Schattenblick →INFOPOOL →RECHT → FAKTEN

AUSLAND/045: Ex-Premier Berlusconi wegen Steuerbetrug in Milliardenhöhe angeklagt (Gerhard Feldbauer)


Ex-Premier Berlusconi wegen Steuerbetrug in Milliardenhöhe angeklagt

Staatsanwalt fordert drei Jahre und acht Monate

Von Gerhard Feldbauer, 24. Juni 2012



Im Prozess wegen Steuerbetrug, Führung von Scheinfirmen und schwarzer Kassen im Ausland hat die Mailänder Staatsanwaltschaft gegen den Ex-Premier und reichsten Kapitalisten des Landes, Silvio Berlusconi, drei Jahre und acht Monate Haft gefordert. Er ist angeklagt, durch Preis-, Kauf- und Verkaufsmanipulationen im Rahmen seines Mediaset-Konzerns die Preise für Filmrechte von 1994 bis 1998 von 292 Mrd. Euro auf 40 Mio. Euro zwischen 2001 und 2003 gedrückt, so niedrigere Gewinne ausgewiesen und den Staat um die entsprechenden Steuern betrogen zu haben. Die "Financial Times" (Deutschlandausgabe 30. April 2001) hatte schon damals von der Existenz von 64 zur Fininvest gehörenden Auslandsfirmen, die den Aufsichtsbehörden verschwiegen worden seien, berichtet. Mehrere Verfahren gegen den Ex-Premier laufen noch oder stehen vor der Wiederaufnahme, darunter ein Verfahren wegen Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen und Amtsmissbrauchs. Als die Prostituierte später festgenommen wurde, wies Berlusconi an, sie freizulassen, weil sie angeblich die Nichte des damaligen ägyptischen Präsidenten Mubarak sei.

Prozesse gegen frühere Machthaber sind heute so selten nicht. Aber der gegen das überführte Mitglied der faschistischen Putschloge P2 ist schon von besonderem Kaliber. Nachdem der Medientycoon im April 1994 Regierungschef geworden war, wurde er bis 2008, wie "Der Spiegel" in Nr. 27 des Jahres berichtete, in 17 Prozessen der Korruption, der Geldwäsche, des illegalen Waffenhandels und Kapitaltransfers, der Führung von Tarnfirmen und weiterer Delikte angeklagt und insgesamt zu über zehn Jahren Gefängnis und zehn Mio. DM Geldstrafe verurteilt. Ein derart kriminell belasteter Politiker hätte, so schrieben die Publizisten Elio Veltri und Marco Travaglio in Ihrem Buch "L'Odore dei Soldi. Origine e Misteri delle Fortune die Silvio Berlusconi" (Rom 2001) bei einer einigermaßen funktionierenden Demokratie gar nicht für das höchste Regierungsamt kandidieren dürfen. Als Ministerpräsident leitete Berlusconi sofort juristische Schritte ein, um gegen ihn noch laufende Verfahren einzustellen, die Urteile der ersten Instanz zu kassieren. Ein Regierungsdekret verfügte, dass Bilanzfälschungen, deren er in großem Stil angeklagt wurde, nicht mehr strafrechtlich verfolgt wurden oder unter Verjährung fielen. Selbst die "Financial Times" kommentierte, diese Dekrete nützten überwiegend den persönlichen oder geschäftlichen Interessen Berlusconis. Der Verfassungsrechtler Alessandro Pace sagte, es gebe "niemanden, der so tief wie er" in dieses "System verstrickt" sei.

1992/93 hatte die Gruppe der Mailänder Staatsanwaltschaft (bekannt als Manni pulite (saubere Hände) unter Antonio di Pietro rund 5.000 Ermittlungsverfahren gegen korrupte Politiker und Wirtschaftsmanager eingeleitet und 1.356 Staats- und Parteifunktionäre, darunter 945 Senatoren, Abgeordnete. Minister, unzählige Bürgermeister, Provinz- und Stadträte in Untersuchungshaft genommen. Unter Berlusconi wurden die Verfahren niedergeschlagen, kamen alle auf freien Fuß, was ihm Zustimmung einbrachte. Da es nicht gelang, die Juristen generell mundtot zu machen, verschaffte sich der Regierungschef Immunität vor Strafverfolgungen durch eine von seiner Parlamentsmehrheit verabschiedete sogenannte "Lex Berlusconi", die untersagte, strafrechtlich gegen ihn vorzugehen. Juristen, die dagegen protestierten, attackierte er als "rote Richter", welche die Regierung stürzen wollten, beschimpfte sie in unflätiger Weise als "Taliban", "Schwerverbrecher", "Eiterbeulen der Gesellschaft". Das betraf 789 an Prozessen gegen ihn beteiligte Richter.

Dennoch bleiben in Rom Zweifel, ob es gelingen wird, den angeklagten Ex-Premier einer Strafe zuzuführen. Erst kürzlich wurde er in einem Verfahren wegen nachgewiesener Anwaltsbestechung in Höhe von 600.000 Euro wegen Verjährung freigesprochen. Italiens Mühlen der Justiz mahlen langsam. Der jetzige Prozess läuft in Erster Instanz. Gegen ein Urteil werden Berlusconis Anwälte in Berufung gehen, und die kann bis zur letzten Instanz Jahre dauern.

*

Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2012