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REDE/492: Minister Rösler zum Haushaltsgesetz 2012, 24.11.2011 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag am 24. November 2011 in Berlin:


Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Der deutschen Wirtschaft geht es gut. Ihr verdanken wir ein enormes Wachstum im Jahre 2010 von 3,6 Prozent und ein gutes Wachstum für 2011 von 2,9 Prozent. Selbst in dem schwieriger werdenden Jahr 2012 erwarten wir ein positives Wachstum von eins Prozent. Eines ist ebenso klar: Deutschland bleibt Wachstumslokomotive in Europa. Diese Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP wird dafür sorgen, dass dies auch in Zukunft so bleibt.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Claus, ich werde mich als deutscher Wirtschaftsminister niemals dafür entschuldigen, dass wir Außenhandelsbilanzüberschüsse haben, weder bei Ihnen im Ausschuss noch auf europäischer Ebene; denn diese Überschüsse sind keine Schwäche, sondern sie sind Ausdruck der Stärke und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unserer deutschen Volkswirtschaft.

Diese gilt es zu stärken: durch Fachkräftesicherung, kluge Energiepolitik, ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und Stabilisierung unserer gemeinsamen Währung, des Euro. Sie sind leider nicht mehr zum Thema Fachkräftesicherung gekommen. Es ist eine großartige Leistung aller beteiligten Partner in der sozialen Marktwirtschaft, der Sozialpartner und auch der Politik, dass durch kluge Politik in diesem Jahr und auch in den Folgejahren gerade junge ausbildungsschwache Menschen eine deutlich größere Chance auf einen Ausbildungsplatz und in der Folge auf einen Arbeitsplatz haben als zu Ihren Regierungszeiten. Von Ihnen von der Linksfraktion wollen wir erst gar nicht sprechen.

Europaweit haben wir die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit. Schauen Sie einmal nach Frankreich, Italien oder nach Spanien mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 46 Prozent. Hier in Deutschland ist es zum Glück anders. Ich sage Ihnen ausdrücklich: ohne einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.

Wenn wir bei den jungen Menschen erfolgreich sein können, dann - da gebe ich Ihnen recht - müssen wir genauso erfolgreich sein, wenn es darum geht, junge Eltern oder auch ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das wird aber nicht durch Quoten oder durch gesetzliche Vorgaben funktionieren, sondern nur, indem wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, indem wir auch an dieser Stelle nochmals einen klaren Appell an die deutsche Wirtschaft senden, dass sie sich nicht über Fachkräftemangel beklagen darf, wenn sie gleichzeitig darauf verzichtet, jungen und gut ausgebildeten Menschen eine Perspektive, eine Chance durch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu geben, und wenn sie bei Kündigungen zuallererst an die älteren Menschen denkt. Wir halten das für falsch. Wer den Fachkräftemangel sieht, der muss etwas dagegen unternehmen. Er kann es tun, indem er jungen Menschen und älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland eine Chance gibt.

Erstmalig schaffen wir ein System der gesteuerten Zuwanderung in den ersten Arbeitsmarkt in Deutschland. Wir setzen die Blue-Card-Richtlinie der EU um. Sie enthält klare Regeln für die Zuwanderung, gestaffelt nach Gehalt, Beruf und jeweiliger Qualifikation. Ich sage Ihnen: Wir haben jahrelang darum gestritten und jahrelang dafür gekämpft. Jetzt ist es endlich gelungen. Das ist tatsächlich ein Paradigmenwechsel in der deutschen Zuwanderungspolitik.

Wirtschaftspolitik heißt auch Industriepolitik. Industriepolitik heißt auch Energiepolitik. Das bedeutet: Wir müssen die Energieversorgung eines Industrielandes wie Deutschland sichern. Das wird nicht mit naiv-romantischen energiepolitischen Vorstellungen funktionieren. Wenn wir die Energiewende in Deutschland erfolgreich umsetzen wollen, dann müssen wir mit grünen Träumereien Schluss machen.

Die Bundesnetzagentur, die Sie eben so gescholten haben, arbeitet mit Hochdruck an einem deutschen Netzausbauplan. Wir arbeiten an einem Förderprogramm für hocheffiziente neue Kraftwerke und bauen Kraft-Wärme-Kopplung aus. Wir wollen Forschung und Innovationen gerade im Energiebereich: neue Netze, Speichertechnologien und Elektromobilität.

Ich erwarte von all denjenigen, die in den letzten 20, 30 Jahren gegen Kernenergie demonstriert haben, dass sie jetzt fest an meiner Seite stehen, wenn wir neue Kohlekraftwerke, Gaskraftwerke und 4.500 Kilometer neue Netze bauen. Wer aus der Kernenergie aussteigen will, der muss in fossile Kraftwerke einsteigen. Alles andere wäre unehrlich.

Ich bin sehr gespannt. Ich habe die Umweltverbände angeschrieben, mich beim Bau von Kohlekraftwerken und Gaskraftwerken zu unterstützen. Da scheint es bei den Umweltverbänden noch Nachholbedarf zu geben. Auf die Antworten bin ich sehr gespannt. Mit Ihrer Politik jedenfalls wird es nicht weitergehen. Wir brauchen endlich wieder eine realistische Energiepolitik, eine gute Industriepolitik und eine starke Wirtschaftspolitik in Deutschland.

Wir brauchen auch Vertrauen in unsere Wirtschaft und unser Wirtschaftssystem, also in das System der sozialen Marktwirtschaft. Wir alle sehen, dass dieses Vertrauen zunehmend schwindet. Das zeigen nicht nur die Demonstrationen, sondern auch Gespräche mit Unternehmerinnen und Unternehmern. Sie stellen uns immer wieder eine Frage: Was macht Politik tatsächlich für die Regulierung der Finanzmärkte in Deutschland, in Europa und weltweit?

Die Finanzmärkte werden gebraucht. Sie müssen Liquidität für die Unternehmen zur Verfügung stellen. Sie haben eine dienende Funktion. Aber auch wir sehen selbstverständlich, dass sich die Finanzmärkte mit vielen ihrer Produkte und Verfahren längst von dieser dienenden Funktion entfernt haben. Sie haben sich verselbstständigt. Genau das müssen wir gemeinsam stoppen.

Ich habe null Verständnis, wenn Sie mit fallenden Aktien, die Ihnen nicht einmal gehören und die Sie sich noch nicht einmal geliehen haben, Gewinne machen können. Deswegen ist es klug, ungedeckte Leerverkäufe zu verbieten. Genau das hat die Bundesregierung getan. Wir setzen uns dafür ein, dieses Verbot von ungedeckten Leerverkäufen nicht national, sondern international, also europaweit und weltweit, durchzusetzen. Wir hoffen sehr, dass Sie auch an dieser Stelle an unserer Seite stehen. Denn wir brauchen noch weitere Regulierungen auf dem Finanzmarkt.

Ihre Antwort auf die Frage der Regulierung ist eine Finanztransaktionsteuer. Das ist mir zu wenig. Das ist nur Abkassieren und kein Regulieren. Wir brauchen mehr, wenn wir die Finanzmärkte weltweit in den Griff bekommen wollen.

Wir brauchen mehr Transparenz im Derivatehandel. Wieso gibt es eigentlich keine Anrechnung von Staatsanleihen auf das Eigenkapital von Banken? Jeder Mittelstandskredit muss angerechnet werden. Damit werden geradezu Anreize gesetzt, unsolide Staatsanleihen zu kaufen. Ich will, dass es künftig wieder attraktiv wird, an den Mittelstand Kredite zu vergeben, statt unsolide, faule Staatsanleihen zu kaufen. Daran müssen wir etwas ändern.

Wenn wir Vertrauen schaffen wollen, dann ist das die Aufgabe für die Vertreter der sozialen Marktwirtschaft. So wie Ludwig Erhard damals mit dem Kartellrecht einen wesentlichen Baustein in das Fundamt der sozialen Marktwirtschaft eingefügt hat, muss die jetzige Politikergeneration, die sich der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet fühlt, eine kluge Finanzmarktregulierung in das System der sozialen Marktwirtschaft mit einfügen. Das ist eine Aufgabe für die Vertreter der sozialen Marktwirtschaft, also für uns.

Genauso müssen wir um Vertrauen werben, wenn es um die Stabilisierung unserer Währung geht. Ich habe gestern Ihre Reden genau verfolgt: nicht ein Wort der Entschuldigung und des Bedauerns, dass Sie mit dem Aufweichen der Maastricht-Kriterien das Vertrauen der Menschen in unsere Währung massiv enttäuscht haben. Das war die Ursache für die aktuelle Krise. Dagegen haben Sie nichts getan. Stattdessen kommen von Ihnen jetzt gute Ratschläge, wie die Haushalte in den Griff zu bekommen sind. Ausgerechnet von Rot und von Grün brauchen wir solche Ratschläge nicht. Jeder weiß: Da, wo Sie regieren, werden Schulden gemacht, bis es kracht. Ich glaube, Sie sollten sich etwas zurückhalten, wenn es darum geht, mit uns gemeinsam über Haushaltskonsolidierung zu reden.

Wir brauchen von Ihnen keine Ratschläge. Aber ich glaube, wir sollten alle zusammenstehen, wenn es darum geht, für eine Stabilitätsunion zu kämpfen: mit einem Schuldenverbot für alle Staaten und einem Wettbewerbstest. Alle diejenigen, die bei einem solchen Test durchfallen - das kennen Sie, Frau Künast -, müssen mit harten, automatischen Sanktionsmaßnahmen rechnen. Dafür brauchen wir Vertragsänderungen. Wir brauchen, nachdem Sie den Stabilitätspakt I kaputtgemacht haben, einen neuen Stabilitätspakt. Wir brauchen Vertragsänderungen, wir brauchen einen Stabilitätspakt II in Europa zur Stabilisierung unserer gemeinsamen Währung.

Sie wollen das Gegenteil. Sie wollen eine Transferunion, Sie wollen Euro-Bonds, und Ihr Kollege, Frau Künast, möchte ja sogar Finanzminister werden. Wir halten alles drei für falsch.

Eine Transferunion wäre falsch, weil wir nicht wollen, dass der deutsche Steuerzahler für die Schulden in anderen europäischen Staaten aufkommt. Wir wollen keine Euro-Bonds, weil wir nicht wollen, dass die Zinsen in Deutschland dramatisch steigen. Das wäre zum Nachteil für das Wachstum in Deutschland. Deswegen sage ich Ihnen: Die Menschen können auf diese Regierungskoalition zählen. Wir werden alles drei verhindern: die Transferunion, Euro-Bonds und Jürgen Trittin als Bundesfinanzminister.

Anstatt sich hier aufzuregen, sollte sich der gesamte Deutsche Bundestag jetzt gemeinsam gegen die Vorschläge des EU-Kommissars Herrn Barroso stellen. Er schlägt Euro-Bonds vor und fordert sie. Es wäre nicht nur zum Schaden für unser Land, wenn die Zinsen steigen würden, sondern das wäre auch zum Schaden von Europa, weil das Vertrauen in die Europäische Union und in die Stabilität der Europäischen Union verloren gehen würde. Wir sagen Nein zu Euro-Bonds. Das sollte hier als Signal vom gesamten Deutschen Bundestag gesendet werden.

Das ist unsere Aufgabe: Wachstum verstetigen, Fachkräftesicherung, kluge Energiepolitik, klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und Stabilisierung der Währung. Das sind die richtigen Schritte für die Verstetigung des Wachstums auch im Jahre 2012.


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Quelle:
Bulletin Nr. 125-1 vom 24.11.2011
Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler,
zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag am 24. November 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2011