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MELDUNG/180: Aktivistin in Abwesenheit verurteilt (Genfilz stoppen!)


Genfilz stoppen!
Pressemitteilung vom 3. Februar 2012

"Die Einlasskontrollen am Amtsgericht Tiergarten sind überzogen."

Aktivistin in Abwesenheit verurteilt


Am gestrigen Donnerstag ist wiederholt vor dem Berliner Amtsgericht eine Person verurteilt worden, weil die rigiden Einlasskontrollen ein verspätetes Erscheinen verursachten. Die Umweltaktivistin Franziska sollte sich aufgrund einer Anti-Gentechnik-Aktion aus dem Jahr 2009 gegen den Vorwurf des Hausfriedensbruchs verteidigen - stattdessen wurde sie in Abwesenheit verurteilt.

Franziska erreichte den Verhandlungssaal im Amtsgericht Tiergarten mit Verspätung, obwohl sie bereits deutlich vor Verhandlungsbeginn am Gericht war. Über 25 Minuten war sie bei den Einlasskontrollen des Gerichts aufgehalten worden. Die Richterin verwarf daraufhin Franziskas Einspruch gegen den Strafbefehl, obwohl sie darüber informiert war, dass diese sich aufgrund der aufwendigen Kontrollen verspätete. Damit ist die Aktivistin zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt.

Der Hintergrund des Prozesses sind die Aktionstage gegen grüne Gentechnik, die im Sommer 2009 in Berlin stattfanden. In deren Rahmen sollte vor dem Julius-Kühn-Institut (JKI) ein Transparent von Kletternden aufgehängt werden. Franziska, die diese Aktion vom Boden aus beobachtete, wurde des Hausfriedensbruchs beschuldigt. Während die Verfahren gegen die Kletternden und weitere Personen vor geraumer Zeit eingestellt wurden, wurde gegen Franziska bis gestern prozessiert. Nach ihrem Einspruch gegen einen Strafbefehl gab es bereits im vergangenen Jahr zwei Verhandlungstage gegen die Aktivistin, an denen es allerdings nicht zu einer Erörterung des Vorwurfs kam.

Obwohl der zuständigen Richterin Greiff mitgeteilt wurde, dass die Angeklagte noch in den Einlasskontrollen aufgehalten wurde, erklärte diese gestern um 09:15 Uhr, die Beschuldigte sei nicht zur Hauptverhandlung erschienen und verwarf Franziskas Einspruch. Eine Minute später erreichte die Aktivistin den Verhandlungssaal. Auf deren ungläubige Rückfragen reagierte Richterin Greiff mit der Äußerung, es stünde ihr frei Rechtsmittel einzulegen, sie mache hier allerdings "keine Rechtsberatung". Anschließend ordnete sie an, den Saal räumen zu lassen.

Dies ist kein Einzelfall. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Politaktivist Jörg Bergstedt gegen seine Verurteilung in einem politischen Strafverfahren, infolge seiner durch die Kontrollen verursachten Verspätung, geklagt. Die Zurückweisung seiner Klage wurde unter anderem damit begründet, dass kein Rechtsschutzinteresse bestünde, da es sich um einen Einzelfall handeln würde, bei dem keine Wiederholungsgefahr bestehe. Der damals Verurteilte, dann Kläger vor dem Verwaltungsgericht, protestierte schon damals gegen diese Wertung - erfolglos.

"Offensichtlich werden am Amtsgericht Tiergarten die Eingangskontrollen als Mittel benutzt, besonders unbequeme Angeklagte möglichst schnell und ohne öffentliche Verhandlung zu verurteilen." , so eine Prozessbeobachterin. Gründe dafür lägen auf der Hand: "Das Gericht fühlt sich durch Angeklagte, die sich nicht wie üblich in einer schnellen ca. halbstündigen Verhandlung aburteilen lassen, sondern sich mit Anträgen und Öffentlichkeitsarbeit zu den politischen Hintergründen der ihnen vorgeworfenen Taten zur Wehr setzen, offenkundig gestört."

Franziska plant, Rechtsmittel gegen den Ablauf ihrer Verurteilung einzulegen. "Aus naheliegenden Gründen verspreche ich mir nicht viel von der Ausschöpfung des Rechtsweges . Aber ich kann auch nicht akzeptieren, dass ich für gesellschaftliches Engagement kriminalisiert werde. Diesen Vorgang will ich so weit wie möglich erschweren!"

Weitere Informationen: http://gentechfilz.blogsport.de/


Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
siehe auch:
www.schattenblick.de → Bürger und Gesellschaft → Fakten
COURAGE/001: "Es geht darum, eine Person für ihr Engagement zu bestrafen." (Genfilz stoppen!)


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Kontakt:
Pressemitteilung vom 2. Februar 2012
Genfilz stoppen!
E-Mail: Berlin_entfilzen@riseup.net
Internet: http://gentechfilz.blogsport.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2012