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INTERNATIONAL/286: Bei der ersten WTO-Konferenz in Afrika steht viel auf dem Spiel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Dezember 2015

Handel: Bei der ersten WTO-Konferenz in Afrika steht viel auf dem Spiel

ein Gastbeitrag von Roberto Azevêdo *


Bild: World Trade Organization, CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.en) via Wikimedia Commons

Der brasilianische Diplomat und WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo
Bild: World Trade Organization, CC BY-SA 2.0
(https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.en) via Wikimedia Commons

GENF (IPS) - Zum ersten Mal hält die Welthandelsorganisation WTO eine Ministerkonferenz in Afrika ab. Die Erwartungen sind hoch, dass das Treffen vom 15. bis 18. Dezember in der kenianischen Hauptstadt Nairobi Afrika und allen anderen Entwicklungsländern Vorteile bringen wird.

Die Verhandlungen laufen in zwei Schritten ab. Zunächst kommen Verhandlungsgruppen zu spezifischen Fragestellungen zusammen. Diese Phase wird schwierig sein, da die Positionen der WTO-Mitglieder erheblich voneinander abweichen. Trotz intensiver Bemühungen, die Kernfragen der Doha-Entwicklungsagenda (DDA) zu klären, über die seit 2001 auf globaler Ebene verhandelt wird, sind bisher erst wenige Fortschritte erzielt worden.

Bei vielen Themen auf der Agenda, wie etwa Unterstützung für den Agrarsektor in den jeweiligen Mitgliedsländern oder Marktzugänge für Produzenten und Dienstleister aus allen Sparten, sind die Gespräche nicht vorangekommen. Dennoch erscheint es möglich, dass in einzelnen Punkten ein Konsens erzielt werden kann, wenn intensiv darauf hingearbeitet wird.


Beratungen über Hilfen für am schwächsten entwickelte Länder

Zur Debatte steht unter anderem ein Maßnahmenpaket für die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs), das unter anderem zoll- und kontingentfreie Marktzugänge sowie überarbeitete Ursprungsregeln vorsieht.

Möglich erscheint zudem eine Übereinkunft zum Exportwettbewerb im Agrarsektor, die neue Maßnahmen bezüglich Exportsubventionen, Ausfuhrkrediten, der Rolle staatlicher Handelsunternehmen und der Nahrungshilfe beinhalten soll. Fortschritte in diesem Bereich wären besonders wichtig für die Entwicklungsländer und die LDCs.

Gearbeitet wird außerdem an einer Reihe spezifischer Schutzmechanismen und an der öffentlichen Lagerhaltung aus Gründen der Ernährungssicherheit. Allerdings ist auch hier kein Fortschritt zu beobachten. Gegenwärtig ist nichts garantiert. Vor uns liegt noch ein langer Weg, auf dem in kurzer Zeit erhebliche Klüfte überbrückt werden müssen.

Der zweite Schritt wird der Entwurf einer Ministerialerklärung sein, an der ebenfalls bereits intensiv gearbeitet wird. Ein Großteil der Delegationen verweist auf das dreiteilige Abkommen von Bali, das die WTO Ende 2013 beschlossen hat. Im ersten Teil der Erklärung liegt der Fokus auf der Bedeutung des multilateralen Handelssystems, während sich der zweite Teil auf die in Kenia erzielten Ergebnisse bezieht. Der abschließende Teil befasst sich mit der zukünftigen Arbeit der WTO.

Hinsichtlich der umstrittensten Fragen wird eine neue Vorgehensweise notwendig sein. Unsere Arbeit wird nicht mit der Konferenz von Nairobi enden. Gespräche über die Zukunft der DDA werden ebenso wichtig sein wie die Ergebnisse des Treffens in Nairobi. Seit der Vorstellung der Doha-Entwicklungsagenda im Jahr 2001 hat es nur langsame Fortschritte gegeben.

Wenn aber die Verhandlungen innerhalb der WTO nicht vorwärts kommen, erkunden die Länder andere Wege, etwa durch den Abschluss regionaler Handelsabkommen. Regionale Verhandlungen bringen aber das Risiko mit sich, dass die meisten Entwicklungsländer und LDCs außen vor bleiben. Nur auf multilateraler Ebene können alle Stimmen angehört und die wichtigsten Entwicklungsfragen angemessen behandelt werden.


Formeller Konsens über Doha-Agenda unwahrscheinlich

Bezüglich der Konferenz in Nairobi werden immerhin vermutlich alle WTO-Mitgliedsländer darin übereinstimmen, dass die Ergebnisse nicht ausreichen werden, um die Doha-Runde mit einem formellen Konsens abzuschließen. Die Mitglieder wollen die großen Themen, allen voran die Landwirtschaft, weiterhin auf dem Tisch lassen.

Diese Diskussion über unser weiteres Handeln wird ausschlaggebend für die Zukunft der WTO sein. Für das multilaterale Handelssystem steht viel auf dem Spiel. In Nairobi werden die Minister der 162 Mitgliedsstaaten über eine Aufnahme von Liberia und Afghanistan abstimmen. Das Wachstum und die Entwicklung dieser beiden Staaten würden wesentlich vorankommen, wenn sie der WTO beitreten könnten.

Möglicherweise wird außerdem eine Übereinkunft zur Erweiterung des Informationstechnologieabkommens geschlossen, das das globale Wirtschaftswachstum ankurbeln wird. Auch die Gespräche rund um das Abkommen über umweltfreundliche Waren könnten weiter vorankommen. Zudem bleibt zu hoffen, dass viele Mitglieder am Vorabend der Ministerkonferenz für den Verbesserten Integrierten Rahmen (EIF) der WTO stimmen werden. EIF garantiert den LDSc wesentlichen Rückhalt.

Um einen erfolgreichen Abschluss der Konferenz in Nairobi zu erreichen, bleibt also noch viel zu tun. Die Meinungen gehen darüber auseinander, wie die hervorstechenden Themen der Doha-Agenda nach dem Treffen in Kenia fortgeführt werden können. Einige WTO-Mitglieder sind der Ansicht, dass weiter gezielt an der Agenda gearbeitet werden muss, um die Entwicklung der Welt voranzubringen.

Andere meinen dagegen, es sei nach Jahren bescheidener Erfolge unwahrscheinlich, dass weitere Fortschritte erreicht werden können, insbesondere mit Blick auf die schwieriger zu klärenden Fragen. Diese Staaten zögern, sich weiterhin für Verhandlungen unter dem derzeitigen Rahmenwerk einzusetzen. Zugleich sind sie davon überzeugt, dass die Organisation nur dann richtig funktionieren kann, wenn sie sich weiterentwickelt und neue Fragen in Angriff nimmt. Andernfalls sehen die Mitglieder die Gefahr, dass die WTO ihre Bedeutung verliert. (Ende/IPS/ck/14.12.2015)

* Roberto Azevêdo ist der sechste Generaldirektor der Welthandelsorganisation WTO


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/12/what-is-at-stake-in-the-world-trade-organization-conference-in-nairobi/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2015

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