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STELLUNGNAHME/082: Mahnung zur Vorsicht bei Neugestaltung eines »Gaffer-Gesetzes« (RAV)


Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. - 03.07.2019

Gewaltexzess bei Nürnberger Polizei

RAV mahnt zur Vorsicht bei Neugestaltung eines »Gaffer-Gesetzes«


Über mehrere Minuten hinweg hatten Ende Juni zwei Polizeibeamte im Rahmen einer vorläufigen Festnahme einen am Boden liegenden Mann mit Schlägen, Tritten und Schlagstockeinsatz traktiert, wie ein Video einer Privatperson belegt.[1] Zwar setzt das Video erst ein, als der Mann bereits am Boden liegt. Allerdings ist das Handeln der Beamten während der Aufzeichnung eindeutig unverhältnismäßig und damit ungerechtfertigt. Das LKA ermittelt gegen die Beamten und das Opfer.

Rechtsanwalt Yunus Ziyal, Vertreter der Regionalgruppe Bayern des RAV, mahnt anlässlich des Falls: »Wir müssen immer wieder Geschädigte von Polizeigewalt vor Gericht vertreten. Wo Bilder oder Videoaufnahmen vorliegen, haben die Opfer zumindest eine Chance, ihr Recht zu bekommen. geboten. Es soll sich zwar gegen Personen richten, die bei 'Unfallgeschehnissen' Bild- oder Filmaufnahmen von Unfallopfern anfertigen und die Persönlichkeitsrechte der Geschädigten verletzen. Tatsächlich wird aber auch immer auf vermeintliche Störungen der polizeilichen Arbeit hingewiesen. Dem ist aber mit Vorsicht zu begegnen«.

Ein Gesetz, das die Behinderung von Hilfeleistung unter Strafe stellt, wurde bereit 2017 erlassen.[2] Der RAV sieht die Gefahr, dass die Neugestaltung des 'Gaffer-Gesetzes' auch die Wegnahme von Mobiltelefonen und anderen Aufnahmegeräten umfassen wird. »Das kann dazu führen«, so Strafverteidigerin Franziska Nedelmann, stellvertretende Bundesvorsitzende des RAV, der der Fall bekannt ist, »dass derartige Aufzeichnungen von der Polizei künftig unterbunden und den Betroffenen damit wertvolle Beweismittel entzogen werden«.

Rettungsarbeiten sollen nicht behindert werden. Aber immer wieder verlaufen Fälle rechtswidriger Polizeimaßnahmen mangels objektiver Beweismittel im Sande. »In der Ausgestaltung des Gesetzes ist daher zu berücksichtigen, dass die Dokumentation von polizeilichen Einsätzen nicht verhindert wird«, so Rechtsanwalt Ziyal.

Ferner bekräftigt der Anwaltsverein eine langjährig erhobene Forderung nach effektiver Kontrolle der Polizei:

Notwendig ist eine unabhängige Instanz mit institutioneller Unabhängigkeit von Polizei und Innenverwaltungen sowie hinreichender Ausstattung mit Befugnissen und Ressourcen. Sie muss für alle Formen von Missbrauch des staatlichen Gewaltmonopols zuständig sein. Eine solche unabhängige Polizeikommission muss von dem Landesparlament eingerichtet und diesem gegenüber rechenschaftspflichtig sein. Die Mitglieder der Kommission müssen eigene Ermittlungen anstellen, Akten einsehen und Empfehlungen an die Staatsanwaltschaft aber auch die Innenverwaltung für disziplinarische Reaktionen aussprechen können. Den Betroffenen von Polizeigewalt muss ein Einsichtsrecht in die Akten der Kommission zustehen.


Anmerkungen:
[1] https://www.nordbayern.de/region/nuernberg/video-nurnberger-polizisten-prugeln-auf-45-jahrigen-ein-1.9042766.
[2] https://www.tagesschau.de/inland/bundesrat-gaffer-105.html

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Quelle:
Pressemitteilung vom 3. Juli 2019
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
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Telefon +49 (0)30 417 235 55 | Fax +49 (0)30 417 235 57
E-Mail: kontakt@rav.de
Internet: www.rav.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2019

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