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INTERNATIONAL/155: Kenia - Arme werden zur Kasse gebeten, geplante 'Maismehlsteuer' schürt Proteste (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Juni 2013

Kenia: Arme werden zur Kasse gebeten - Geplante 'Maismehlsteuer' schürt Proteste

von Zahra Moloo


Bild: © Zahra Moloo/IPS

Aufklärungskampagne für Steuergerechtigkeit in Kenia
Bild: © Zahra Moloo/IPS

Nairobi, 17. Juni (IPS) - "Wisst ihr, dass in Kenia die Steuern erhöht werden sollen?", ruft Faisal Ngila fliegenden Händlern, Motorradtaxifahrern und Fußgängern in einer Seitenstraße des geschäftigen Viertels Shauri Moyo der Hauptstadt Nairobi zu. Er verteilt Flugblätter, auf denen er seine Landsleute auffordert, sich gegen die geplante Mehrwertsteuer auf Grundbedarfsartikel zu wehren.

Ngila ist einer von 17 Aktivisten, die sich an der Kampagne 'Kenianer für Steuergerechtigkeit' beteiligen, die das im Volksmund genannte 'Maismehlsteuergesetz' verhindern soll. In Zügen, Bussen, Fußballstadien und Gemeinschaftszentren versuchen die Frauen und Männer, genug Unterstützung für ihre Petition zu mobilisieren.

Die Regierung plant die Einführung einer Mehrwertsteuer von 16 Prozent auf Güter des täglichen Bedarfs, die bisher nicht besteuert worden sind. Dazu zählen unter anderem Reis, Brot, Maismehl und Milch. Als der Entwurf 2012 in das Parlament eingebracht wurde, stellten sich zivilgesellschaftliche Gruppen vehement dagegen. Nun stehen die parlamentarischen Beratungen unmittelbar bevor.

Viele Kenianer sind in Sorge, dass das Gesetz ihre ohnehin schon mageren Einkünfte weiter schmälern wird. "Ich habe eigentlich keine richtige Arbeit. Manchmal spüle ich Geschirr und wasche Kleidung", sagt Julia Njoki, eine Mutter von vier Kindern. "Wenn nun auch Mais, Brot und Milch besteuert werden, kann ich gar nichts mehr kaufen."

Die Mehrwertsteuer wurde in Kenia erst 1990 eingeführt. Seitdem hat es in dem 42 Millionen Einwohner zählenden Land mehrere Änderungen gegeben, unter anderem die Einführung von Steuerrückerstattungen und Mehrwertsteuerbefreiungen bei Grundbedarfsartikeln wie Nahrungsmitteln sowie Importwaren für die Fertigungsindustrie.


Finanzministerium beklagt Steuerverluste

Nach der Einkommensteuer ist die Mehrwertsteuer die wichtigste Steuer in Kenia und macht 28 Prozent der gesamten Einkünfte des Fiskus aus. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist für das neue Gesetz, weil es der Regierung zusätzliche Einnahmen erschließt. Nach Angaben des Finanzministeriums entgehen dem Land derzeit Steuereinnahmen von umgerechnet 129 Millionen US-Dollar. Die bisher geltenden Regelungen seien "komplex, ineffizient und unproduktiv".

Pancrasius N. Nyaga von der kenianischen Steuerbehörde hält das derzeit geltende Mehrwertsteuergesetz für dringend reformbedürftig. Schlupflöcher müssten dringend geschlossen werden, um den Verlust von Einnahmen zu verhindern. "Die Befreiung mancher Waren von der Mehrwertsteuer kommt vor allem den Herstellern und nicht den Verbrauchern zugute", meint er.

Beim Ausbau von Nairobis Hauptstraße Thika hätten die Vertragsnehmer keine Mehrwertsteuer zahlen müssen und konnten demnach Materialien zum Nettopreis kaufen. "Dadurch entstehen Schlupflöcher. Kaufen sie viel Zement, verliert die Regierung Steuern. Das Material kann dann auf dem Schwarzmarkt weiterverhökert werden", kritisiert Nyaga. Die Straße wird zurzeit von vier auf acht Fahrspuren verbreitert.

Diejenigen, die sich gegen die Mehrwertsteuer stellten, sähen nicht die insgesamt positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft, gibt er zu bedenken. "Das ganze Thema ist missverstanden worden, und die Leute wollen nun daraus politisches Kapital schlagen. Dabei wird sich die Mehrwertsteuer von selbst regulieren, wenn sie auf alle Waren verteilt wird."

Nach Ansicht von Kwame Owino, dem Leiter des unabhängigen Instituts für Wirtschaftsangelegenheiten in Kenia, wird das neue Gesetz die Steuereinnahmen vorhersehbarer machen, aber auch zu Preissteigerungen bei Grundbedarfsartikeln führen. In einem Land, in dem laut Weltbank das durchschnittliche Jahreseinkommen pro Person bei umgerechnet 1.700 Dollar liegt, hätten solche Teuerungen ernsthafte Folgen für den Normalbürger.


Arme kaufen mehr steuerpflichtige Waren

Auch Sarah Muyonga vom Afrikanischen Netzwerk für Steuergerechtigkeit, die sich für Transparenz im internationalen Finanzwesen engagiert, ist davon überzeugt, dass die unteren Einkommensgruppen die Hauptlast der neuen Steuer tragen werden. "Ich halte es für einen Mythos, dass die Reichen sehr viel mehr konsumieren als die Armen. Letztere kaufen häufiger kleinere Mengen. Wenn ein Armer jeden Tag eine kleine Packung Milch kauft, zahlt er natürlich auch Mehrwertsteuer", sagt sie.

Die Gegner des Gesetzes werfen der Regierung ferner vor, milliardenschwere Unternehmen zu schonen. Die Regierung selbst schätzt, dass dem Staat durch Steuervergünstigungen für ausländische Investoren umgerechnet 1,1 Milliarden Dollar Steuern entgehen.

Das Afrikanische Netzwerk für Steuergerechtigkeit geht davon aus, dass die Regierung in den Jahren 2010 und 2011 mehr als das Doppelte des Gesundheitsbudgets von damals 485 Millionen Dollar an Einnahmen durch Steuererleichterungen verloren hat. Dabei hatte der IWF bereits in einem 2006 veröffentlichten Bericht festgestellt, dass Steuervorteile keine großen Anreize für auswärtige Investoren seien. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.taxjusticeafrica.net/
http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2013/cr13107.pdf
http://www.revenue.go.ke/
http://www.ieakenya.or.ke/
http://data.worldbank.org/indicator/NY.GNP.PCAP.PP.CD
http://www.ipsnews.net/2013/06/kenyans-mobilise-against-taxing-the-poor/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2013