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KONFERENZ/182: Sanitärversorgung - Gipfeltreffen befaßt sich mit erfolglosestem Entwicklungsziel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. April 2014

Entwicklung: Sanitärversorgung für alle bis 2030 - Gipfeltreffen befasst sich mit erfolglosestem aller Entwicklungsziele

von Michelle Tullo


Bild: © Lova Rabary-Rakontondravony/IPS

Eine offene Latrine in Ankorondrano-Andranomahery in Madagaskar
Bild: © Lova Rabary-Rakontondravony/IPS

Washington, 14. April (IPS) - Die Staats- und Regierungschefs haben auf einem Treffen im Rahmen der Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) vom 11. bis 13. April in Washington über die Möglichkeiten diskutiert, mehr Menschen den Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung zu ermöglichen.

Vor allem in den ländlichen Gebieten und in den Armenvierteln der großen Städte kommen die Projekte nur schleppend voran. Wasser, Abwasserentsorgung und Hygiene, die unter dem Sammelbegriff WASH zusammengefasst werden, sind Schlüsselfaktoren für eine nachhaltige Entwicklung. Dennoch wurden in den letzten Jahren in keinem anderen Bereich so magere Fortschritte erzielt wie hier.

Zu den Teilnehmern des Gipfels am 11. April gehörten unter anderem der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, Weltbankpräsident Jim Yong Kim, UNICEF-Exekutivdirektor Anthony Lake sowie Dutzende Minister und Vertreter der Zivilgesellschaft. Insgesamt waren 40 Staaten auf dem Treffen vertreten.

"Derzeit haben 2,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene", betonte Weltbankchef Kim. "Dies führt dazu, dass Kinder, und insbesondere Mädchen, jährlich 400 Millionen Schultage verpassen, weil in den Bildungseinrichtungen Toiletten fehlen oder sie Angst vor Übergriffen haben müssen."


Wirtschaftliche Verluste

Darüber hinaus schlägt das sanitäre Defizit mit wirtschaftlichen Verlusten in Höhe von insgesamt 260 Milliarden US-Dollar im Jahr zu Buche - mit verheerenden Folgen für die betroffenen Länder. So büßt Niger dadurch 2,5 Prozent seines jährlichen Bruttoinlandsproduktes (BIP) ein, wie Kim vorrechnete. In Indien sind es sogar 6,4 Prozent des BIP.

Die WASH-Konferenz war vom Weltkinderhilfswerk UNICEF zusammengerufen worden. "Mandat von UNICEF ist es, die Rechte der Kinder zu schützen und sicherzustellen, dass Heranwachsende möglichst alle ihre Potenziale entfalten können. WASH ist wichtig für das, was wir für die Kinder und deren Gesundheit erreichen wollen", erklärte Sanjay Wijesekera, Beigeordneter Direktor der UNICFEF-Programme, im Gespräch mit IPS.

Jeden Tag sterben 1.400 Kinder an Durchfallerkrankungen, die auf eine schlechte Sanitärversorgung zurückzuführen sind. Weitere 165 Millionen Kinder leiden unter Wachstumsstörungen, weil ihnen das saubere Wasser fehlt, das sie brauchen, um Nährstoffe richtig aufnehmen zu können.

"Allerdings konnten viele Länder in den zurückliegenden Jahren durchaus einige bemerkenswerte Fortschritte erzielen", meinte der UNICEF-Experte. "Äthiopien zum Beispiel konnte den Anteil der Menschen ohne Zugang zu Wasser von 1990 bis 2012 von 92 auf 36 Prozent senken."

Bild: © Charles Mpaka/IPS

Ein Wasser-Kiosk in Blantyre in Malawi
Bild: © Charles Mpaka/IPS


Sanitärinvestitionen zahlen sich aus

Tatsächlich konnte das Millenniumsentwicklungsziel (MDG) für Wasser, den Anteil der Menschen ohne Zugang zu der sauberen Ressource zu halbieren, fünf Jahre vor Ablauf der MDGs erreicht werden. Doch das Sanitärziel gehört zu den MDGs, die bisher am schlechtesten abgeschnitten haben. Um hier Fortschritte zu erreichen, sind mehr als 90 Entwicklungsländer, Geber, zivilgesellschaftliche Organisationen und andere Entwicklungsakteure die globale Partnerschaft 'Sanitäre Grundversorgung und Wasser für alle' (SWA) eingegangen.

"Die Bereitstellung einer Sanitärversorgung ist ein komplizierter Vorgang. Die dazu erforderlichen Leistungen werden von unterschiedlichen Anbietern und Akteuren erbracht", meinte der SWA-Vorsitzende Darren Saywell. "Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind gut darin, Gemeinden ins Spiel zu bringen und Gemeindeaktionspläne zu entwickeln. Die Privatwirtschaft wird gebraucht, um die Nachfrage zu bedienen. Die Regierung muss bei der Regulierung helfen und die Führungspersönlichkeiten mobilisieren, damit sie die Märkte schafft."

Problem sei jedoch, dass die Sanitärversorgung kein politisch attraktives Thema sei. "Minister sprechen lieber über Wasserkraftprojekte wie Dämme als über die Einrichtung von Latrinen", erklärte Saywell, dessen Aufgabe auch darin besteht, zu zeigen, dass sich Investitionen in WASH wirtschaftlich rentieren. "Jeder Dollar, der in sanitäre Einrichtungen investiert wird, bringt eine Rendite von rund fünf Dollar", rechnete er vor.

Bei dem Sanitärgipfel ging es vor allem um drei Themen: um die Erörterung der WASH-Agenda für die Zeit nach 2015 (wenn die Frist für die Umsetzung der MDGs abläuft), die Bekämpfung von Ungleichheiten im Zusammenhang mit WASH und um die Sicherstellung der Nachhaltigkeit der Maßnahmen. "Wir wollen einen universellen Zugang bis 2030 erreichen", so Henry Northover, der Chefstratege bei 'WaterAid', einer für den Sektor wichtigen Teilnehmerorganisation.

Auf dem Treffen ging es weniger darum, die MDG-Folgeziele für WASH zu diskutieren, als die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der WASH-Ziele zu lenken und die Möglichkeiten zu eruieren, die Ziele zu erreichen. "Geber und Regierungen der Entwicklungsländer sollten Sanitärversorgung nicht länger als Ergebnis von Entwicklung, sondern als Entwicklungsmotor begreifen", unterstrich Northover.

WaterAid hat kürzlich einen Bericht mit dem Titel 'Bridging the Divide' ('Die Kluft überwinden') veröffentlicht, der die ungleiche Mittelvergabe beim WASH-Zugang dokumentiert. So erhält Jordanien etwa 850 Dollar pro Person und Jahr für WASH, während Madagaskar, das unter erheblich schlechteren WASH-Bedingungen leidet, nur 0,5 Dollar pro Person und Jahr bekommt.

Dem Bericht zufolge ist dieses Ungleichgewicht bei der Zielrichtung der Hilfe auf geografische oder strategische Interessen, historische Verbindungen mit den ehemaligen Kolonien und politische Gründe zurückzuführen. Northover ergänzte die Liste um den Hinweis, "dass die Geber nur ungern in fragile Staaten investieren". "Innerhalb Indiens haben wir in den ärmsten Regionen trotz spektakulärer Wachstumsraten in den letzten zehn Jahren kaum sanitäre Fortschritte festgestellt", fuhr er fort.


Hilfe zu den richtigen Stellen leiten

Die Bereitstellung von Geldern allein reiche nicht aus, meinte John Sauer von der Nichtregierungsorganisation 'Water for People'. "Die Herausforderung besteht darin, dafür zu sorgen, dass diese Gelder zweckgebunden ausgegeben werden und an die Bezirksregierungen weitergeleitet werden, in deren Zuständigkeit die lokale Wasser- und Sanitärversorgung fällt.

Auf der WASH-Konferenz in Washington wurde ferner darüber diskutiert, wie die durch Investitionen generierten Instrumentarien möglichst nachhaltig genutzt werden können. Northover zufolge hat die niederländische Regierung in einigen WASH-Abkommen eine Klausel aufgenommen, der zufolge jedes im Ausland durchgeführte Investitionsvorhaben eine Lebensdauer von mindestens einem Jahr haben muss. Ostasiatische Staaten wie Vietnam und die Mongolei schnüren Investitionspakete, die dazu beitragen sollen, vorhandene WASH-Systeme zu erhalten beziehungsweise wieder instand zu setzen. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/04/sanitation-rapidly-receding-goal/

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IPS-Tagesdienst vom 14. April 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2014