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INTERNATIONAL/137: UN - Machtlos gegen Peitschenhiebe auf Anti-Folter-Konvention (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Januar 2015

UN: Machtlos gegen Peitschenhiebe auf Anti-Folter-Konvention

von Thalif Deen



New York, 16. Januar (IPS) - Menschen auszupeitschen, ist ein klarer Verstoß gegen die Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen. Doch diese besonders grausame Form der Prügelstrafe, die derzeit ein saudischer Blogger erleiden muss, offenbart die Ohnmacht der Weltorganisation, die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards durchzusetzen.

Der UN-Menschenrechtshochkommissar Zeid Ra'ad Al Hussein, der ehemalige ständige Vertreter Jordaniens bei den UN, erklärte am 15. Januar, dass das Auspeitschen mindestens als eine grausame und unmenschliche Art der Bestrafung betrachtet werden muss, "die nach internationalen Menschenrechtsbestimmungen und insbesondere der von Saudi-Arabien ratifizierten Anti-Folter-Konvention verboten ist."

Im Grunde wird die internationale Übereinkunft sowohl durch das saudische Verhalten als auch durch die Folterung mutmaßlicher Terroristen durch die US-Geheimdienste ad absurdum geführt. Denn die Vereinten Nationen sind hilflos und unfähig, die verantwortlichen Staaten zur Rechenschaft zu ziehen, es sei denn, der UN-Sicherheitsrat bringt diesbezüglich eine entsprechende Resolution zustande.

Für den Gründer der Webseite 'Free Saudi Liberals', Raif Badawi, bedeutet die Machtlosigkeit, dass er jeden Freitag, dem heiligen Feiertag der Muslime, öffentlich ausgepeitscht wird: 50 Peitschenhiebe, bis das Strafmaß von 1.000 Schlägen abgegolten ist.

Badawi befindet sich bereits seit 2012 in Haft. Die ersten 50 Schläge erhielt er jedoch erst am 9. Januar in der Hafenstadt Dschidda an Roten Meer. Wie inzwischen bekannt wurde, ist sein Gesundheitszustand so schlecht, dass die zweite Runde der körperlichen Züchtigung kurzfristig abgesagt wurde.


"Gewissensgefangener"

Der 30-Jährige hatte in seinen Blogs wiederholt Kritik an der saudischen Sittenpolizei geübt. Die Behörden warfen ihm Beleidung des Islams vor. "Dabei hat er lediglich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht", protestierte Sevag Kechichian, Saudi-Arabien-Experte bei 'Amnesty International'. "Raif Badawi ist ein Gewissensgefangener."

Das extrem hohe Strafmaß - 1.000 Peitschenhiebe, zehn Jahre Gefängnis und eine Geldbuße in Höhe von einer Million Saudi-Riyal (266.000 US-Dollar) - zeige die Verbissenheit, mit der die saudischen Behörden jeden politischen Widerstand im Keim zu ersticken suchten, meinte Kechichian und forderte Riad auf, mit Badawis unverzüglicher und bedingungsloser Freilassung auf den internationalen Aufschrei der Empörung zu reagieren.

Amnesty erinnerte daran, dass die saudische Regierung den Anschlag auf 'Charlie Hebdo' am 7. Januar in Paris als Akt der Feigheit verurteilt hatte. "Doch nur einen Tag später lässt sie Raif Badawi auspeitschen, weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hat. Das ist Heuchelei, die angeprangert werden muss, um Saudi-Arabien zum Einlenken zu zwingen."

Wie Adam Coogle, Nahost-Experte bei 'Human Rights Watch', gegenüber IPS erklärte, hat das Büro des UN-Menschenrechtshochkommissars (OHCHR) die Peitschenhiebe als Folter entlarvt und folgerichtig Saudi-Arabien zur Abschaffung der Praxis aufgefordert. "Wir begrüßen die Pressemitteilung des OHCHR. Gleichzeitig appellieren wir an Zeid und die Vereinten Nationen, Saudi-Arabien im Auge zu behalten und öffentlich zu kritisieren, wenn es harte und drakonische Strafen gegen friedliche Aktivisten und Dissidenten verhängt."

Die USA haben Saudi-Arabien, ihrem engsten Verbündeten in Nahost, eine ungewöhnlich harsche Rüge erteilt und nahe gelegt, die Haftstrafe für Badawi aufzuheben und den Fall erneut zu prüfen. Die USA seien strikte Gegner von Gesetzen, die Menschen einschließlich angeblicher 'Abtrünniger' um ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit bringen würden. "Wir fordern alle Länder dazu auf, die Ausübung dieser Rechte zu ermöglichen", meinte die Sprecherin des State Department, Jen Psaki.

Javier El-Hage, Rechtsberater bei der 'Human Rights Foundation' (HRF), warf Saudi-Arabien vor, mit seinem Verstoß das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ins Lächerliche zu ziehen und ein wichtiges Werkzeug zum Schutz der Menschenrechte zu schwächen.


Anti-Folter-Komitee soll handeln

"Das Anti-Folter-Komitee muss die Regierung von Saudi-Arabien unverzüglich dazu auffordern, die Peitschenhiebe gegen Herrn Badawi einzustellen, da diese Form der Bestrafung ein klarer Vertragsbruch ist, den Saudi-Arabien im Zusammenhang mit der Anti-Folter-Konvention begeht", so El-Hage.

Artikel 20 der Konvention berechtige das UN-Anti-Folter-Komitee, "kraft seines Amtes Untersuchungen durchzuführen, wenn ihm glaubwürdige Informationen und Indikatoren vorliegen, dass es im Staatsgebiet eines Vertragsstaates systematisch zu Folterungen kommt", unterstrich er. Auch wenn das Gremium über keine Vollstreckungsgewalt verfüge, um Saudi-Arabien zur Einstellung der Auspeitschungen zu zwingen, könne das Komitee einen entsprechenden Bericht verfassen, Saudi-Arabien dafür verurteilen und Empfehlungen ausgeben.

In seiner Mitteilung forderte Zeid den saudischen König auf, von seinem Recht Gebrauch zu machen, Badawi zu begnadigen und ihm dadurch die weiteren Hiebe zu ersparen. Auch verlangte er die unverzügliche Abschaffung dieser besonders harten Bestrafungsform.

Der UN-Menschenrechtshochkommissar wies ferner darauf hin, dass Badawi einer von vielen verfolgten zivilgesellschaftlichen Akteuren in dem Wüstenstaat sei. Am 12. Januar hatte ein Berufungsgericht ein Urteil gegen Badawis Anwalt und Schwager Waleed Abu Al-Khair wegen Beleidigung der Justiz und Gründung einer nicht angemeldeten Organisation aufrechterhalten und das Strafmaß von zehn Jahren Haft auf 15 erhöht.

Das UN-Anti-Folter-Komitee hat wiederholt die Länder, in denen Menschen ausgepeitscht werden, aufgefordert, diese Form der Bestrafung abzuschaffen. Im nächsten Jahr steht die Überprüfung des saudischen Berichts über die Einhaltung der Konvention an. (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/01/u-n-helpless-as-saudi-flogging-violates-torture-convention/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2015


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