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INTERNATIONAL/087: Argentinien - Streit über Verstaatlichung lässt spanische Firmen kalt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. April 2012

Argentinien: Streit über Verstaatlichung von Repsol-Tochter lässt spanische Firmen kalt

von Marcela Valente



Buenos Aires, 24. April (IPS) - Der akute Streit zwischen Madrid und Buenos Aires über die Pläne des südamerikanischen Landes, die Repsol-Tochter YPF zu verstaatlichen, hat sich bisher nicht negativ auf die Geschäfte der mehr als 200 spanischen Unternehmen in Argentinien ausgewirkt. So fließt auch weiterhin spanisches Kapital ins drittgrößte lateinamerikanische Empfängerland ausländischer Direktinvestitionen aus Spanien.

Wie die Spanische Handelskammer in Argentinien (CECRA) berichtet, sind spanische Firmen in Schlüsselbereichen der argentinischen Wirtschaft wie Energie, Telekommunikation, öffentliche Dienstleistungen, Banken, Versicherungen, Immobilien, Fischerei, Lebensmittelindustrie oder Tourismus tätig. CECRA, die mit den Ministerien für Äußeres und Industrie in Spanien zusammenarbeitet, hat in Argentinien 830 Mitglieder. Die spanischen Investitionen in Argentinien im Laufe der vergangenen 17 Jahre beliefen sich insgesamt auf 60 Milliarden US-Dollar.

Aus Daten der spanischen Botschaft in Buenos Aires geht hervor, dass 28‍ ‍Prozent der in Argentinien 2009 getätigten ausländischen Investitionen aus Spanien kamen. Die argentinische Tochter des spanischen Konzerns 'Telefónica' verzeichnete 2011 Einnahmen von 4,16 Milliarden Dollar. Dies entsprach fünf Prozent der weltweiten Einnahmen des transnationalen Konzerns, dessen Kunden zu 63 Prozent in Lateinamerika sitzen. Auch der Energieversorger 'Endesa' sowie die Banken 'Santander' und 'BBVA' sind auf dem argentinischen Markt vertreten.

Héctor Valle, ein argentinischer Ökonom bei der privaten Stiftung für Exportforschung- und entwicklung (FIDE) sieht die Re-Nationalisierung von YPF als "positiven Schritt". Das Unternehmen war 1993 privatisiert worden. Sechs Jahre später kaufte sich Repsol bei YPF ein. Wie Valle betont, haben die Beziehungen zwischen der spanischen Investorengruppe und der argentinischen Regierung bereits vor längerer Zeit einen Tiefpunkt erreicht. Buenos Aires wirft der Firma vor, nicht die für das argentinische Wirtschaftswachstum notwendige Menge Erdöl gefördert zu haben.

Staatspräsidentin Cristina Fernández legte dem Parlament am 16. April den Gesetzentwurf vor, demzufolge 89 Prozent der Repsol-Anteile an YPF in den Besitz des Staates übergehen. Argentinien würde damit mit 51 Prozent der Aktien YPF-Mehrheitseigner. Die Mitte-Rechts-Regierung des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy reagierte mit einer diplomatischen Offensive, um gemeinsam mit internationalen Verbündeten gegen die Pläne des südamerikanischen Landes anzugehen.


Biotreibstoffe aus Argentinien

Spanien, 2011 fünftgrößter Importeur argentinischer Waren, ist vor allem an argentinischen Biotreibstoffen interessiert. Der Wert dieser Einfuhren, die 68 Prozent der gesamten spanischen Importe aus Argentinien ausmachen, beläuft sich nach Angaben der Beratungsfirma 'Abeceb' auf jährlich rund 800 Millionen Dollar. Inzwischen jedoch hat Madrid beschlossen, die Biotreibstoffeinfuhren zu drosseln.

Wie Juan Benítez, Professor für angewandte Wirtschaftswissenschaften im südspanischen Malaga, erklärt, wird sich die Verstaatlichung von YPF nicht nur negativ auf die Aktionäre, sondern auch auf die Belegschaft, die Zulieferer und Firmen auswirken, die mit dem Unternehmen Geschäftsbeziehungen unterhalten. 2010 hatte Repsol etwa 36.300 Beschäftigte, die sich auf mehr als 30 Staaten verteilten. 46 Prozent von ihnen arbeiteten im Mutterland und 37 Prozent in Argentinien.

Der spanische Wirtschaftsexperte Jesús Carrion vertritt hingegen die Meinung, dass der argentinische Vorstoß vor allem Spaniens Wirtschaftselite "und nicht uns" treffen wird. Daten von Repsol belegen zudem, dass das Unternehmen bisher ohnehin nicht die Mehrheit der YPF-Aktien hält. 42 Prozent der Anteile gehören ausländischen Investmentfonds und 9,48 Prozent der staatlichen mexikanischen Ölgesellschaft 'Pemex'. Die restlichen Anteile liegen bei den spanischen Investoren 'CaixaBank' (12,8 Prozent), der Baufirma 'Sacyr' (zehn Prozent), einheimischen Investmentfonds (9,9 Prozent) sowie Minderheitseignern (zusammen 10,8 Prozent) und Repsol selbst. (Ende/IPS/ck/2012)

Links:
http://eng.odg.cat/Pages/odg-1
http://www.cecra.com.ar/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100600
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107517

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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2012