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INTERNATIONAL/245: Australien - Indigene Unternehmen beflügeln die Wirtschaft (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Januar 2015

Australien: Indigene Unternehmen beflügeln die Wirtschaft

von Neena Bhandari


Bild: © Neena Bhandari/IPS

Roy Roger Gibson, ein indigener Kuku Yalanji, musste 20 Jahre warten, bis er sein eigenes Ökotourismusunternehmen gründen konnte
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Mossman, Queensland, Australien, 27. Januar (IPS) - Roy Roger Gibson, ein Indigener vom Volk der Kuku Yalanji, hatte Jahrzehnte lang beobachtet, wie tausende Touristen und ihre Fahrzeuge über die unberührte Natur im Norden des australischen Bundesstaates Queensland hinwegwalzten, während er sich als schlecht bezahlter Zuckerrohrschneider verdingte.

Damals träumte er davon, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten und selbst ein menschenwürdiges Leben zu führen. 20 Jahre lang musste er warten. Dann wurde das Mossman-Schluchten-Zentrum gegründet, ein erfolgreiches Ökotourismusunternehmen für Aborigines und Torres-Strait-Insulaner im Daintree-Nationalpark in Queensland.

Australiens Indigene haben es im Vergleich zu Nichtindigenen dreimal so schwer, ein eigenes Geschäft aufzubauen. Doch durch die globale Mobilität und die Suche nach authentischen Erfahrungen bieten sich ihnen im Ökotourismusbereich neue Entwicklungschancen in Form von Arbeitsplätzen, Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten. Gerade in der alten Heimat der Kuku Yalanji, in der südlichen Spitze des Daintree-Nationalparks, sind solche Projekte besonders willkommen.

Gibson und die anderen Bewohner der Mossman-Schlucht hatten das Zentrum in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für indigenes Land (ILC) aufgebaut. 90 Prozent der 61 Angestellten und 21 Azubis sind Indigene.

Die 18-jährige Roberta Stanley ist eine Aborigine, die vom Zentrum ausgebildet wird. "Jeden Morgen, wenn ich in meine Arbeitskleidung steige, muss ich lächeln. Die Arbeit hat mir geholfen, wieder in Kontakt mit unserer Geschichte, Musik, Kunst, unseren Legenden und Sprachen zu kommen. Ich empfinde ein tiefes Gefühl der Freude und bin zuversichtlich, dass ich meinen Traum, als Künstlerin und Tänzerin zu arbeiten, leben werde."

Bild: © Neena Bhandari/IPS

Die 18-jährige Roberta Stanley arbeitet als Azubi für das Mossman-Schluchten-Zentrum
Bild: © Neena Bhandari/IPS

Ein solcher Optimismus war den Aborigines in der Region lange nicht gegeben. Gerade für die jungen Leute erweist sich das Zentrum mit seinem verschiedenen Ausbildungsangeboten als Silberstreif am vielfach trüben Horizont.

Von den Stanleys arbeiten inzwischen vier für das Zentrum. Das hat das Leben der Familie um einiges leichter gemacht. In aller Regel sind Indigene auf dem Arbeitsmarkt gegenüber Nichtindigenen im Nachteil. 58 Prozent der Aborigines und Torres-Strait-Insulaner über 15 Jahre sind arbeitslos. Die Nichtindigenen sind nur zu 39 Prozent betroffen.

Angesichts der begrenzten Erwerbsmöglichkeiten fällt es Australiens Indigenen nicht eben leicht, sich den eigenen Berufswunsch zu erfüllen. Pamela Sal hatte lange als Reinigungskraft gearbeitet. In ihrer Freizeit malt sie. Ihre farbenprächtigen Bilder, die den Regenwald und das Meer abbilden, werden nun in der Galerie des Mossman-Schluchten-Zentrums ausgestellt und an in- und ausländische Touristen verkauft. "Unseren Leuten wird hier das Gefühl vermittelt, dass sie körperlich, geistig und seelisch in der Lage sind, alles zu erreichen", berichtet Sal, deren Tochter ebenfalls eine Anstellung im Zentrum gefunden hat.

Seit Juli letzten Jahres haben 250.000 Gäste, zu 40 Prozent aus dem Ausland, das Zentrum besucht. "Der Indigenentourismus nimmt an Fahrt auf", meint dazu der Geschäftsführer Greg Erwin gegenüber IPS. "Er verleiht den Erlebnissen der Touristen eine kulturelle Tiefe. So wie alle Aborigines-Gemeinschaften hegen und pflegen die Kuku Yalanji die Natur seit tausenden von Jahren. Die Natur ist für sie Supermarkt und Apotheke zugleich."

In den kommenden zehn bis 15 Jahren wird das Zentrum komplett in indigene Hand überführt. Eine bemerkenswerte Entwicklung für ein Volk, das lange den staatlichen Assimilierungsversuchen gnadenlos ausgeliefert war. Davon können die Überlebenden der 'gestohlenen Generation' - die vielen Aborigines-Kinder, die von 1900 bis 1970 Jahren von ihren Familien getrennt wurden - ein Lied singen.


Leben im Einklang mit der Natur und Kultur

Zu ihnen gehört auch der 58-jährige Gibson. Wie er erklärt, möchte er nicht, dass sein Volk eine solche traumatische Erfahrung noch einmal machen muss. "Unser Zentrum ist für unsere junge Generation ein Beweis dafür, dass Träume wahr werden können." Er und andere Guides führen die Touristen über die sogenannten 'Traumpfade', auf denen nach den Vorstellungen der Aborigines die Schöpfungswesen wandeln.

Auf den begleiteten Touren erfahren die Gäste viel über den ältesten Regenwald der Welt, die Kultur der Indigenen und die von diesen als Kultstätten verehrten Berge, Felsen, Flüsse und Wasserstellen. "Jetzt sind wir in der Lage, unser Ökosystem zu schützen und gleichzeitig Besuchern einen Einblick in die Lebensweise, Kultur, Vorstellungen und Naturverbundenheit der Kuku Yalanji zu geben", so Gibson.

Indigene Unternehmen, die wie das Mossman-Schluchten-Zentrum auf Nachhaltigkeit setzen, sind für die marginalisierten Gemeinschaften des Landes, die extrem stark von Alkoholmissbrauch, innerfamiliärer Gewalt, Langzeitarbeitslosigkeit und hohen Selbstmordraten betroffen sind, wahre Hoffnungsträger.

Die Aborigines und die Torres-Strait-Insulaner laufen 15 Mal mehr Gefahr, ins Gefängnis zu kommen als nichtindigene Australier. Sie stellen die Hälfte aller Insassen der Jugendstrafanstalten des Landes. Es werden zudem 31 Mal so viele indigene Frauen wegen innerfamiliärer Gewalt ins Krankenhaus wie Nichtindigene eingewiesen, wie aus einem Bericht aus dem letzten Jahr hervorgeht.

Gleichzeitig zeigen die Touristenzahlen von 2014, dass 14 Prozent der internationalen Australienreisenden die indigene Lebensweise und Kultur kennenlernen wollen und sich diesen Wunsch rund 5,2 Milliarden US-Dollar pro Jahr kosten lassen. Dass sie sich auch nicht scheuen, in die entlegensten Winkel des Landes zu reisen, zeigt das Potenzial, dass im Indigenen-Tourismus schlummert.

Das ILC-Reiseunternehmen 'Voyages Indigenous Tourism Australia' bewirbt internationale Gäste mit der Aussicht auf einzigartige Erfahrungen und Locations. Neben dem Mossman-Schluchten-Zentrum betreibt es auch die Ferienanlagen 'Ayers Rock Resort' und 'Longitude 131°' in Northern Territory und die 'Home Valley Station' in Kimberley in Westaustralien.

Während sich die ILC auf den Erwerb von Land und den Aufbau indigener Nachhaltigkeitsunternehmungen spezialisiert hat, geht es dem 'Indigenous Business Australia' (IBA) darum, Australiens Aborigines und Torres-Strait-Insulanern nachhaltige Wirtschaftsentwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dazu meint der IBA-Geschäftsführer Chris Fry: "Unser Business-Entwicklungs- und Hilfsprogramm (BDAP) unterstützt Indigene bei der Gründung eigener Unternehmen. Auch helfen wir ihnen dabei, sich als starke Arbeitgeber von Indigenen zu behaupten."


Unternehmensgründungen

Jo Donovan konnte dank des Programms ihr Hobby zu einem Geschäft machen. Sie hat zusammen mit ihren Kindern, den beiden Küchenchefs Aaron Devine und Jessica, das 'Bandu Catering'-Unternehmen gegründet. 'Bandu' (in der Sprache der Dhanggati 'Nahrung') greift auf Elemente der indigenen und australischen Küche zurück.

Im letzten Finanzjahr hat das BDAP, das mit dem Bankensektor kooperiert, 90 Kredite im Wert von insgesamt 55 Millionen Dollar vergeben. "Unsere indigenen Partner sind über das IBA-Programm für Gleichheit und Investitionen mit mehr als 68 Millionen Dollar Eigenkapital in einer Vielzahl kommerzieller Unternehmungen beteiligt", erläutert Fry. "Und IBA hat Güter und Dienstleistungen im Wert von 2,4 Millionen Dollar von insgesamt 30 indigenen Geschäften bezogen."

IBA bietet jungen indigenen Studenten Stipendien an, damit sie einen Abschluss in Business, Finanzen und Wirtschaft machen können. In einer Zeit, in der die internationale Gemeinschaft im Kampf gegen die globale Armut besonderen Wert auf Nachhaltigkeitskriterien legt, weisen die australischen Inklusionsprojekte den Weg. (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/01/aboriginal-businesses-stimulate-positive-change-in-australia/

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IPS-Tagesdienst vom 27. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2015


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