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INTERNATIONAL/148: Somalia - Als Kleinunternehmerinnen in die Unabhängigkeit, Gesellschaft zieht mit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. April 2013

Somalia: Als Kleinunternehmerinnen in die Unabhängigkeit - Gesellschaft zieht mit

von Abdurrahman Warsameh


Bild: © Abdurrahman Warsameh/IPS

Nasro Elmi in ihrem Laden auf dem Bakara-Markt in Mogadischu
Bild: © Abdurrahman Warsameh/IPS

Mogadischu, 24. April (IPS) - Auf dem Hamarweyne-Markt, dem größten in der somalischen Hauptstadt Mogadischu, gehen die Kosmetikartikel der 24-jährigen Maryama Yunis weg wie warme Semmeln. Die Jungunternehmerin ist seit zwei Jahren im Geschäft und verdient ganz gut an ihren Seifen, Shampoos, Lippenstiften und Eyelinern.

"Immer mehr Somalierinnen legen Wert auf ihr Äußeres. Das hat mich ermutigt, den Schritt zu wagen und die Nachfrage zu bedienen", erzählt Yunus an ihrem kleinen Stand in Mogadischu. Sie gehört zu der wachsenden Zahl von Frauen, die die Chance ergreifen, sich finanziell unabhängig zu machen. Die Sichtweisen in dem traditionell konservativen Land wandeln sich und passen sich dem neuen Rollenverständnis an, wie Hawa Dahir, eine Sozialaktivistin aus Mogadischu berichtet.

"Die Zeiten haben sich geändert und die Menschen erkennen das Potenzial der somalischen Frauen, als Unternehmerinnen Fuß zu fassen", erläutert Dahir. Die besonderen Fähigkeiten von Frauen, zum Lebensunterhalt ihrer Familien und zur Wirtschaft des Landes beizutragen, werden nicht länger unterschätzt."

Yunis selbst ist gelernte Kindergärtnerin. Dennoch entschloss sie sich dazu, sich ihren lang gehegten Wunsch zu erfüllen und Geschäftsfrau zu werden. "Mit der Hilfe meiner Mutter konnte ich meinen Vater überzeugen, dass ich in der Lage bin, einen Laden zu führen. Mit meinem Verdienst bin ich unabhängiger und bin für viele junge Frauen zu einem Vorbild geworden", sagt sie.


Aus der Not in die Selbstständigkeit

Für viele Somalierinnen ist der Eintritt ins Geschäftsleben weniger eine Frage der Berufung als der Not. Das gilt vor allem für Frauen, deren Männer gestorben oder arbeitslos geworden sind.

Faduma Maow betreibt einen kleinen Stand auf dem Bakara-Markt in Mogadishu, wo sie seit dem Tod ihres Mannes vor drei Jahren Kleidung verkauft. Bevor die vierfache Mutter ihren Laden aufmacht, setzt sie ihre Kinder in der Schule ab. "Es ist recht anstrengend, als alleinerziehende Mutter berufstätig zu sein, doch hat ein solches Leben durchaus Vorteile. So freue ich mich sehr, sagen zu können, dass ich ganz gut zurechtkomme. Ich bin meinem Ziel, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen und meinen Kindern eine Zukunft zu bieten, näher gekommen", sagt sie.

Dahir zufolge gibt es keine verlässlichen Statistiken über die Zahl und Erfolge somalischer Kleinunternehmerinnen. Doch sei ihre Präsenz unübersehbar.

"Viele Frauen haben ein kleines Geschäft hier auf dem Sinai- oder einem anderen Markt eröffnet", bestätigt Rahmo Yarey, Eigentümer eines Teeladens auf dem umtriebigen Markt. "Wie man hört, ist der Trend auch in den ländlichen Gebieten zu beobachten. Frauen werden in unserem Land zunehmend zu den Ernährerinnen ihrer Familien."

Ob sie nun Kleidung, Kosmetikartikel, Benzin, Obst, Gemüse oder die stimulierenden Khat-Blätter verkaufen - Frauen haben für sich Nischen geschaffen. Für die Betroffenen selbst ist der Weg ins Berufsleben mit großen Schwierigkeiten verbunden. Zunächst besteht die Herausforderung darin, das nötige Kapital zu beschaffen. Das ist nicht immer einfach. Nach dem Zusammenbruch der Regierung 1991, der einen 20-jährigen Bürgerkrieg nach sich zog, mussten viele lokale und internationale Institutionen schließen, die ihnen bei der Finanzierung ihres Geschäfts hätten helfen können.

Zwar haben sich inzwischen wieder einige Banken etabliert, doch beschränken sich die meisten darauf, die Ersparnisse ihrer Kunden und die Geldüberweisungen aus der Diaspora zu verwalten. Und diejenigen, die Kleinkredite vergeben, verlangen Sicherheiten - über die nur die wenigsten Frauen verfügen.


Startschwierigkeiten

"Es ist gerade für uns Frauen eine schiere Unmöglichkeit, an Geld zu kommen", bestätigt die Khat-Händlerin Aisha Guled. Sie selbst hatte das Glück, dass sie auf die Unterstützung ihrer Familie zählen konnte. Vor ihrer Berufstätigkeit sei sie finanziell mehr schlecht als recht über die Runden gekommen. "Die meisten von uns haben klein angefangen und sind nur unter großen Mühen vorangekommen", sagt sie. "Manche treten auf der Stelle."

Die somalische Regierung behauptet zwar gern von sich, alles Mögliche zu tun, damit die Geschäftsfrauen ihre Familien ernähren können. Doch eine Regierungsvertreterin räumte im Gespräch mit IPS ein, dass finanzielle Angebote nicht zum gängigen Repertoire gehören. Allerdings versuche man, für die Geschäftsfrauen ein sicheres Umfeld zu schaffen.

"Trotz aller Schwierigkeiten, mit denen Unternehmerinnen in Somalia zu kämpfen haben, sind sie fest entschlossen, sich der Herausforderung zu stellen, ohne ihre Rolle als Mütter und Ehefrauen zu vernachlässigen", sagte die Beamtin, die sich Anonymität ausbat.

Yunis ist davon überzeugt, dass aufgrund der sich verändernden Rollenbilder immer mehr Frauen den Schritt wagen werden, ein eigenes Geschäft aufzumachen, sich fortzubilden oder politisch aktiv zu werden, um unter Beweis zu stellen, dass sie auf ganzer Linie mit den Männern des Landes mithalten können. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich eine Vielzahl von Frauen Seite an Seite mit den Männern am Wiederaufbau unseres Landes beteiligen werden." (Ende/IPS/kb/2013)


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IPS-Tagesdienst vom 24. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2013