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MELDUNG/632: Unabhängige Rechtsberatung als Teil humanitärer Ersthilfe sichern (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 15. November 2019

Unabhängige Rechtsberatung als Teil humanitärer Ersthilfe sichern!

Verfahrensbeschleunigungen in griechischen Flüchtlingscamps essenziell - aber nicht zu Lasten der Rechtsstaatlichkeit


Berlin (DAV). Das Europäische Parlament widmet sich aktuell der Situation in den griechischen Flüchtlingslagern, insbesondere dem Moria-Camp auf Lesbos. Das Fazit: Die Lage ist katastrophal, es fehlt am Grundlegendsten. Verfahren sollen nun gestrafft werden. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt dies, mahnt aber die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien an. Insbesondere müssen die Menschen Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung haben.

500 Personen teilen sich eine Toilette, es gibt nur einen Kinderarzt für das gesamte Flüchtlingslager, für den bevorstehenden kalten Winter auf der Insel stehen erneut nur Sommerzelte zur Verfügung - auf Lesbos mangelt es an allem. Bei einer Kapazität von 3.000 Plätzen halten sich derzeit zwischen 12.000 und 14.000 Personen im Camp Moria auf.

Nach Einschätzung der EU werden die aktuellen Änderungen des griechischen Asylrechts zu effizienteren Asylverfahren führen. Der Deutsche Anwaltverein begrüßt die Bestrebungen, die Verfahren zu beschleunigen. Die derzeit überlangen Verfahren haben verheerende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Betroffenen. Dabei muss aber unbedingt eine unabhängige und individuelle Rechtsberatung der Menschen in Moria gewährleistet werden. Beschleunigte Verfahren dürfen nicht zu Lasten der Rechtsstaatlichkeit gehen.

Der DAV fordert, dass das neue griechische Asylrecht auch von der Bereitstellung entsprechender Mittel begleitet wird: "Unabhängige Rechtsberatung ist ein notwendiger Bestandteil humanitärer Ersthilfe in Krisensituationen. Hierfür müssen die notwendigen Mittel an die freiwillig tätigen Organisationen direkt durch EU-Institutionen, aber auch durch nationale Regierungen bereitgestellt werden", betont Rechtsanwalt Philipp Wendt, Hauptgeschäftsführer des DAV.

Der DAV hat 2016 gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) die gemeinnützige Organisation European Lawyers in Lesvos (ELIL) gegründet, die unabhängige Pro-bono-Rechtsberatung für Asylsuchende im Moria-Camp auf Lesbos anbietet. In den letzten drei Jahren halfen dabei 144 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus 17 Ländern ehrenamtlich mehr als 9.000 schutzsuchenden Menschen im griechischen Moria-Camp mit kostenloser Rechtsberatung. Projekte wie diese werden in aller Regel allein von der Zivilgesellschaft getragen und erhalten keine Fördermittel von der EU oder von EU-Mitgliedsstaaten.

"Wir brauchen auch mehr Solidarität der Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Das reicht vom Verteilungsmechanismus, der von zahlreichen Staaten nicht umgesetzt wird, bis hin zu den seit Jahren blockierten Vorschlägen für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem", so Philipp Wendt. "Wir begrüßen insofern, dass die Europäische Kommission in der ersten Jahreshälfte 2020 neue Vorschläge vorlegen will, um die Blockade aufzulösen."

Das Projekt European Lawyers in Lesvos ermöglicht Geflüchteten im Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos Zugang zu kostenloser Rechtsberatung.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 20/19 vom 15. November 2019
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Littenstraße 11, 10179 Berlin
Tel.: 0 30/72 61 52 - 0
Fax: 0 30/72 61 52 - 190
E-mail: service@anwaltverein.de
Internet: www.anwaltverein.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2019

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