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MELDUNG/079: Feldbefreierin legt Revision beim OLG Bamberg ein (Cécile Lecomte)


Cécile Lecomte - Pressemitteilung, 25. September 2010

Feldbefreierin legt Revision beim OLG Bamberg ein

- Ausführliche Revisionsbegründung eingereicht
- Etappensieg für Feldbefreierin vor dem OLG


Weil sie keine andere Möglichkeiten sahen, die unmittelbar bevorstehenden Gefahren der Gentechnik abzuwenden, griffen ca. 60 GentechnikgegnerInnen zur Tat: Am 29. Juni 2008 befreiten sie in der Nähe von Kitzingen durch Ausreißen der Pflanzen ein mit Genmais MON 810 bestelltes Feld. Es folgten Anzeigen wegen Sachbeschädigung. Zwei Jahre später wurde Ende Juni 2010 das erste Urteil - 45 Tagessätze - gegen Feldbefreierin Cécile Lecomte vor dem Würzburger Landgericht gesprochen. Die kämpferische Aktivistin zieht vor die nächste Instanz. Anfang der Woche reichte sie ihre zusammen mit ihrem Rechtsanwalt geschriebene Revisionsbegründung beim Oberlandesgericht ein. Zuvor hatte sie ihr Recht auf die Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Revisionsverfahren erkämpft und vor dem Beschwerdegericht einen Etappensieg verbucht. Das OLG Bamberg hob in einem Beschluss von grundsätzlicher Bedeutung eine Entscheidung des Landesgerichts Würzburg auf und stärkte die Rechte von Angeklagten ohne Verteidiger.

Vor dem Landgericht verteidigte sich die junge Französin selbst - unterstützt wurde sie von einem befreundeten Aktivisten, der als ihr Rechtsbeistand vom Gericht genehmigt worden war. Weil vor ein Revisionsgericht ein Angeklagter nicht ohne Verteidiger ziehen darf, beantragte Lecomte für das Revisionsverfahren die Pflichtverteidigung. Richter am Landgericht Würzburg Dr. Hess lehnte ihren Antrag ab. Auf die Beschwerde der Angeklagten hin, hob das Oberlandesgericht den Beschluss auf und verfügte die Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Revisionsverfahren. Unter anderem auf Grund der hohen Formalisierung des Revisionsrechts und der Schwierigkeit der materiellen Rechtslage.

Schwierig gestaltet sich die Rechtslage auf jeden Fall. In der Hauptverhandlung stellte die Angeklagte über 30 ausführlich begründete Beweisanträge, die überwiegend die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) betrafen.

Das Landgericht gab der Angeklagten in vielen Punkten Recht. Es sah die Gefahren der Gentechnik für Mensch und Umwelt als gegeben an, nahm der Angeklagten ab, dass sie von einem Notstand ausgegangen sei. Das Landgericht urteilte allerdings, die Voraussetzung für einen Freispruch nach dem § 34 StGB hätten nicht vorgelegen, weil die Angeklagte nicht das mildeste Mittel angewendet habe.

Diese Einschätzung rügt nun die Feldbefreierin in ihrer Revision. "Im Urteil sind Feststellungen zu finden, die ohne Beweiserhebung zu Stande gekommen sind. Das Landgericht behauptet, die Gefahr hätte mit einem legalen Mittel, nämlich einer Menschenkette, abgewendet werden können. Darüber wurde allerdings kein Beweis erhoben und es müsste doch dem Gericht einleuchten, dass eine Menschenkette nicht geeignet ist, den Pollenflug - also die Gefahr einer Verseuchung - aufzuhalten! Und weil es mir nicht nachgewiesen wurde, dass ich nicht das mildeste Mittel angewandt habe, um die Gefahr abzuwenden, hätte mich das Gericht freisprechen müssen! Es gilt ja vor Gericht das Prinzip "in dubio pro reo"; im Zweifelsfall für den Angeklagten". Cécile Lecomte kritisiert weiter die außergewöhnliche Schärfe des Urteils, das gegen sie gesprochen wurde.

In seinem Urteil ließ das Landgericht in der Vergangenheit gegen die Aktivistin geführte und eingestellte Verfahren strafverschärfend einfließen. Das Verlesen dieser Informationen über ihr Vorleben war allerdings nach Meinung der Angeklagten rechtswidrig, weil es sich um keine Verurteilungen handelt, die Angeklagte ist nicht vorbestraft gewesen - Andere nicht vorbestrafte FeldbefreierInnen haben wegen der selben Handlung in den nachfolgenden Verfahren zwischen 15 und 25 Tagessätze erhalten - nicht 45 wie im Fall Lecomte.

Die streitbare Französin mit Spitznamen Eichhörnchen ist oft dabei, wenn irgendwo in der Republik gegen Umweltzerstörungen protestiert wird. Manchmal auf dem Acker, auf der Straße, oft hoch in den Bäumen oder an Gebäudefassaden. Sie vermutet, dass die Höhe des Urteils als eine Art "Politzuschlag" für ihren unbequemen Protest gedacht war.

Eichhörnchen, den 25. September 2010



Weitere Informationen:

Urteil des Landgerichts Würzburg gegen Cécile Lecomte (pdf):
http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/urteil-LG-wuerzburg-feldbefreiung-kitzingen08-lecomte.pdf

Beschluss des Oberlandesgerichtes Bamberg zur Gewährung der Pflichtverteidigung für das Revisionsverfahren (pdf):
http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/OLG-BA-Pflichvert-Revision-Feldbefreiung-%20Az-1Ws499_10.pdf

Revisionsbegründung der Verteidigung (pdf):
http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/Revisionsbegruendung-OLGBamberg-genfeld-Kitzingen.pdf


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Quelle:
Pressemitteilung, 25.09.2010
Cécile Lecomte
Internet: www.eichhoernchen.ouvaton.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2010