Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

INTERNATIONAL/178: Nahost - Gute Chancen für Jungunternehmerinnen, USA und Europa hinken hinterher IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. November 2013

Nahost: Gute Chancen für Jungunternehmerinnen - USA und Europa hinken hinterher

von Rachel Williamson


Bild: © Rachel Williamson/IPS

Die Gründerinnen von 'EduKitten': Sarah Abu Nar (l.) und Rana Said (r.)
Bild: © Rachel Williamson/IPS

Kairo, 19. November (IPS) - In Nahost haben Unternehmerinnen einen besseren Stand als im Silicon Valley. Diese Erfahrung hat Yasmin Elayat, Kalifornierin mit ägyptischen Wurzeln, gemacht. Wie sie berichtet, fand sie in der alten Heimat ihrer Familie und in anderen Teilen der Region mehr Unterstützung von Investoren und Geschäftsleuten als in den USA oder in Europa, als sie 2011 Pläne für die Gründung ihrer Medienfirma 'GroupStream' vorstellte.

Die 31-Jährige erinnert sich noch gut an das verblüffte Gesicht eines osteuropäischen Unternehmers, den sie während einer dreimonatigen Fortbildung für Startup-Gründer in Kopenhagen kennengelernt hatte, als sie sich als Firmenchefin präsentierte. In anderen Situationen richteten potenzielle Geschäftspartner ihre Fragen ausschließlich an ihren männlichen GroupStream-Mitbegründer.

Inzwischen gehört Elayat zu der wachsenden Zahl von Firmengründerinnen in Nahost und Nordafrika, der so genannten MENA-Region. Zwar kam das Forschungskonsortium 'Global Entrepreneurship Monitor' (GEM) in einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung zu dem Schluss, dass Frauen in den MENA-Staaten die weltweit schlechtesten Aussichten haben, einen eigenen Betrieb zu gründen und nur vier Prozent als Unternehmerinnen betrachtet werden könnten. Doch liegt das daran, dass die Studie Zahlen aus Jordanien, dem Libanon, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Katar nicht berücksichtigt hat.


Ein Drittel der Unternehmensgründer in Jordanien weiblich

In Jordanien werden bereits nahezu ein Drittel aller Startup-Unternehmen von Frauen geleitet. Der globale Durchschnittswert liegt bei 37 Prozent. In Ägypten, so Hossam Allam, Gründer der Investmentgruppe 'Cairo Angels', werde etwa die Hälfte der Firmen, an denen sich die Gruppe bisher beteiligt habe, von gemischten Teams geführt.

Bei regionalen Treffen wie dem 'MIT Enterprise Forum' 2012 waren Frauen und Männer gleichermaßen vertreten. Der Wettbewerb unter arabischen Jungunternehmen wurde übrigens von einer Frau - Hind Hobelka - gewonnen.

Der Anteil der Unternehmerinnen in Nahost und Nordafrika wird auf etwa 15 bis 20 Prozent geschätzt. Im Vergleich dazu heißt es in der GEM-Studie, dass ungefähr zehn Prozent der Frauen in den USA und nur fünf Prozent in Europa im vergangenen Jahr unternehmerisch tätig gewesen seien.

Für den Aufstieg von Firmengründerinnen in Nahost gibt es mehrere Gründe. In den großen Städten sind in den letzten Jahren nicht nur Innovations- und Gründerzentren wie Pilze aus dem Boden geschossen, sondern auch Organisationen und Wettbewerbe, die besonders auf Frauen zugeschnitten sind. Dazu gehören etwa die Initiative 'Wamda for Women' der Nachrichten- und Investment-Website 'Wamda's', die 'Women Entrepreneur Competition' des libanesischen Innovationszentrums 'Berytech', die jordanische Roudha-Stiftung sowie das Unternehmerinnen-Förderprogramm von 'Amideast'.

Ein weiterer Grund liegt darin, dass immer mehr Frauen Zugang zu Bildung erhalten. Nach Erkenntnissen der Weltbank ist die Zahl von Studentinnen im Nahen Osten mittlerweile höher als die ihrer männlichen Kommilitonen. Elayat berichtet, dass sie im ersten Hochschuljahr in den USA mit einer einzigen Mitstudentin in Informatikseminaren saß. An der Amerikanischen Universität in Kairo, wo sie die Ausbildung fortsetzte, betrug das Verhältnis dagegen "etwa 50 zu 50".


Mädchen sind besser in der Schule

Laut der Mitbegründerin der arabischsprachigen Schwester-Website von 'Supermama', Yasmine el-Mehairy, kommen viele junge Frauen in der arabischen Welt durch ihre hervorragenden Schulnoten in Studiengänge, für die es strenge Zulassungsbeschränkungen gibt. "Mädchen sind motivierter, sich in der Oberschule anzustrengen, deshalb erhalten sie leichter gute Noten", meint Mehairy. "Jungen verbringen dagegen mehr Zeit mit Fußball und der Playstation."

Zudem bietet das Internet neue Chancen. Der Ökonom Ludwig Siegele schrieb im Juli, dass die Zahl der von Chefinnen geleiteten Startup-Unternehmen weiter zunehmen werde, weil das Internet den gebildeten Frauen ermögliche, von zu Hause aus eine eigene Firma zu führen. In Saudi-Arabien beispielsweise könnte die Familie etwas dagegen haben, wenn weibliche Mitglieder außer Haus arbeiten würden.

Dennoch sind die Hürden für angehende Unternehmerinnen in Nahost nach wie vor hoch. Bei Diskussionsveranstaltungen von 'Wamda for Women' in Kairo, Doha, Amman und Riad wurde deutlich, dass es in der Region an Rollenvorbildern fehlt. Ein weiteres Problem ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zudem hätten Männer tief verwurzelte Vorurteile.

"Zum einen werden manche Männer von starken Frauen eingeschüchtert", meinte die Jordanierin Fida Taher, die die Koch-Website 'Zaytouneh' gegründet hat, im Gespräch mit Chris Schroeder, dem Autor des Buches 'Startup Rising: The Entrepreneurial Revolution Remaking the Middle East'. "Andere wiederum denken, dass eine Geschäftsbeziehung zu einer Frau persönlicher Natur sein sollte. Außerdem werden Frauen von Männern generell unterschätzt."

Die 28-jährige Sarah Abu Nar, Mitbegründerin des ägyptischen Unternehmens 'EduKitten', das Apps mit Bildungsprogrammen in arabischer Sprache vertreibt, rät künftigen Unternehmerinnen: "Verschwendet keine Zeit darauf, mit anderen Leuten zu sprechen und sie davon zu überzeugen, dass ihr gut seid. Seid aktiv, denn eure Handlungen werden mehr beachtet als eure Worte." (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.gemconsortium.org/
http://www.mitefarab.org/
http://www.wamda.com/2013/10/initiatives-working-empower-women-middle-east
http://www.berytech.org/content/view/1115/223/lang,en/
http://www.amideast.org/lebanon/professional-development/arab-womens-entrepreneurship-program-awep
http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/COUNTRIES/MENAEXT/0,,contentMDK:23028342~pagePK:146736~piPK:146830~theSitePK:256299,00.html
http://www.supermama.sg/
http://www.edukitten.com/en
http://belfercenter.ksg.harvard.edu/events/6111/christopher_schroeder.html
http://www.ipsnews.net/2013/11/middle-east-women-mean-business/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. November 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2013