der hemmenden ideologisch begründeten Spannungen der beiden großen Gewerkschaftsverbände.

• Die Regierung entzieht sich seit 2011 dem sozialen Dialog und setzt Veränderungen lieber ohne vorherige Abstimmungsprozesse mit den Sozialpartnern durch. Seither ist es zu massiven Protesten gekommen.

• Polnische Gewerkschaften haben begonnen, sich stärker »marktkorrektiv« und als konfliktbereite Interessenvertretung der Arbeitnehmer_innen zu verstehen. In der Folge ist der Zuspruch, den die Gewerkschaften in Umfragen und durch Teilnahme an gewerkschaftlich organisierten Protesten erfahren, gestiegen.

• Aktuell fordern die Gewerkschaften insbesondere die Rücknahme des erhöhten Renteneintrittsalters von 67 Jahren und die Erhöhung des Mindestlohns, die Eindämmung von Werkverträgen und Scheinselbständigkeit, die Rücknahme der 2013 beschlossenen Flexibilisierung der Arbeitszeitregelung sowie die Novellierung des Gewerkschaftsgesetzes.

*

1. Die polnische Gewerkschaftslandschaft: fragmentiert und dualistisch

Der Zusammenbruch des Staatssozialismus in Mittel- und Osteuropa liegt bald 25 Jahre zurück. Die Solidarnosc als Gewerkschaft und Oppositionsbewegung von Arbeiter_innen und Intellektuellen trug mit ihren Protesten maßgeblich zum Systemsturz bei und gilt bis heute als Symbol der friedfertigen Revolution von 1989. Am Runden Tisch wurde die Solidarnosc als Reformpartei legalisiert und stellte nach den ersten (halb-)freien Wahlen überraschend die neue Regierung. Seitdem hat die Solidarnosc lange gerungen: um ihre Bestimmung als zivilgesellschaftliche Bewegung, politische Partei oder Gewerkschaft.

Während der Abschied von der Politik beschlossen ist, kratzt der Verlust zivilgesellschaftlicher Verankerung schwer an der Legitimität der Gewerkschaften insgesamt. Die 1990er Jahre waren geprägt von der Konfrontation zwischen der Solidarnosc und des OPZZ, dem Dachverband der von den kommunistischen Machthabern Anfang der 1980er Jahre als Reaktion auf die Solidarnosc initiierten Gewerkschaften. Erst seit Mitte des letzten Jahrzehnts hat sich das Verhältnis der beiden Gewerkschaftslager entspannt; was auch dazu führte, dass die Solidarnosc im Jahr 2006 schlussendlich der Mitgliedschaft des OPZZ im Europäischen Gewerkschaftsbund zustimmte. Seit 2011 ist es zu einer beachtlichen Annäherung der Gewerkschaftsverbände gekommen - das Ausmaß der Einschnitte in die Rechte von Arbeitnehmer_innen schweißt zusammen.

Die langjährigen Differenzen begründen die Gewerkschaften selbst mit der Geschichte Polens und ideologischen Grabenkämpfen. Die Solidarnosc versteht sich als Erbin der oppositionellen Reformbewegung und hielt dem OPZZ lange Systemkonformismus und Nähe zu den einstigen kommunistischen Machthabern vor. Der OPZZ dagegen beansprucht für sich, der Vertreter der postkommunistischen linken Arbeiterbewegung zu sein und sieht in der Solidarnosc heute eine Organisation, die sowohl mit dem rechts-konservativen Lager wie mit der katholischen Kirche zu eng verbunden ist. In Folge dieser Differenzen formierte sich 2002 das Forum ZZ: dessen Gewerkschaften nehmen dezidiert für sich in Anspruch, politisch neutral zu sein.

Wo nun stehen die Gewerkschaften heute, zehn Jahre nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union und dem damit verbundenen Abschluss der postkommunistischen Transformation? Grob geschätzt gibt es in Polen fast 25.000 Einzelgewerkschaften. Drei Viertel aller Betriebsgewerkschaften gehören einem der drei Gewerkschaftsbünde an: der NSZZ »Solidarnosc«, dem OPZZ, oder dem Forum ZZ.

Tabelle: Übersicht der Gewerkschaftsbünde in Polen.Quelle: eigene Zusammenstellung, basierend auf Webseiten der Gewerkschaftsverbände und Gardawski (2009)




Das polnische Gewerkschaftssystem ist dual aufgebaut. Das heißt: die Kollektivverhandlungen werden überwiegend auf betrieblicher Ebene geführt, während sich die politische Macht auf der überbetrieblichen Ebene bei den drei Dachverbänden konzentriert. Hier versuchen die Gewerkschaften sowohl über den Dialog mit den Arbeitgebern und der Regierung in der Tripartistischen Kommission wie auch über andere politische Kanäle die Sozialgesetzgebung und Sozialpolitik zu beeinflussen. Auf der Ebene der Branchen sind die Gewerkschaften am schwächsten vertreten, hier gibt es selten nennenswerte Kollektivvereinbarungen.

Die Gewerkschaften in Polen sind betrieblich organisiert: nur Beschäftigte eines Unternehmens können Mitglied in einer Gewerkschaft werden, der sogenannten Betriebsgewerkschaft. Zur Gründung einer Gewerkschaft werden mindestens zehn abhängig Beschäftigte in einem Unternehmen benötigt. Da Polens Wirtschaftsstruktur von Klein- und Kleinstbetrieben gekennzeichnet ist - 96 Prozent aller Betriebe haben weniger als zehn Beschäftigte, 40 Prozent aller Arbeitnehmer_innen sind in Kleinunternehmen beschäftigt -, kann ein Großteil der Arbeitnehmer_innen sich nicht gewerkschaftlich organisieren. Hinzu kommen die derzeit 13 Prozent Arbeitslosen, zwei Millionen Studierende und der wachsende Anteil an sogenannten Solo-Selbständigen, die auf Werkvertragsbasis beschäftigt sind (26 Prozent aller Beschäftigten),(1) denen es ebenfalls verwehrt ist, Mitglied einer Gewerkschaft zu werden. Vor diesem Hintergrund muss auch der niedrige gewerkschaftliche Organisationsgrad von zurzeit 16 Prozent der abhängig Beschäftigten landesweit bewertet werden.

Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder ist in absoluten Zahlen zwar drastisch gesunken, schaut man sich aber das Verhältnis der Organisierten zu den potentiell Organisierbaren an, kommt man auf einen Organisationsgrad von fast 50 Prozent. In einigen Branchen erreicht die Organisationsstärke tatsächlich dieses Niveau: besonders stark organisiert sind die Lehrer_innen (39 Prozent), die Stahlarbeiter (40 Prozent), die Pilot_innen (52 Prozent), die Krankenschwestern (58 Prozent), die Eisenbahner_innen (80 Prozent), die Postbeamt_innen (60 Prozent), die Bahnmitarbeiter_innen (80 Prozent) und die Bergbauarbeiter (fast 100 Prozent).(2) Am stärksten sind die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst und (ehemals) staatlichen Unternehmen; allein ein Viertel aller Gewerkschaftsmitglieder sind Lehrer_innen. Besonders schwach sind die Gewerkschaften im Dienstleistungssektor sowie in den Bereichen Handel und Bauwesen.

Das Gewerkschaftsgesetz von 1991 garantierte den Betriebsgewerkschaften zunächst umfassende Schutzrechte, legte fest, dass die für eine Betriebsgewerkschaft anfallenden Kosten vom Unternehmen getragen werden müssen und sicherte den aktiven Gewerkschafter_innen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen zu. 2002 wurden diese Rechte eingeschränkt, jetzt stehen nur noch ein bis drei von den zehn Gründungsmitgliedern einer Gewerkschaft unter Sonderkündigungsschutz.(3) Die Gewerkschaften kämpfen derzeit um eine erneute Verbesserung der rechtlichen Situation. Zusätzlichen Anlass dafür gaben Skandale um Entlassungen und ausbleibende Vertragsverlängerungen von Gewerkschafter_innen, beispielsweise in der Discounter-Kette Biedronka.

Im Durchschnitt sind die Gewerkschaftsmitglieder 41 Jahre alt, Nicht-Gewerkschaftsmitglieder sind im Schnitt drei Jahre jünger.(4) Bei den unter 24-Jährigen liegt der Organisationsgrad unter einem Prozent, bei den unter 35-Jährigen bei acht Prozent.(5) Bei diesen Zahlen ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Arbeitslosenrate bei den unter 24-Jährigen mit 28 Prozent besonders hoch ist(6) und dass die Hälfte der Abiturient_innen studiert. Wie gesagt: beiden Personengruppen bleibt in Polen eine gewerkschaftliche Organisierung verwehrt.

Im Schnitt fast 50 Jahre alt sind die Gewerkschaftsfunktionäre: 46 Jahre beträgt das Funktionärs-Durchschnittsalter bei den unabhängigen Gewerkschaften, 47 Jahre beim Forum ZZ, 47,5 Jahre bei der Solidarnosc und 50 Jahre im OPZZ. Der Frauenanteil unter den Verantwortungsträgern liegt je nach Gewerkschaft zwischen 19 und 37 Prozent.(7) Der Überalterung versuchen die Gewerkschaften mit Verjüngungsinitiativen entgegenzusteuern. Beim OPZZ gründete man 2007 eine Jugendkommission, die junge Gewerkschaftsmitglieder an Führungsaufgaben innerhalb der Gewerkschaftsstrukturen heranführen soll. Mittlerweile ist knapp die Hälfte der angestellten Referent_innen unter 35 Jahren. Der OPZZ stellte sogar bis 2011 den Vorsitzenden des Jugendausschusses beim Europäischen Gewerkschaftsbund, und seit 2008 gibt es einen Beauftragten für sexuelle Minderheiten, was im als homophob geltenden Polen(8) eine bemerkenswerte Ausnahme darstellt.

Das Forum ZZ hat im Jahr 2012 eine Jugendkommission gegründet, nachdem die Gewerkschaft bereits 2011 zusammen mit der Demokratischen Studentenvereinigung DZS die Kampagne »Generation auf Bestellung« ins Leben gerufen hatte, die sich für eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage junger Menschen einsetzt. Die Kampagne fordert bezahlte Praktika, die Abschaffung zivilrechtlicher Beschäftigungsformen,(9) die rechtliche Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit und die Erhöhung des Mindestlohns auf 68 Prozent des Durchschnittslohns.(10) Für die Rekrutierung neuer und jüngerer Mitglieder hat bislang nur die Solidarnosc eine eigene Abteilung eingerichtet.

Neue Akteure, manchmal Konkurrenten: Arbeitnehmerräte und Europäische Betriebsräte

Eine weitere Herausforderung für die Gewerkschaften stellt die Zunahme anderer Formen der Arbeitnehmer_innenvertretung dar. Hierzu zählen insbesondere die Arbeitnehmerräte, die aufgrund der EU-Richtlinie 2002/14/EU zur Information und Konsultation von Arbeitnehmer_innen eingeführt wurden. Die Arbeitnehmerräte sind zwar nach dem Vorbild der deutschen Betriebsräte entwickelt worden, aber nicht mit vergleichbaren Mitbestimmungsrechten ausgestattet. Arbeitnehmerräte gibt es lediglich in neun Prozent aller polnischen Betriebe, für die die EU-Richtlinie die Bildung von Arbeitnehmerräten vorsieht. Woran liegt das? Die Arbeitnehmerräte konnten bisher überwiegend durch die repräsentativen Betriebsgewerkschaften ernannt werden und waren somit mit den Betriebsgewerkschaften personell identisch. Doch seit 2010 müssen die Arbeitnehmerräte direkt von der Belegschaft gewählt werden, wodurch die Gewerkschafter_innen einen gewerkschaftlichen Einflussverlust fürchteten und im Vorfeld verstärkt Arbeitnehmerräte nach der alten Gesetzeslage gewählt haben. Hinzu kommt, dass die Arbeitnehmerräte oft auf Veranlassung des Managements gewählt werden, d.sie nehmen eine eher kommunikativ vermittelnde Position ein zwischen Management und Belegschaft. Die Beschäftigten bevorzugten daher bislang Betriebsgewerkschaften und sehen in den Arbeitnehmerräten keine Institution, die ihre Interessen besonders effektiv vertreten könnte.(11)

Vergleicht man die Effekte von Betriebsgewerkschaften und Arbeitnehmerräten auf die betrieblichen Arbeitsbedingungen, zeigt sich: in Betrieben mit Gewerkschaften ist der Anteil an atypischen Beschäftigungsformen geringer und es wird mehr getan für die Arbeitnehmer_innen im Bereich Weiterbildung und Gesundheitsschutz. Arbeitnehmerräte befassen sich eher mit »weichen« Themen wie Corporate Social Responsibility.(12) Ein weiteres Manko bei der Umsetzung der EU-Richtlinie ist die Festlegung einer Mindestanzahl von 50 Beschäftigten für die Bildung eines Arbeitnehmerrates im Betrieb; so bleibt die Interessenvertretung von Arbeitnehmer_innen in kleinen Betrieben ein ungelöstes Problem.

Nicht bedroht hingegen fühlten sich die Gewerkschafter_innen von der Einführung der Europäischen Betriebsräte (EBR). Im Gegenteil: sie schätzen den Einfluss der EBR auf die Arbeitsbeziehungen in polnischen Unternehmen äußerst positiv ein. Insgesamt gibt es bereits rund 500 EBR in Polen,(13) deren Zugang zu Informationen auf der Konzernebene oftmals die Verhandlungsposition der Gewerkschaften gegenüber dem lokalen Management stärkt. Eine effektive und aktive Mitarbeit ist jedoch beschränkt durch die geringen Ressourcen, Mittel und Kompetenzen der EBR-Mitglieder. Besonders mangelnde Englischkenntnisse behindern immer noch die internationale Zusammenarbeit.


2. Der lange Weg zur Interessenvertretung

Tarif- und Arbeitsrecht - Deregulierung, Flexibilisierung und Zersplitterung der Tarifarbeit

Mit der Reform des Tarifvertragsrechts 1993 und des Arbeitsrechts 1996 haben die Gewerkschaften eine erfolgreiche Neugestaltung der rechtlichen Grundlage ihrer Arbeit erwirkt.(14) Im Zentrum standen die Einführung der Tarifautonomie und der Rückzug des Staates aus der detaillierten Regulierung der Arbeitsbeziehungen durch ein vereinfachtes Arbeitsrecht und die Beschränkung auf Mindeststandards. Besonders zur Milderung der sozialen Kosten der ökonomischen Transformation konnten die Gewerkschaften einige vorteilhafte Regelungen aushandeln: Arbeitnehmer_innenansprüche bei Insolvenzen, Berufsunfähigkeitsrenten, und Frührenten für entsprechende Berufsgruppen, gerade in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit. Die Instrumente wurden exzessiv genutzt, führten zur Befriedung, aber auch Passivierung großer Bevölkerungsteile mit dem Ergebnis: Polen hat heute die niedrigste Beschäftigungsquote in der EU und der Staatshaushalt ist von den hohen Rentenzahlungen stark belastet. Aktuell hat die Regierung bereits einige dieser Sonderregelungen für einige Berufsgruppen zurückgenommen.

Weitere Fortschritte für die Arbeitnehmer_innen wurden seit Mitte der 1990er Jahre erzielt: der Arbeitsschutz wurde angepasst an die Normen des International Labour Office (ILO), Betriebe mit mehr als fünf Beschäftigten wurden zu einer Entlohnungsordnung verpflichtet, der Mindesturlaub wurde erhöht von 14 auf 18 Tage pro Jahr, und die Anzahl befristeter Verträge in Folge pro Arbeitnehmer/in in einem Betrieb wurde begrenzt. Einzig bei der Wochenarbeitszeit konnten die Gewerkschaften ihre Forderungen nicht gleich durchsetzen; sie wurde erst 2001 von 42 auf 40 Stunden gesenkt.

Anfang der 2000er Jahre wendete sich das Blatt, seitdem setzt die Arbeitgeberseite vermehrt ihre Anliegen durch. So kam es zu einer Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsrechts: erstens lockerten die Gesetzgeber den Kündigungsschutz in Unternehmen mit weniger als zwanzig Beschäftigten (auch Abfindungszahlungen bei Gruppenentlassungen wurden abgeschafft). Zweitens wurde die Schwelle für die verpflichtende Einführung einer Entgeltordnung in nicht-tarifgebundenen Unternehmen von fünf auf zwanzig Beschäftigte angehoben. Drittens wurden die Vergabe befristeter Arbeitsverträge und der Einsatz von Leiharbeit erleichtert. Und viertens wurden einige Arbeitgeberleistungen gemindert, wie das Bezahlen von Überstundenzuschlägen. Auf Drängen der Europäischen Union kam es in den Jahren 2008 und 2009 zu neuen weitreichenden Anpassungen des Arbeitsrechts an EU-Richtlinien - nun wieder zu Gunsten der Arbeitnehmer_innen -, vor allem in den Bereichen Arbeitsschutz, Anti-Diskriminierung, Gleichbehandlung, Mutterschutz und Elternurlaub. Seit 2011 haben vor allem von der Regierung initiierte Änderungen des Arbeitsrechts die Einkommens- und Beschäftigungssicherheit und Lage von Arbeitnehmer_innen wieder drastisch verschlechtert.

Geringe Tarifdeckung bei zu hoher Pluralität von Betriebsgewerkschaften

Trotz der neu geschaffenen Rechtsgrundlagen für kollektive Arbeitsbeziehungen gelang es bis heute nicht, Tarifverträge flächendeckend zu verankern. Polen hat auch bei der Tarifautonomie ein großes Problem damit, geltendes Recht umzusetzen; in weiten Bereichen der Sozialpolitik ist das genauso. Es werden nur wenige Tarifverträge abgeschlossen, Tendenz sogar noch abnehmend. Dies betrifft zwar vorwiegend überbetriebliche Tarifverträge, über welche nur drei Prozent aller Beschäftigten abgedeckt sind, aber auch bei betrieblichen Tarifverträgen gibt es Probleme. Ergebnis: nur jedes vierte Arbeitsverhältnis ist über einen Tarifvertrag geregelt. Das Spektrum variiert je nach Branchen, im Einzelhandel sind schätzungsweise bloß drei Prozent der Arbeitnehmer_innen geschützt durch einen Tarifvertrag, in der Metallindustrie hingegen 70 Prozent, im Flugwesen 80 Prozent.

Grundsätzlich sind auf Betriebsebene alle Gewerkschaften tariffähig, allerdings mit einem Handicap: sie müssen, bevor sie mit dem Arbeitgeber verhandeln, ein gemeinsames Forderungspaket vorlegen. Dies gelingt im ausgesprochen pluralistischen polnischen Gewerkschaftssystem nur schwer, denn in vielen Betrieben müssen sich mitunter zwanzig oder mehr Betriebsgewerkschaften einigen. Hier kann die Weigerung einer einzigen dieser zwanzig Gewerkschaften den Tarifabschluss verhindern. Spitzenreiter, was die Anzahl an Gewerkschaften in einem Betrieb angeht, sind: der größte Kohlekonzern Kompania Weglowa hat bei 63.000 Beschäftigten 177 Einzelgewerkschaften. Und die Polnische Post bringt es bei 100.000 Mitarbeitern noch auf stattliche 47 Einzelgewerkschaften.(15)

Das Recht, Tarifverträge abzuschließen, bekommen in Konfliktfällen nur die repräsentativen Gewerkschaften. Repräsentativität besitzen Gewerkschaften, wenn sie überbetrieblich als Föderation oder Dachverband mindestens 300.000 Mitglieder vertreten, wenn sie auf Betriebsebene Mitglied in einem repräsentativen Verband sind und mindestens sieben Prozent der Belegschaft organisieren. Betriebsgewerkschaften, die keinem repräsentativen Verband angehören, müssen zehn Prozent der Belegschaft organisieren. Hier wird aktuell von Seiten der Gewerkschaften gefordert, die Hürde auf 20 Prozent anzuheben, um die Verhandlungen zu vereinfachen. Doch selbst wenn sich nur die repräsentativen Gewerkschaften an den Verhandlungstisch setzen, müssen immer noch sehr viele unterschiedliche Positionen und Forderungen vermittelt werden. In diesen auszuhandelnden Zwangskompromissen verlieren die Gewerkschafter_innen oft Zeit und Kraft, die sie für die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber bräuchten. Die Forderung der Gewerkschaften, die Repräsentativität auf 20 Prozent zu erhöhen, wird sowohl von den Arbeitgebern als auch vom Gesetzgeber blockiert, so dass die Gewerkschaften bislang in der unliebsamen Situation gefangen bleiben.

Die Tripartistische Kommission - Gewerkschaftsboykott eines zunehmend politisch entwerteten Kooptationsinstruments?

Auf nationaler Ebene finden die Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern in der Tripartistischen Kommission statt. Ihre Einrichtung Anfang der 1990er Jahre sollte helfen, nach den sogenannten »extraordinary politics« der ökonomischen Reformen im postkommunistischen Polen die soziale Lage zu befrieden. Andauernde Streikwellen demonstrierten den Unmut der Beschäftigten auch gegen den sogenannten »Schutzschirm«, den die Solidarnosc aufgespannt hatte über die weitreichenden marktwirtschaftlichen Reformen. Die Kommission wurde ausgestattet mit Konsultationsrechten zur Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftspolitik und dem Recht, Lohnerhöhungen in den Betrieben zu empfehlen.(16) Die Kommission konnte jedoch nicht stetig und effektiv arbeiten: immer wieder haben in den 1990er Jahren einzelne Akteure die Kommission boykottiert, mal die OPZZ, mal die Solidarnosc, mal die Arbeitgeber, um dann auf parlamentarischem Weg Einfluss zu suchen.

Die Verhandlungen in der Tripartistischen Kommission waren ähnlich den politischen Auseinandersetzungen polarisiert und kämpferisch. Im Vordergrund stand nicht der Dialog, sondern die Durchsetzung der eigenen Position.(17) Obwohl die direkte Konfrontation der Gewerkschaftsverbände seit Mitte der 2000er Jahre beendet ist, bleibt die Arbeit der Kommission ineffektiv. Heute entzieht sich vor allem der Staat dem dreiseitigen Dialog, was nicht den bilateralen Dialog stärkt, sondern Arbeitnehmerpositionen schwächt. Entscheidend für diese Entwicklung: bei ausbleibender Einigung fällt die Entscheidungsbefugnis der Kommission der Regierung zu. Solange stark wirtschaftsliberale Parteien die Regierung bilden, wirkt sich der Etatismus für die Arbeitnehmer_innen fatal aus, arbeitnehmerfeindlichen Positionen kann von Gewerkschaftsseite in der Kommission letztlich nichts entgegengesetzt werden.

Das wirft zwei zentrale Fragen auf: woher kommt der breite Zuspruch zu diesen Parteien?(18) Und wie können Gewerkschaften die Interessen der Arbeitnehmer_innen effektiver vertreten? Der Erfolg der liberalen Parteien beruht in Polen im Wesentlichen auf dem kommunistischen und postkommunistischen Erbe. Das Versprechen der Marktwirtschaft, der Traum vom wirtschaftlichen Aufstieg und individuellen Profit schufen eine ausgeprägte Geduld mit den durch liberale Politik verursachten sozio-ökonomischen Verhältnissen. Das Zitat einer Gewerkschaftsmitarbeiterin der Solidarnosc verdeutlicht dies: »Wenn du nur einmal nachts für Toilettenpapier auf der Straße in der Schlange gestanden hast, kannst du kein Marxist mehr sein« (Juli 2011).

Zudem waren die Transformationsjahre gekennzeichnet von äußerst instabilen politischen Verhältnissen: allein seit 1989 hat es 18 Regierungswechsel gegeben. Zusätzlich zu kämpfen hat Polen mit dem Problem der Korruption unter Politikern.(19) Die liberale Regierung unter Tusk nun setzt auf Pragmatismus »frei von politischem Eifer und ideologischer Verbissenheit«(20), ist jenseits der alten Grabenkämpfe postkommunistisch-reformorientiert, und erfüllt damit das Bedürfnis vieler Wähler/innen nach politischer Stabilisierung.

Allerdings haben die politischen Ereignisse seit Mitte 2011, insbesondere Kontroversen um die Reformprojekte im Gesundheitswesen und bei der Rente, die Zustimmung der Polen zu der liberalen Partei Tusks erstmals dramatisch sinken lassen, von 42 auf 28 Prozent. Tusk hatte nach den Wahlen im Herbst 2011 für mehrere Monate keinen Vorsitzenden für die Tripartistische Kommission benannt und somit den tripartistischen Dialog behindert. Mehr noch, die Regierung nutzte diesen Zeitraum, um mehrere weitreichende Reformprojekte ohne Konsultationen mit den Gewerkschaften und den Arbeitgebern vorzubereiten und gesetzlich zu verabschieden. Vor allem die geplante Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre führte zu massiven öffentlichen, gewerkschaftlich organisierten, über Monate andauernden Protesten. Die Solidarnosc sammelte zudem zwei Millionen Unterschriften für ein Referendum zum Thema, die Regierung lehnte das Referendum einfach ab, und das obwohl die überwiegende Mehrheit der Polen gegen die Rente mit 67 ist.(21) Die Gewerkschaften sehen hier eine Verletzung der Spielregeln in der Tripartistischen Kommission, die geahndet werden sollte.(22)

Der zweite große Konflikt betrifft die Änderungen im Arbeitsrecht zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Auch hier hat die Regierung, vertreten durch den Arbeitsminister als Vorsitzendem der Kommission, nur Vorschläge präsentiert und diese nicht wirklich zur Diskussion gestellt, sondern im Gegenteil ohne Konsultation vom Parlament beschließen lassen. Aufgrund dessen haben die Gewerkschaftsverbände die Kommission im Juni 2013 verlassen.

Der Tripartismus in Polen lief lange Gefahr - wie prominent von David Ost bereits im Jahr 2000 beschrieben(23) - zur Marginalisierung von Arbeitnehmer_innen beizutragen. Der Boykott der Kommission durch die Gewerkschaften sendet ein wichtiges Signal, diese Politik der Marginalisierung von Arbeitnehmer_innenrechten im Verein mit einer bloß scheinbaren Arbeitnehmerbeteiligung nicht länger zu dulden. Die Gewerkschaften fordern eine Reform der Tripartistischen Kommission. Sie wollen diese in der Kanzlei des Premierministers (so der OPZZ) bzw. beim Sejm-Präsidenten (so die Solidarnosc) ansiedeln und die Entscheidungen für die Regierung bindend gestalten, statt wie bisher nur mit Empfehlungscharakter.

Die Lage hat sich Ende 2013 so zugespitzt, das die Gewerkschaften nach Mediatoren für das Gespräch mit der polnischen Regierung suchen. Die drei großen Verbände tragen derzeit ihr Ansinnen sowie ihre Bedenken und Anliegen zur polnischen Lage dem EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie dem Präsidenten des Europäischen Parlaments vor.

Positionsverschiebungen - neue Schritte auf dem Wege zur »marktkorrigierenden« und konfliktbereiten Interessenvertretung

Im Vergleich zu den 1990er Jahren zeichnet sich auf der nationalen Ebene allmählich eine Positionsverschiebung der Gewerkschaften ab: ihr marktschaffender, marktorientierter Kurs wird abgelöst von einem stärker marktkorrigierenden Kurs. Auf Betriebsebene übernahmen die Gewerkschaften ebenfalls lange Zeit »systembedingte« Aufgaben, wie die sozialverträgliche Absicherung der Privatisierung von Unternehmen; in der Praxis oft zu Gunsten der Unternehmen und zu Lasten langfristiger Beschäftigungsperspektiven.

Doch auch in den Betrieben wenden sich Gewerkschafter_innen ab von Kompromissen, die sie während der Transformation für unabdingbar hielten, hin zu einer stärkeren Wahrnehmung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer_innen. Die Dominanz der Systemlogik über die Mitgliederlogik(24) sowie die politische Verstrickung hat den Gewerkschaften bei ihren Mitgliedern und in der Öffentlichkeit einen hohen Legitimitätsverlust beschert, dem sie nun entgegenzuarbeiten versuchen.

Die Neuorientierung erfordert einen organisatorischen Wandel und einen Gesinnungswechsel der Gewerkschafter_innen, wofür es bereits erste Anzeichen gibt. So etwa die Kampagne der Solidarnosc »Europa 2020« gegen »Working Poor« und die Armut in Polen, mit der sie vor allem einen innergesellschaftlichen Dialog zur Frage der Armut in Polen organisiert.(25) In diese Richtung zu verstehen ist auch die Äußerung eines jungen Mannes auf die Frage, warum er beim OPZZ arbeite: dass er für die Ausgegrenzten etwas tun möchte, denn »das Herz sitzt links«.

Dass diese neue Orientierung zumindest bei den Beschäftigten Früchte trägt, zeigt der gestiegene Zuspruch, den die Gewerkschaften in den Umfragen und bei der Beteiligung von gewerkschaftlich organisierten Protesten erfahren.


3. Abschied von der Parteibindung und die Chance verstärkter politischer Koalitionsmöglichkeiten der Gewerkschaften

Die Gewerkschaften in Polen sind stark politisiert. Ideologisch decken sie nahezu das gesamte politische Spektrum ab. Die Solidarnosc verortet sich mitte-rechts bis rechts, was sich bei den Parlamentswahlen niederschlägt in einer hohen Zustimmung für die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwosc - PiS). Die Mitglieder des Forums sind ideologisch überwiegend in der politischen Mitte anzusiedeln, diese Haltung mündet in eine hohe Stimmabgabe für die konservativ-liberale Bürgerplattform von Donald Tusk (Platforma Obywatelska - PO). Allein der OPZZ steht ideologisch links bis mitte-links, bei politischen Wahlen geben die meisten Mitglieder ihre Stimme dem Demokratischen Linksbund (Sojusz Lewicy Demokratycznej - SLD). Die unabhängigen Gewerkschaften sind auch eher zentristisch-links anzusiedeln, die Mitglieder wählen jedoch überwiegend die Bürgerplattform.(26)

In den 1990er Jahren haben die Gewerkschaften eine eigene parteipolitische und parlamentarische Vertretung gesucht, um selbst an der Regierungsausübung mitzuwirken. Viele der politischen Parteien sind hervorgegangen aus Gewerkschaftskontexten, beispielsweise die Wahlaktion Solidarnosc (Akcja Wyborcza Solidarnosc - AWS) oder der Demokratische Linksbund. Charakteristisch an dieser Zeit war die Aufteilung in die zwei politischen Lager der postkommunistischen Linken und der post-Solidarnosc-Rechten, innerhalb derer es jeweils Vertreter gewerkschaftlicher Positionen gab. Eine Kooperation der Gewerkschaftsvertreter aus den verschiedenen politischen Lagern war nahezu unmöglich. Die Regierungsbeteiligung der Gewerkschaften führte in der Folge nicht zu einer Stärkung gewerkschaftlicher Positionen, sondern zu einer Unterordnung der gewerkschaftlichen Forderungen unter parteipolitische Koalitionszwänge. Dies führte zu einem massiven Legitimitätsverlust der Gewerkschaften, als sich die Lage vieler Beschäftigter verschlechterte. Seit den Parlamentswahlen 2001 haben die meisten Gewerkschaftsfunktionäre ihre parteipolitischen Aktivitäten zurückgeschraubt. Nur einige wenige sitzen heute noch im Parlament.

Am deutlichsten ist die Nähe zu einer Partei heute noch bei der Solidarnosc. Hier halten noch einige Gewerkschafter - wenn auch nicht mehr jene aus der ersten Reihe - ein Mandat für die PiS im Sejm, und teilweise wurden Gewerkschaftstreffen zur Unterstützung von Wahlkämpfen genutzt. Dies geht nicht zuletzt zurück auf die enge Bindung zwischen dem ehemaligen Solidarnosc-Vorsitzenden Janusz Sniadek und dem Vorsitzenden der PiS, Jaroslaw Kaczynski. Sniadek hat nach der verlorenen Wiederwahl zum Vorsitzenden sein Gewerkschaftsmandat niedergelegt und sitzt seit 2011 für die PiS im Parlament. Piotr Duda, der neue Vorsitzende, hat bei seiner Wahl angekündigt, offen den Dialog mit allen Parteien zu suchen. Die de-facto-Positionierung der Solidarnosc ist noch abzuwarten; gut möglich, dass hier eine echte Kehrtwende eingeläutet wurde, wie zahlreiche Gewerkschafter_innen und Beobachter hoffen.(27) Mit der Abkehr von der PiS wäre nicht nur eine politische Öffnung verbunden, sondern auch eine Abkehr von der historischen Polarisierung verbunden mit einer Hinwendung zur verstärkten Arbeitnehmer_innenvertretung. Duda schätzt das selbst so ein: »Meine Wahl zum Chef der Landeskommission ist in Wirklichkeit eine Aufforderung, unsere Gewerkschaft zu ändern. Wir sind eine wunderbare Organisation und haben eine außergewöhnliche Geschichte - aber in der Vergangenheit leben können wir nicht. Vor der Gewerkschaft stehen jede Menge Aufgaben, man muss handeln, Probleme lösen; und nicht nur zurückblicken.«(28)

Auch der OPZZ hat aktive Mitglieder im SLD. Diese enge Bindung sieht der OPZZ nicht als problematisch an. Er geht im Gegenteil davon aus, dass er unter der gewerkschaftsfeindlichen Tusk-Regierung Fürsprecher seiner Anliegen auch auf der politischen Ebene braucht. Tatsache ist: unter Tusk wurden bilateral getroffene Vereinbarungen zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern in der Tripartistischen Kommission häufig einfach ignoriert oder nicht umgesetzt. Das Beispiel des Mindestlohns wurde erläutert, aber auch vom Antikrisengesetz hat die Regierung nur einen Teil der bilateral getroffenen Vereinbarungen der Sozialpartner umgesetzt. Der Vorsitzende des OPZZ äußert sich wie folgt: »Die Regierung missachtet unsere Gewerkschaften« (Jan Guz, Juli 2011).

Die Verabschiedung aus der parlamentarischen Politik scheint für den Aufbau der Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften eine wichtige Voraussetzung gewesen zu sein. Die gemeinsame Opposition zur Regierungspolitik rückt die Dachverbände näher zueinander, »der gemeinsame Feind schweißt uns zusammen« (Guz, Juli 2011). Zur Durchsetzung ihrer Ziele suchen die Gewerkschaften daher eine breite Koalition untereinander, aber auch zu neuen Akteuren wie Nichtregierungsorganisationen. Diese zivilgesellschaftlichen Koalitionen stehen jedoch noch am Anfang. Das Jahr 2013 markiert den vorläufigen Höhepunkt in der Kooperation zwischen den Gewerkschaftsverbänden.

Politische Beteiligung heute - Der genutzte Werkzeugkasten wird größer

Das Agieren der Gewerkschaften in der politischen Arena fächert sich breit auf. An die erste Stelle setzen die Gewerkschaften die Lobbyarbeit, direkte Gespräche mit den zuständigen Ministern, mit dem Präsidenten und Ministerpräsidenten sowie das Einmischen in den öffentlichen Diskurs. Über Bürgergesetzesinitiativen können sie ihre Anliegen direkt ins Parlament tragen; denn ab 150.000 Unterschriften können Gesetzesinitiativen an der Regierung und den Arbeitgebern vorbei dem Parlament vorgelegt werden. Sind sie hierin nicht erfolgreich, greifen die Gewerkschaften zur Klage beim Arbeitsgerichtshof gegen die Gesetze der Regierung oder versuchen auf EU-Ebene, die polnische Regierung für ihre Politik zur Rechenschaft zu ziehen.

Die letzten Jahre waren in besonderer Weise gekennzeichnet von Protesten und Streiks; bemerkenswert angesichts der allgemein geringen Protestbeteiligung und dem jahrelangen Ausbleiben von Arbeitskämpfen in Polen. Streiks dienen in Polen nicht immer der Beilegung eines Tarifkonflikts - Streiks gelten in Polen auch als legitimes Mittel, Richtungswechsel in der Sozialpolitik zu fordern oder die Stärkung demokratischer Rechte zu erkämpfen.(29) Die Streiks der letzten Jahre waren jedoch häufig ökonomisch bedingt, es ging vornehmlich um Lohnerhöhungen oder Entlassungen. Höhepunkt war das Jahr 2008 mit fast 13.000 Streiks. Vor allem der Gewerkschaft der Krankenschwestern und Hebammen (OZZPiP) und der Lehrergewerkschaft (ZNP) gelang es, viele Mitglieder zu mobilisieren,(30) aber auch den Gewerkschaften im Bergbau, im Transportwesen, im verarbeitenden Gewerbe und bei der Post.(31) Bemerkenswert sind die zunehmenden Streiks für mehr Lohn in einzelnen Privatunternehmen. Die Zeit der kooperativen Politik scheint vorbei und die Gewerkschaften treten deutlicher für die Interessen der Arbeitnehmer_innen ein. Die Krankenschwestern waren besonders erfolgreich und erkämpften durch ihre Aktionen - darunter Hungerstreiks und ein vierwöchiges Sit-In vor dem Parlament - eine 30-prozentige Lohnerhöhung. Diese Stärke konnte bisher allerdings nicht verhindern, dass trotz erneuter Proteste und Streiks das Gesundheitswesen privatisiert und die Arbeitsverträge liberalisiert werden, so dass auch im Gesundheitswesen Arbeitsverträge zunehmend in Werkverträge umgewandelt werden.

Eine nahezu historische Errungenschaft stellt der erste Generalstreik seit über dreißig Jahren Ende 2012 in Schlesien dar. Hier hat sich ein regionales Streikkomitee (MKPS) aus allen drei Gewerkschaftsverbänden mit 95 Prozent Zustimmung der Mitglieder gebildet, die die lohnabhängigen Beschäftigten der Arbeitsgerichte in ihren Lohnforderungen unterstützen, da diese selber kein Streikrecht besitzen. Im Zuge des Streiks wurden die Forderungen um allgemeine Themen erweitert.(32) Im März 2013 setzten die Gewerkschaften die Warnstreiks in der Region fort, legten den Verkehr für mehrere Stunden lahm, verspäteten die Aufnahme von Patienten in Krankenhäusern und erklärten, dies sei erst der Anfang der Proteste gegen die arbeitnehmerfeindliche Regierungspolitik, eine erste »gelbe Karte«.(33)

Seit den Parlamentswahlen 2011 verstärkt sich zudem der politische Protest. In mehreren Großstädten organisierten die Solidarnosc-Gewerkschaften Demonstrationen gegen die Verschlechterung der allgemeinen Lebensbedingungen, gegen die steigenden Lebenshaltungskosten und gegen das Ausbleiben von Lohnerhöhungen. Folglich forderten sie die Erhöhung des Mindestlohns, eine Senkung der Kraftstoffsteuer, mehr Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, und das Abbremsen der Privatisierung der öffentlichen Hand und des damit verbundenen Stellenabbaus. Am Tag vor der EU-Ratspräsidentschaft Polens demonstrierten Solidarnosc-Mitglieder unter dem Motto »Eure Macht - unsere Armut«.

Die größte Gewerkschafts-Demonstration seit den 1980er Jahren fand im September 2013 statt. Fast zwei Millionen Teilnehmer/innen demonstrierten in Warschau gegen die Reformen der Regierung, die Beschneidung der Arbeitnehmer_innenrechte und für ein »Ende der Geringschätzung der Gesellschaft«. Zentral war hier die Forderung nach der Abschaffung der im Frühjahr beschlossenen Ausweitung der Flexibilisierung der Arbeitszeit, der Einführung verbindlicher Referenden ab 500.000 Unterschriften sowie der Erhöhung des Mindestlohns. Die Demonstration wurde von allen drei Verbänden gemeinsam organisiert und verlief friedlich. Sie kann als gewerkschaftlicher Erfolg gewertet werden, der eine neue breite gesellschaftliche Unterstützung der gewerkschaftlichen Forderungen aber auch die Mobilisierungskraft der Gewerkschaften zeigt.

Die politische Lage und die Politik der Tusk-Regierung einen also historisch einmalig die Gewerkschaften in Polen. Wie Duda in einem Interview im Mai 2013 sagte: »Ministerpräsident Donald Tusk kann unzweifelhaft einen Erfolg verbuchen, auf den er stolz sein kann: er hat die Gewerkschaften geeint.«(34) Auch wenn die Gewerkschaften in ihren Vorstellungen abweichen, mit welchen Mitteln sie ihre Forderungen gegenüber der resilienten Regierung fortsetzen sollen - der OPZZ befürwortet Straßenblockaden, die Solidarnosc möchte Neuwahlen - operieren sie doch in einer nie dagewesenen, konstruktiven Weise.

Das Image der Gewerkschaften wird besser

Dies wirkt sich auch auf ihre gesellschaftliche Akzeptanz aus. Lange Zeit war diese in Polen eher gering. Den Gewerkschaften haftete aufgrund ihrer starken Politisierung in den 1990er Jahren ein negatives Image an. Zudem war die Medienberichterstattung tendenziell gewerkschaftskritisch. Dennoch denken jüngsten Umfragen zufolge immerhin 45 Prozent der Polinnen und Polen, Gewerkschaften seien für ihr Land gewinnbringend(35) und über 65 Prozent sind der Ansicht, ohne Gewerkschaften wäre die Situation der Arbeitnehmer_innen schlechter.(36) 61 Prozent wünschen sich einen größeren politischen Einfluss der Gewerkschaften.(37) Der große Zuspruch bei den Septemberdemonstrationen seitens der allgemeinen Bevölkerung(38) hat zudem die Medienresonanz leicht verbessert.

Schlecht bewertet wird dagegen die betriebliche Gewerkschaftsarbeit: 44 Prozent der Polen denken, dass sich die Gewerkschaften zwar bemühten, aber oftmals erfolglos blieben; bloß 14 Prozent schätzen die Verhandlungserfolge auf Betriebsebene positiv ein.(39) Dies deckt sich mit der bekannten Skepsis in den eigenen Reihen der Mitglieder: 57 Prozent der Solidarnosc-Mitglieder und 49 Prozent der OPZZ-Mitglieder meinten schon Ende der 1990er Jahre, dass keine Gewerkschaft ihre Interessen vertrete und zeigten sich pessimistisch zu den Möglichkeiten, auf Betriebsebene überhaupt Arbeitnehmer_inneninteressen vertreten zu können.(40)


4. Aktuelle Herausforderungen - Die wichtigsten gewerkschaftlichen Projekte

Vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Lebenslage vieler Polinnen und Polen (mit einer Arbeitslosigkeit von 13,4 Prozent im Jahr 2013 sowie gestiegenen Lebensmittelpreisen), einer ungewohnt hohen Inflationsrate von 5,5 Prozent bereits im Jahr 2011 und einem Haushaltsdefizit von 8 Prozent des BIP im Jahr 2012,(41) fordern die großen Gewerkschaftsverbände Verbesserungen in vielen sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Bereichen. Die Gewerkschaften stellen sich aber auch internen Herausforderungen. Die wichtigsten Projekte werden hier vorgestellt.

Arbeitszeit: Flexibilisierung und 40-Stunden-Woche

Die Gewerkschaften fordern die Rücknahme der trotz zäher Verhandlungen ohne ihre Zustimmung verabschiedeten flexiblen Arbeitszeitregelung. Die neue Arbeitszeitregelung ermöglicht Arbeitgebern den Arbeitseinsatz von Arbeitnehmer_innen auf Abruf an sieben Tagen in der Woche mit unterschiedlichem Stundenaufkommen, je nach Bedarf der Unternehmen. Arbeitgeber könnten längere Arbeitszeiten in Hochphasen mit verkürzten Arbeitszeiten in Tiefphasen gegenrechnen und verschiedene Zeiten für Arbeitsbeginn und -ende festlegen. De facto bedeutet dies Kurzarbeit bei Auftragsflauten und Spitzenarbeitsbelastungen in Hochzeiten. Es impliziert aber auch, dass Pausen nicht mehr als Arbeitszeit gerechnet werden und Überstunden nicht mehr bezahlt werden müssen, bis das Zeitpolster aus der auftragslosen Zeit aufgebraucht ist.

Die Gewerkschaften kritisieren hier erstens die finanzielle Verschlechterung der Beschäftigten, da die im europäischen Vergleich eher hohen Überstundenzuschläge wegfallen, worauf viele Arbeitnehmer_innen jedoch bei den geringen Basisgehältern angewiesen sind.

Die Gewerkschaften befürchten zweitens extrem hohe Arbeitsbelastungen mit bis zu 14 Arbeitsstunden pro Tag - gerade bei jungen und prekär Beschäftigten - ohne dass bei befristeten Arbeitsverträgen sichergestellt sei, dass diese Zeiten später »abgefeiert« werden können. Tendenziell sehen die Gewerkschaften hier den 8-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche ausgehebelt. Große Befürchtungen richten sich in dem Zusammenhang, drittens, auf die gesundheitliche Belastung und das steigende Arbeitssicherheitsrisiko durch den möglich gewordenen massiven Arbeitseinsatz.

Die Gewerkschaften hätten zudem viertens die Entscheidung, ob es zu einem flexiblen Arbeitszeiteinsatz kommen darf, lieber den Verhandlungen der Sozialpartner überlassen und dies als Gegenstand von Branchentarifverträgen implementiert.

Die jetzige Regelung sieht vor, dass die Betriebsgewerkschaften der Arbeitszeitregelung zustimmen müssen. Gibt es keine Betriebsgewerkschaft, wie in den meisten Unternehmen, soll die Entscheidung von betrieblich bestimmten Arbeitnehmer_innenvertretern getroffen werden. Hierin sehen die Gewerkschaften ein weiteres Problem, denn solche Arbeitnehmer_innenvertreter sind kein gewähltes oder repräsentatives Gremium, sondern werden nach der »Tradition im jeweiligen Betrieb« benannt. Die Gewerkschaften befürchten daher, dass Scheinvertreter Änderungen im reinen Arbeitgeberinteresse ermöglichen. Andernfalls unterliegen diese Arbeitnehmervertreter keinem besonderen Schutz. Die Gewerkschaften sehen hierin einen Verstoß gegen die ILO-Richtlinie 135 und haben bereits Klage beim polnischen Verfassungsgericht eingereicht.

Mindestlohn: Höhe und Festlegung umstritten

Der Mindestlohn ist gesetzlich festgelegt und liegt zurzeit bei 1600 Zloty brutto, etwa 380 Euro. Die Gewerkschaften fordern eine Erhöhung auf 50 Prozent des Durchschnittslohns, der zurzeit bei 3760 Zloty bzw. 895 Euro liegt.

Der gewerkschaftliche Kampf für mehr Lohn weist in Polen eine wechselhafte Geschichte auf. Im Zuge des Antikrisenpakets 2009 hatten sich Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften bereits bilateral geeinigt auf eine Anhebung des Mindestlohns auf 50 Prozent des Durchschnittslohns - der Vorschlag wurde jedoch von der Regierung nicht umgesetzt. Piotr Duda, Solidarnosc-Vorsitzender, machte den Mindestlohn zur Chefsache, sammelte 300.000 Unterschriften für eine Gesetzesinitiative zur Anhebung des Mindestlohns und inszenierte eine medienwirksame Kampagne mit Kundgebungen und Demonstrationen. Noch in alter Tradition und Gewohnheit hat die Solidarnosc in dieser Frage nicht mit den anderen beiden Verbänden kooperiert, obwohl die Dachverbände in der Lohnfrage weitgehend für das gleiche Ziel einstehen und die Differenzen in den Forderungen zu vernachlässigen sind. Der Alleingang der Solidarnosc war nicht der erste; noch 2007 schloss der Verband ein eigenständiges Abkommen mit der Regierung, nachdem die Arbeitgeber den Gewerkschaftsforderungen in der Tripartistischen Kommission nicht nachgekommen waren. In dem jüngsten Fall ist der gewerkschaftliche Alleingang wohl vor allem mit organisationsinternen Gründen erklärbar: der neue Chef brauchte ein Erfolgsprojekt, das seine Position in der Organisation und in der öffentlichen Wahrnehmung stärkte. Dazu hat das Projekt allerdings bisher nicht beigetragen: die Regierung legt den Mindestlohn einseitig fest, ohne wie eigentlich vorgesehen, diesen in der Tripartistischen Kommission auszuhandeln. Für das Jahr 2014 bietet die Regierung nun 1680 Zloty an, 400 Euro, etwa 44 Prozent des Durchschnittslohns.

Im Übrigen fordert OPZZ, den Mindestlohn pro Stunde und nicht pro Monat festzulegen, um die oftmals defacto-Reduzierung des Mindestlohns durch unbezahlte Überstunden zu verhindern. Eine Forderung, die auf Parteiebene vom Linksbund SLD geteilt wird. Interessanterweise liegt die aktuelle OPZZ-Forderung dabei mit 11 Zloty pro Stunde niedriger als die SLD-Forderung 14 Zloty.

Werkverträge: bereits die Vertragsgrundlage etwa der Hälfte der jüngeren Beschäftigten

Das dritte große Thema sind Werkverträge, die in der polnischen Diskussion meist unter »zivilrechtliche Beschäftigungsverhältnisse« firmieren. Werkverträge unterliegen nicht dem Arbeitsrecht. Somit haben die Gewerkschaften bisher keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der Werkverträge. Zugleich ist die Zahl dieser Art von Verträgen rasant gestiegen: immer mehr Firmen und Branchen versuchen, das geltende Arbeitsrecht durch diesen neuen Vertragstypus zu umgehen, um auf diesem Weg Beschäftigungsverhältnisse zu flexibilisieren und Lohn-Kosten zu sparen.(42)

Schätzungsweise die Hälfte der Menschen unter 24 Jahren arbeiten bereits auf Basis eines Werkvertrags an Stelle eines Arbeitsvertrags.(43) Aktuell streben die großen Gewerkschaftsverbände danach, das Ausmaß der Werkverträge einzudämmen und die Organisierbarkeit dieser »Solo-Selbständigen« zu ermöglichen, vor allem durch ihre Re-Definition als arbeitnehmerähnliche Personen, und damit eine Änderung des Gewerkschaftsrechts. Mitglied einer Gewerkschaft werden dürfen bislang nur Arbeitnehmer_innen in einem Betrieb, also Inhaber_innen eines »Arbeitsvertrags«. Die Gewerkschaften sehen hier die ILO-Konvention über die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivvereinbarungen verletzt (ILO-Übereinkommen 87 und 98) und fordern, das polnische Recht anzupassen, damit die Interessen dieser besonderen Beschäftigtengruppe vertreten werden können. Die Solidarnosc reichte dazu im Juli 2011 eine Beschwerde bei der ILO ein und bekam Recht. Die ILO sieht die Konvention 87 durch die polnische Rechtsprechung verletzt. Als die Regierung allerdings nicht darauf reagierte, haben die Gewerkschaften eine Klage beim Verfassungsgericht eingereicht. Das Ergebnis wird im Frühjahr 2014 erwartet.

Befristete Beschäftigungsverhältnisse: Der höchste Anteil in der EU

Das vierte Ziel sehen die Gewerkschaften in der Eindämmung der befristeten Beschäftigungsverhältnisse. In Polen nennt man sie »Müllverträge« (umowy smieciowe). Polen hat mit 31 Prozent den höchsten Anteil an befristeten Beschäftigungsverhältnissen in der EU. Bis Ende 2011 galt noch eine Sonder-Regelung im Rahmen des »Antikrisenpakets«, so dass befristete Verträge innerhalb von 24 Monaten endlos erneuert werden konnten. Die Gewerkschaften forderten die Wiederaufnahme der Regelung vor der Krise zurück: diese sah vor, dass die dritte Befristung in Folge in einen festen Vertrag münden muss. Allerdings scheiterten die Gewerkschaften bislang mit der Forderung, den Zeitraum für Befristungen bei einem Arbeitgeber zu begrenzen. Befristungen können nun den Zeitraum von zwei Jahren überschreiten. Schützenhilfe erfahren die Gewerkschaften hier von der Europäischen Kommission, die Polen angemahnt hat, die Entfristung befristeter Verträge gesetzlich vorzusehen sowie die Zahl der Werkverträge zu reduzieren.(44)

Rentenreform: Gegen »Rentensteuer« und verzögerten Renteneintritt

Das umfangreichste Reformpaket der Regierung Tusk betrifft die Rentenpolitik. Zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen hat die Regierung bereits teilweise eine Rücknahme der Rentenreform von 1999 vollzogen. Seit April 2011 zahlen die Beschäftigten statt 7,3 Prozent nur noch 2,3 Prozent in den privaten Kapitalfonds, der Rest fließt in die staatliche Rentenversicherungsanstalt. Voraussichtlich gilt diese Regelung bis 2017, dann soll der Beitrag zur privaten Säule auf 3,5 Prozent steigen. Kritiker sehen darin den Versuch, kurzfristig den Staatshaushalt zu sanieren, ohne das Problem der Renten langfristig anzugehen. Der bekannte liberale Reformer und ehemalige Präsident der Polnischen Nationalbank, Balcerowicz, spricht gar von einer »Rentensteuer«.(45) Aktuell plant die Regierung, bereits gezahlte Beiträge zur kapitalgedeckten Altersvorsorge in die Kasse der gesetzlichen Rentenversicherung zu transferieren, um so die Staatsverschuldung im Haushalt 2014 zu minimieren. Diese Reform der kapitalgedeckten Altersvorsorge wird sowohl von den Gewerkschaften als auch von der Opposition als verfassungswidrig erklärt und heftig im Parlament debattiert.

Streitpunkte sind zudem seit Jahren die Frage der Erhöhung und Angleichung des Renteneintrittsalters für Männer und Frauen - bisher lag es bei 60 Jahren für Frauen und 65 Jahren bei Männern - und die Sonderreglungen für einige Berufsgruppen. Soldaten, Polizeimitarbeiter, Bahnbedienstete, Bergarbeiter und Lehrer genießen das Privileg einer deutlich früher einsetzenden Rente. Im Landesdurchschnitt liegt das Renteneintrittsalter de facto bei 59 Jahren für Männer und bei 58 Jahren für Frauen. Da eine Anpassung des Rentenalters bei der Rentenreform 1998 nicht konfliktfrei gelöst werden konnte, vertagte man das Problem und entschied sich für Übergangsregeln mit sogenannten Brückenrenten bis 2008. Einzelne Gewerkschaften kämpfen seitdem für den Erhalt der Privilegien, sowohl durch Bürgergesetzesinitiativen wie durch militante Auseinandersetzungen. Teilweise groteske Züge nimmt dieser Kampf an, wenn etwa die Gewerkschaftschefs eine Nacht lang Besprechungsräume besetzen, um den Ministerpräsidenten zum Gespräch zu zwingen. Teilerfolge erreichten vor allem die Bergarbeiter, sie können unabhängig vom Alter nach 25 Jahren in Rente gehen. Bei den Uniformierten (Polizei, Armee und Feuerwehr) konnte man sich auf eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf mindestens 55 Jahre nach 25 Jahren Dienst einigen; dafür wurden im Gegenzug höhere Rentenzahlungen vereinbart. Bei den Lehrern kann die Rente nun erst nach 30 Dienstjahren statt wie bisher 25 Jahren angetreten werden. Ein weiterer Kostenspar-Versuch ist, die Erwerbstätigkeit im Rentenalter zu erleichtern und die Lohneinnahmen mit den Rentenzahlungen zu verrechnen.

Seit dem 1. Januar 2013 gilt nun die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters, auf 67 Jahre bis 2020 für Männer und bis 2040 für Frauen. Diese Anhebung von 65 bzw. 60 auf 67 wurde ohne letztliche Zustimmung in der Tripartistischen Kommission von der Regierung Mitte 2012 gesetzlich verabschiedet. Die Gewerkschaften mobilisieren seitdem Proteste, um die Anhebung rückgängig zu machen. In 2012 war das Motto der landesweiten Demonstrationen »Polen, wach auf«.

Ein ausgewogenes zukunftsfähiges Rentenkonzept fehlt den Gewerkschaften allerdings. Ihre Mitglieder gehören zu großen Teilen zu den Profiteuren des alten Rentensystems, als Beschäftigte im öffentlichen Dienst, als besondere Berufsgruppe und ältere Arbeitnehmer_innen. Wie die Gewerkschaften den Spagat zwischen der Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder und einer solidarischen Alterssicherung für alle hinbekommen wollen, ist ungeklärt.

Organizing: Den Mitgliederschwund stoppen und Mitglieder vor allem in neuen Sektoren gewinnen

Vor allen inhaltlichen und organisatorischen Aufgaben steht an, den Mitgliederschwund der polnischen Gewerkschaften aufzuhalten und neue Mitglieder zu gewinnen. Notwendig hierzu ist vor allem das Erschließen des privaten Sektors. Die Solidarnosc hat eine Organizing-Abteilung »Entwicklung der Gewerkschaft« gegründet und kann erste Erfolge im Einzelhandel und im Sicherheitsgewerbe vorweisen. Mit professionellen Organizing-Kampagnen hat der Verband in den letzten sechs Jahren fast 70.000 neue Mitglieder gewonnen, gesteuert von der Landeszentrale. Solidarnosc hat bereits 40 Organizer landesweit eingestellt. Ziele der Organizing-Kampagnen sind die Erschließung bisher gewerkschaftsfreier Räume und die Stärkung von Gewerkschaften mit geringem Organisationsgrad in multinationalen Unternehmen, wie im Einzelhandel und der Lebensmittelindustrie.

Der OPZZ hat keine eigene Organizing-Abteilung, sondern zu diesem Zweck eine Mitgliedsgewerkschaft (Konföderation der Arbeit / Konfederacja Pracy) gegründet, die sich der Organisierung von prekär Beschäftigten im Dienstleistungssektor widmet. Über die Möglichkeit, dass Beschäftigte unterschiedlicher Betriebsstätten gemeinsam eine Gewerkschaft gründen können, wird hier das Prinzip der Betriebsgewerkschaft aufgeweicht. Nicht jedes Unternehmen braucht also 10 potentielle Gewerkschaftsmitglieder, sondern es reichen 10 Mitglieder aus beispielsweise einer Supermarktkette mit mehreren Läden. Bisher sind bereits 8.000 Mitglieder auf diese Weise organisiert worden. Neben diesen neuen Ansätzen der Mitgliedergewinnung kann jedoch die Rekrutierung in den Stammbetrieben nicht vernachlässigt werden, da sich gezeigt hat, dass vor allem ältere Gewerkschafter häufig keine neuen Mitglieder auf Betriebsebene rekrutieren, und zwar aus Angst, ihnen könnten ihre Führungspositionen streitig gemacht werden.(46)

Die Gewinnung neuer Mitglieder wirft innerhalb der Gewerkschaften komplexe Fragen auf. Lohnt sich aus einer organisationsinternen Perspektive die personal- und kostenintensive Mobilisierung von prekär Beschäftigten? Diese führen nur geringe Beiträge an die Gewerkschaften ab, gehen aufgrund der befristeten Verträge und der hohen Jobfluktuation den Gewerkschaften schnell wieder verloren und nehmen aus Angst vor Arbeitsplatzverlust eher selten teil an Protestaktionen. Oder ergibt es mehr Sinn, vorwiegend die klassische Klientel wie Arbeiter in der Automobilindustrie oder in der Weißgüterindustrie zu mobilisieren, wo junge Aktivisten ein neues, in vielerlei Hinsicht sogar militanteres Selbstverständnis als Gewerkschafter_innen mitbringen?(47)

Organisationsreformen - Mitgliederbeiträge bleiben weiterhin auf der Betriebsebene hängen

Ein weiteres Problem besteht in der Finanzierung der Gewerkschaften: 60 Prozent der Beiträge verbleiben in den Betriebsorganisationen und fließen zum Teil über Sozialleistungen wieder an die Mitglieder zurück, so dass die Verbände auf nationaler und auf Branchenebene über zu wenig Mittel verfügen, um ausreichend Experten einzustellen oder Kampagnen durchführen zu können.

Die beiden erfolgreichsten Organizing-Kampagnen der Solidarnosc wurden beispielsweise nicht ausschließlich aus Gewerkschaftsmitteln finanziert, sondern mit Mitteln der EU und mit Unterstützung US-amerikanischer Gewerkschaften.

Tarifverhandlungen - die Crux mit schwachen Arbeitgeberverbänden und fehlenden Flächentarifverträgen

Die geringe Tarifdeckung in Polen von weniger als 30 Prozent wird von allen Gewerkschaften als großes Problem empfunden - welcher Weg über die oben bereits genannten Ansätze hinaus aber am besten zur flächendeckenden Verbreitung von Tarifverträgen führt, ist umstritten.

Die größte tarifpolitische Herausforderung ist es, den autonomen Dialog zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften zu stärken - ohne Beteiligung der Regierung. Die erste große Hürde dabei liegt allerdings darin, dass nur zehn Prozent der »Arbeitgeber« - laut gesetzlicher Definition also jener, die das Recht besitzen, Arbeitnehmer_innen einzustellen, zu entlassen und Arbeitsbedingungen zu bestimmen - in einem der Dachverbände der Arbeitgeberseite Mitglied sind. Da die Tarifverhandlungen in Polen vorwiegend auf Betriebsebene stattfinden, gibt es in der Tat kaum Anreize für Arbeitgeber, sich in Arbeitgeberverbänden zu organisieren.

Eng verknüpft hiermit ist die Frage des Kampfes für überbetriebliche bzw. Flächentarifverträge. Hierzu bestehen innerhalb der polnischen Gewerkschaftsbewegung allerdings Differenzen: denn einerseits fürchten viele Betriebsgewerkschaften um die Erosion ihrer immerhin derzeit bestehenden Machtbasis. Andererseits beobachtet man auch die Tendenz zur Verbetrieblichung und Schwächung des Flächentarifvertrags beispielsweise in Deutschland sehr genau und will sich nicht verkämpfen in einem Feld, das womöglich politisch bereits verloren ist.

Hinzu kommen spezifische Herausforderungen: noch immer wurden keine wirkungsvollen Mechanismen gegen ausbleibende oder verzögerte Lohnzahlungen gefunden. Auch der betriebliche Arbeitsschutz verdient besondere Aufmerksamkeit: viele Arbeitsunfälle werden von den Unternehmen gar nicht gemeldet, die Arbeitnehmer_innen verschweigen zudem Arbeitsunfälle aus Angst vor Arbeitsplatzverlust und Arbeitgeber belohnen diese Haltung durch Prämien auf Unfallfreiheit.

Blick in die Zukunft - Die Weichen für eine bessere Zusammenarbeit sind gestellt

Die gesellschaftspolitischen Ziele der Gewerkschaften erfordern einige organisatorische Veränderungen: zunächst muss der ausgeprägte Pluralismus auf Betriebsebene eingedämmt werden, überbetriebliche Gewerkschaftsstrukturen müssen vor allem auf Branchenebene gestärkt werden. Dies gilt sowohl organisatorisch als auch finanziell. Die Zusammenarbeit der einzelnen Gewerkschaften muss konsolidiert werden, insbesondere aber die der politisch operierenden Dachverbände. Die Absicht zu kooperieren wird erst jüngst in die Tat umgesetzt. Es kam noch allzu häufig vor, dass - in Konkurrenz um potenzielle Mitglieder - Aktionen auf der politischen Bühne medienwirksam im Alleingang durchgeführt wurden.

Die Weichen für eine bessere Zusammenarbeit sind gestellt. Gerade die jüngeren Gewerkschafter_innen haben die ideologischen Differenzen hinter sich gelassen. Einer der jüngeren Sekretäre sagt: »Ich arbeite für die Zukunft, für die Zukunft und das Heute« (Juli 2011). Die konsequente Verjüngungspolitik scheint der richtige Schritt zu sein. Hierzu braucht es junge Gewerkschafts-Sekretär_innen, gezielte Organisierungskampagnen bei den jungen Arbeitnehmer_innen und Solo-Selbständigen, eine effektive Öffentlichkeits- und Imagearbeit und auch Aufklärungsarbeit in Schulen. Viele junge Menschen verbinden mit polnischen Gewerkschaften nach wie vor ausschließlich die Solidarnosc als bekannte historische Kraft, die den Sozialismus zu Fall gebracht hat. Dass Gewerkschaften Organisationen der Interessenvertretung von Arbeitnehmer_innen sind, darüber muss man systematisch aufklären. Auch das Vokabular und die Medien der Kommunikation müssen sich ändern, um gezielt jüngere Menschen zu erreichen. Ein weiterer Baustein könnte der erhoffte Umzug zumindest von großen Teilen der Solidarnosc-Zentrale von Danzig nach Warschau sein als greifbares Zeichen: eine neue gewerkschaftspolitische Ära bricht an.(48)


5. Fazit: Der Beginn einer neuen Phase gewerkschaftlicher Politik

Die aktuellen Entwicklungen markieren eine spannende Phase in der polnischen Gewerkschaftspolitik. Polen hat wirtschaftlich aufgeholt, steht sogar im EU-weiten Vergleich der Auswirkungen der Finanzmarktkrise positiv da, polnische Arbeitskräfte sind EU-weit gefragt. Dies bietet den Gewerkschaften die Möglichkeit, höhere Löhne zu fordern, mit dem langfristigen Ziel der Anpassung an den westeuropäischen Durchschnitt. Zudem sind die polnischen Bürger_innen enttäuscht von der Qualität der Demokratie, sie beklagen das Regierungshandeln als wenig effizient, beklagen ihren geringen Einfluss auf das Regierungshandeln, und dessen mangelnde Transparenz.(49) Auch die Unzufriedenheit mit den allgemeinen Lebensbedingungen und prekären Arbeitsbedingungen steigt. Es stellen sich mehrere Fragen: Wird es den Gewerkschaften gelingen, diesen Unmut zu kanalisieren? Werden sie es schaffen, sich glaubhaft als Repräsentant_innen von Arbeitnehmer_inneninteressen darzustellen? Bringen ihnen ihre momentanen Forderungen, etwa nach der Erhöhung des Mindestlohns und ihre Vertretungsansprüche für Werkvertrags-Beschäftigte das nötige Vertrauen bei den betroffenen Personengruppen ein? Werden sie Brücken zu anderen gesellschaftlichen Kräften bauen, die ebenfalls ein solidarischeres Polen fordern? Werden die Gewerkschaften den Betriebspluralismus überwinden und die politische Polarisierung vermeiden können? Die Zustimmung zu Gewerkschaften ist gestiegen, die breite Beteiligung an den Protesten ist ein positives Zeichen. Aber wird es gelingen, den Protest auf Dauer zu stellen und einen Politikwechsel einzuleiten?

Einiges hängt ab davon, wie viel Macht die jungen Gewerkschafter_innen ausüben können, die weniger vom Transformationserbe geprägt sind. Die Gewerkschaften stehen derzeit vor der schwierigen Aufgabe, sich grundlegend zu verabschieden von der Verankerung entlang der ideologischen Achsen katholisch-laizistisch bzw. oppositionell- systemkonform, um stattdessen Interessenpolitik zu betreiben entlang des Konflikts Arbeit-Kapital.(50) Hierzu ist es notwendig, ihre Orientierung an ihrer überwiegend älteren Facharbeiter_innen-Klientel zu erweitern und kollektive Identitäten um ihre neuen systemkritischen Motive herum zu stärken. Ansätze dazu kann man erkennen. Besonders gestiegen sind sowohl die Konflikt- als auch die Allianzfähigkeit - nun gilt es diese gegen interne und externe Widerstände auf Dauer zu stellen. Der historische Moment ist da. Allerdings unterliegen die Gewerkschaften mit ihren Forderungen und Reformvorschlägen derzeit massiv der Regierung. Was es jetzt dringend braucht, ist eine Strategie, wie die Forderungen in der politischen Praxis und im Arbeitsrecht durchgesetzt werden können. Hierzu sind Ideen aller progressiven Kräfte gefragt.


Anmerkungen

(1) Central Statistical Office of Poland (2013): Concise Statistical Yearbook 2013;
http://www.stat.gov.pl/cps/rde/xbcr/gus/SY_concise_statistical_yearbook_of_poland_2013.pdf (Zugriffsdatum: 10.1.2014).

(2) Es handelt sich um Näherungswerte beruhend auf Angaben der Gewerkschaften und Branchenanalysen der EIRO Analysen. Online: http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2011/country/poland.htm (Zugriffsdatum: 10.1.2014). Vgl. dazu auch Gardawski, Juliusz/Mrozowicki, Adam/Carzasty, Jan (2012): Trade unions in Poland, Report 123, Brussels: ETUI.

(3) Vgl. Stegemann, Karolina (2011): Gewerkschaften und kollektives Arbeitsrecht in Polen. Wechselbeziehungen im geschichtlichen Kontext, Baden-Baden: Nomos, S. 392.

(4) Centrum Badania Oponii Spolecznej (CBOS) (2009): Czlonkostwo w Zwiazkach Zawodowych. Naruszenia praw pracowniczych i »Szara Strefa« w Zatrudnieniu, BS/6/2009;
http://www.cbos.pl/SPISKOM.POL/2009/K_006_09.PDF, Zugriffsdatum (10.1.2014).

(5) Bukowski, Maciek (Hrsg.) (2010): Employment in Poland 2009. Entrepreneurship for Work, Warsaw: Human Resources Development Centre.

(6) Vgl. Polakowski, Michal (2012): Youth Unemployment in Poland, Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung;
http://library.fes.de/pdf-files/id/09477.pdf (Zugriffsdatum: 10.1.2014).

(7) Centrum Badania Opinii Spolecznej (CBOS) (2009): Opinie o Zwiazkach Zawodowych i Dialogu Spolecznym;
www.cbos.pl/SPISKOM.POL/2009/K_002_09.PDF (Zugriffsdatum: 10.1.2014).

(8) Vgl. Europäische Kommission (2007): Eurobarometer Spezial. Diskriminierung in der EU, Eurobarometer Spezial 263/Welle 65.4 - TNS Opinion & Social; sowie die polnische Kampagne gegen Homophobie unter http://www.kph.org.pl.

(9) Beschäftigungsverhältnisse, die nicht über das Arbeitsrecht geregelt werden, die Leistungen über einen Werkvertrag definieren. Derzeit arbeiten etwa 23 Prozent aller Polen auf Werksvertragsbasis als sogenannte »abhängige Solo-Selbstständige« oder Kontraktbeschäftigte.

(10) Trawinska, Marta (2011): Unions and students act to help young workers, European Industrial Relations eironline;
http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2011/06/articles/pl1106039i.htm (Zugriffsdatum: 10.1.2014).

(11) Mecina, Jacek (ed.): Dialog spoleczny na poziomie zakladu pracy. Miedzy zasadami a realiami, Warszawa, Ministerstwo Pracy i Polityki Spolecznej, 2009.

(12) Trappmann, Vera/Jasiecki, Krzysztof/Przybysz, Dariusz (2014): Institutions or attitudes? - The role of formal worker representation in labour relations, in: Bluhm, Katharina/Marten, Bernd/Trappmann, Vera (Hrsg.): Business Leaders and New Varieties of Capitalism in Post-Communist Europe, New York: Routledge, S. 176-204.

(13) European Works Councils database, ETUI-REHS, March 2008;
http://www.ewcdb.org/ (Zugriffsdatum: 10.1.2014).

(14) Für die Ausführung zum Tarif- und Arbeitsrecht vergleiche die fundierten Analysen von Stegemann (2011) sowie Krzywdzinski, Martin (2008). Arbeits- und Sozialpolitik in Polen. Interessenvermittlung und politischer Tausch in einem umkämpften Politikfeld. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

(15) Rode, Clemens (2008): Die aktuelle Situation der Gewerkschaften in Polen, Polen-Analysen 36/2008, S. 2-6.

(16) Bisher hatte die Regierung z.Höchstsätze für Lohnsteigerungen festgelegt und Verstöße mit Strafsteuern geahndet. Nun sollen das Lohnwachstum in Staatsunternehmen bei Beteiligung der Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeinsam mit der Regierung bestimmt und Empfehlungen für die Lohnentwicklung in Privatunternehmen abgegeben werden.

(17) Gardawski, Juliusz (2003): Konfliktowy pluralizm polskich zwiazków zawodowych, Warszawa: Fundacja im. Friedricha Eberta, zitiert in: Stegemann (2011).

(18) Aktuell wird die Regierungskoalition gebildet aus der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska, PO) und der Polnischen Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe, PSL).

(19) Vgl. Centrum Badania Opinii Spolecznej (CBOS) (2010): Zwiazki zawodowe i naruszenia praw pracowniczych;
www.cbos.pl/SPISKOM.POL/2010/K_109_10.PDF, (Zugriffsdatum:10.1.2014).

(20) Majcherek, Janusz A. (2011): Die Bürgerplattform (PO) vor den Parlamentswahlen, Polen-Analysen 91/2011, S. 2-7.

(21) Vgl. Centrum Badania Opinii Spolecznej (CBOS) (2012): Opinie o podnoszeniu wieku emerytalnego i zmianach w systemie emerytalnym;
www.cbos.pl/SPISKOM.POL/2012/K_040_12.PDF, Zugriffsdatum: (10.1.2014).

(22) Czarzasty, Janzarek Dominik (2012): The economic crisis and social dialogue in Poland, Warsaw: Institute of Public Affairs.

(23) Ost, David (2000): Illusory Corporatism in Eastern Europe: Neoliberal Tripartism and Postcommunist Class Identities, in: Politics & Society 28(4) 503-530.

(24) Vgl. Krzwydzinski, Martin (2008): Arbeits- und Sozialpolitik in Polen, Wiesbaden.

(25) Solidarnosc (2012): Europa 2020. Walka z ubóstwem i spolecznym wykluczeniem pracowników, Materialy z konferencji miedzynarodowej. Warszawa 20-22 kwietnia 2012, Warszawa: Tysol.

(26) Vgl. Gardawski, Juliusz (2009): Dialog spoleczny w Polsce. Teoria, historia, praktyka, Warszawa: Ministerstwo Pracy i Polityki Spolecznej. Katedra Socjologii Ekonomicznej SGH, S. 338.

(27) Trotzdem kommt es immer wieder zum gemeinsamen Schulterschluss, etwa im Rahmen des gemeinsam von PiS und Solidarnosc organisierten Protestmarsches »Marsch der Freiheit« am 13.12.2013.

(28) Tygodnik Solidarnosc, Nr. 44 (1151), 29. Oktober 2010.

(29) Vgl. Stegemann (2011), S. 500. Zwar gibt es auch in Polen kein politisches Streikrecht, allerdings werden politisch-ökonomische Streiks unter Verweis auf die Funktion der Streiks 1980/81 für die Entwicklung Polens hin zur Demokratie geduldet.

(30) Vgl. auch ILO Statistics; http://laborsta.ilo.org/ (letzter Zugriff am 4.8.2011). Vgl. auch Gardawski, Juliusz/Mrozowicki, Adam/Czarzasty, Jan (2012): Trade unions in Poland, Report 123, Brussels: ETUI.

(31) Vgl. ebd.

(32) Mrozowicki, Adam (2013): First general strike in 30 years, in: Eiro-online;
http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2013/04/articles/pl1304019i.htm (Zugriffsdatum: 10.1.2014).

(33) Thenews.pl (20.5.2013): Polands trade unions to coordinate anti-government protests;
http://www.thenews.pl/1/12/Artykul/136221,Polands-tradeunions-to-coordinate-antigovernment-protests#sthash.S1SnAd13.YWs2Op7f.dpuf (Zugriffsdatum: 10.1.2014).

(34) ebd.

(35) Vgl. Centrum Badania Opinii Spolecznej (CBOS) (2013): Trade Union Membership and Opinions about their Activities;
www.cbos.pl/EN/publications/reports/2013/062_13.pdf (Zugriffsdatum: 10.1.2014).

(36) Vgl. Gardawski Juliusz (Hrsg.) (2009): Polacy pracujacy a kryzys fordyzmu, Warszawa: Wydawnictwo Naukowe Scholar.

(37) Vgl. Centrum Badania Opinii Spolecznej (CBOS) (2013): Trade Union Membership and Opinions about their Activities;
www.cbos.pl/EN/publications/reports/2013/062_13.pdf (Zugriffsdatum: 10.1.2014).

(38) Vgl. auch Centrum Badania Opinii Spolecznej (CBOS) (2013): Stosunek do protestów zwiazkowych;
www.cbos.pl/SPISKOM.POL/2013/K_131_13.PDF (Zugriffsdatum: 10.1.2014).

(39) Vgl. Centrum Badania Opinii Spolecznej (CBOS) (2010): Ocena poparcia Jaroslawa Kaczynskiego przez NSZZ »Solidarnosc«, S. 3;
www.cbos.pl/SPISKOM.POL/2010/K_068_10.PDF (Zugriffsdatum: 10.1.2014).

(40) Vgl. Gardawski, Juliusz/Gaciarz, Barbara/Mokrzyszewski, Andrzej/Panków, Wlodzimierz (1999): Rozpad bastionu. Zwiazki zawodowe a gospodarce prywatyzowanej, Warszawa: Instytut Spraw Publicznych, S.137.

(41) Central Statistical Office of Poland (2013): Consise Statistical Yearbook 2013;
http://www.stat.gov.pl/cps/rde/xbcr/gus/SY_concise_statistical_yearbook_of_poland_2013.pdf (Zugriffsdatum: 10.1.2014).

(42) Nach Angaben des EWCS data arbeiten Solo-Selbstständige in Polen im Schnitt 56 Stunden in der Woche. Siehe: European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (EIRO) (2007): Fourth European Working Conditions Survey, Dublin.

(43) The Chancellery of the Prime Minister (2011): Youth 2011 Poland, Warsaw, October.

(44) European Commission (2013): Recommendation for a COUNCIL RECOMMENDATION on Polands 2013 national reform programme and delivering a Council opinion on Polands convergence programme for 2012-2016, {SWD(2013) 371 final}. COM(2013) 371 final.

(45) Gazeta Wyborcza, 1.2.2011, S. 5.

(46) Vgl. Rode (2008).

(47) Vgl. hierzu die Forschungsergebnisse von Krzywdzinski, Martin (2009): »Organisatorischer Wandel von Gewerkschaften in postkommunistischen Ländern. Der Fall der Solidarnosc«, in: Industrielle Beziehungen, 16(1): S. 25-45.

(48) Angekündigt wurde der Umzug von Duda auf dem Landeskongress im Herbst 2010, über das »Wann?« schweigen sich noch alle aus.

(49) Vgl. Garsztecki, Stefan (2011): Polens Linke und alternative Milieus: Ansätze für ein Revirement der polnischen Sozialdemokraten?, Polen-Analysen 88, S. 2-6.

(50) Vgl. hierzu die These von David Ost, dass die neoliberale Orientierung der Gewerkschaften zu ihrer Marginalisierung beigetragen hat: Ost, David (2005): The Defeat of Solidarity. Anger and Politics in Postcommunist Europe, Ithaca: Cornell University Press; sowie die Fallstudie zur Stahlindustrie von Trappmann, Vera (2013): Fallen heroes in global capitalism. Workers and the restructuring of the Polish steel industry, Houndmills, Basinkstoke: Palgrave MacMillan.



Über die Autorin

Vera Trappmann ist Juniorprofessorin für Makrosoziologie und Europäische Gesellschaften an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Zu ihren Schwerpunkten in Forschung und Lehre gehören industrielle Beziehungen, Sozial- und Arbeitspolitik. Derzeit forscht sie zur Unternehmensverantwortung und Restrukturierung von Unternehmen. Ihr besonderes Interesse gilt Osteuropa.

Ich danke Jan Czarzasty, Juliusz Gardawski, Dominika Pyzowska sowie vielen Mitgliedern der NSZZ »Solidarnosc«, des OPZZ und dem Forum ZZ für ihre Bereitschaft, ihre Ansichten mit mir zu teilen.


Impressum

Friedrich-Ebert-Stiftung | Referat Mittel- und Osteuropa
Hiroshimastr. 28 | 10785 Berlin | Deutschland

Verantwortlich:
Jörg Bergstermann, Koordinator der Gewerkschaftsprogramme Europa und Nordamerika

Tel.: ++49-30-269-35-7744 | Fax: ++49-30-269-35-9250
http://www.fes.de/international/moe

Bestellungentakt: info.moe@fes.de

Eine gewerbliche Nutzung der von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) herausgegebenen Medien ist ohne schriftliche Zustimmung durch die FES nicht gestattet.

*

Internationaler Dialog

Die Abteilung »Internationaler Dialog« der Friedrich-Ebert-Stiftung fördert den qualifizierten Diskurs von Partnern in Europa, Türkei, den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und Japan. Unsere Studien und Publikationen adressieren zentrale Fragen europäischer und internationaler Politik, Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung. Die Entwicklung unserer Analysen, Szenarien und Politikempfehlungen erfolgt dabei grundsätzlich unter einer sozialdemokratischen Perspektive.

Länderberichte Gewerkschaften

Programme der Gewerkschaftskooperation sind integraler Bestandteil unserer Arbeit. Unser Ziel ist die weltweite Stärkung der Interessenvertretung von abhängig Beschäftigten. Repräsentative, starke und kompetente Gewerkschaften, so unser Credo, sind eine zentrale Bedingung für soziale Gerechtigkeit und soziale Demokratie. Diese Publikation erscheint in der Reihe »Länderberichte Gewerkschaften«. Alle Länderberichte sowie thematisch verwandte Themenpapiere stehen zum Download bereit unter:
http://www.fes.de/gewerkschaften/publist-europa.php

Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind nicht notwendigerweise die der Friedrich-Ebert-Stiftung.

ISBN 978-3-86498-952-0

*

Quelle:
Friedrich-Ebert-Stiftung
Referat Mittel- und Osteuropa
Hiroshimastr. 28 | 10785 Berlin | Deutschland
Verantwortlich:
Jörg Bergstermann, Koordinator der Gewerkschaftsprogramme
Europa und Nordamerika
Tel.: ++49-30-269-35-7744 | Fax: ++49-30-269-35-9250
http://www.fes.de/international/moe


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2014